Sexuell übertragbare Erkrankung
Sexuell übertragbare Erkrankungen, im Deutschen auch englisch STD (sexually transmitted diseases) oder STI (sexually transmitted infections) genannt, sind jene Krankheiten, die auch oder hauptsächlich durch den Geschlechtsverkehr übertragen werden können. Sie können von Viren, Bakterien, Pilzen, Protozoen und parasitischen Arthropoden verursacht werden.
Geschlechtskrankheiten oder Venerische Krankheiten (englisch VD (venereal disease)) im engeren Sinn oder Venerea (Wortherkunft siehe Venerologie) werden nur durch Geschlechtsverkehr übertragen. Es gibt sie beim Menschen und bei Tieren. Bei Tieren werden sie tiermedizinische Deckseuchen genannt. Für sexuell übertragbare Erkrankungen besteht bzw. bestand für die behandelnden Ärzte eine gesetzliche Meldepflicht an die zuständige Behörde (Gesundheitsamt bzw. Veterinäramt). In der Humanmedizin wird lediglich das Auftreten des Krankheitsfalles gemeldet jedoch nicht der Name der erkrankten Person, denn die Patientenakte unterliegt in jedem Falle dem Datenschutz.
Die als solche erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in Europa in größerem Umfang beachteten „klassischen Geschlechtskrankheiten“ (Syphilis, Gonorrhoe, Ulcus molle und Lymphogranuloma venereum) hatten bis vor kurzem nur mehr geringe Bedeutung, da sie selten geworden waren. Neuerdings mehren sich die Erkrankungsfälle wieder.
Wesentlich bedeutender – und teilweise wesentlich schwerer zu behandeln – sind momentan: HIV-Infektion und AIDS, Hepatitis B, Herpes genitalis, Infektionen mit Chlamydien und Trichomonas vaginalis, Filzlausbefall, und die Infektion mit bestimmten (so genannten „high risk“) Humanen Papillomviren (HP-Viren, HPV), von denen einige die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs verursachen können. So sind heute in Deutschland ca. 100 000 Frauen durch unbehandelte chlamydienbedingte Infektionen ungewollt kinderlos, und es versterben an Hepatitis B jährlich mehr Menschen als an den anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen zusammengenommen – eine Tatsache, der heute mit der Impfung gegen Hepatitis B im Säuglings- bzw. Kindesalter entgegengetreten wird. Seit 2006 gibt es auch eine Impfung gegen die „high-risk“-HP-Viren, von der man sich ein deutliches Absinken der Häufigkeit des Gebärmutterhalskrebs erhofft.
Deutschlands medizinische Fachgesellschaft für den Bereich sexuell übertragbarer Erkrankungen ist die Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG), die 1912 gegründet wurde.
ÜbersichtBearbeiten
- Teilweise aus:[1]
MeldepflichtBearbeiten
- In Deutschland besteht momentan eine Meldepflicht nach dem § 7 Infektionsschutzgesetz[2] für HIV (nichtnamentlich) an das Robert-Koch-Institut.[3] Für Syphilis besteht eine Meldepflicht für die anonymisierten Daten der Erkrankungsfälle an das Robert-Koch-Institut.[1]
- In Österreich besteht (nach: Absonderungsverordnung von 1915, Epidemiegesetz von 1950, Geschlechtskrankheitengesetz, AIDS-Gesetz, BGBl 345/1993) eine Meldepflicht für AIDS (nicht für die alleinige HIV-Infektion), Syphilis, Gonorrhoe, Ulcus molle und Lymphogranuloma venereum.[4][5]
ExpertenBearbeiten
Das Teilgebiet der Medizin, welches sich mit den klassischen sexuell übertragbaren Krankheiten beschäftigt, ist die Venerologie.
Der zuständige Facharzt für die meisten sexuell übertragbaren Krankheiten ist der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Aber auch Urologen und Gynäkologen (Frauenärzte) werden in vermehrtem Maß (auch aufgrund der neuen Erkenntnissen über die durch Chlamydien verursachten Probleme) von Patienten aufgesucht. Diese Fachärzte können Ratsuchende in entsprechendem Maße aufklären und auf Wunsch untersuchen und behandeln. Seit dem Auftreten von AIDS sind auch viele Lungenfachärzte mit sexuell übertragbaren Krankheiten zumindest im weiteren Sinne konfrontiert.
Neben der Venerologie beschäftigt sich auch die Infektiologie mit sexuell übertragbaren Krankheiten.
Experten aller relevanter medizinischer Fachbereiche, einschließlich der Epidemiologie und der Sozialwissenschaften, haben sich in der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG) zusammengeschlossen. Die DSTIG organisiert öffentliche Fachkongresse und Fortbildungsveranstaltungen.
HäufigkeitBearbeiten
Experten und Gesundheitsbehörden in ganz Europa stellen eine drastische Zunahme der „klassischen Geschlechtskrankheiten“ fest, da in der Bevölkerung der Glaube vorherrscht, dass diese praktisch verschwunden seien.
Da die Bevölkerung die HIV-Infektion immer noch als Problem von Randgruppen sieht, betrachten viele Menschen diese als kalkulierbares Risiko und geschützter Geschlechtsverkehr mit Kondom wird wieder mehr als Mittel zur Empfängnisverhütung und weniger zur Verhütung von Ansteckungen mit Geschlechtskrankheiten angesehen.
Daher stieg nach jüngsten Erhebungen z. B. in England die Zahl der Syphilis-Erkrankungen binnen weniger als sechs Jahren um das 13fache,[6] die Fälle von Gonorrhoe nahmen um 86 Prozent zu, die Zahl der Chlamydia-Infektionen verdoppelte sich. In den Niederlanden verzeichneten die Gesundheitsbehörden binnen zwölf Monaten eine Syphilis-Zunahme um 80 Prozent. In Deutschland verdoppelte sich die Zahl der Syphilis-Erkrankungen zwischen 2000 und 2002 auf rund 2.300 Fälle. Alle Bundesländer verzeichnen dabei einen Anstieg, wobei die Ballungsgebiete und Großstädte wie Berlin, Hamburg, München, Frankfurt und Köln besonders betroffen sind. Mehr als 85 Prozent der Neuinfizierten sind Männer, vor allem in der Altersgruppe von 25 bis 39 Jahren. Am höchsten ist die Zunahme der Neuinfektionen bei homosexuellen Männern.
Nach dem Ende des Kommunismus in Osteuropa wurden die „klassischen Geschlechtskrankheiten“ in den ehemaligen Ostblockstaaten wieder sehr häufig, was sich auch mit mehr Erkrankungsfällen in deren Nachbarländern auswirkt.
Bei den in Untersuchungen vernachlässigten höheren Altersgruppen stieg die Infektionsrate ebenfalls.[7]
Anzahl der Neuerkrankungen | Inzidenz |
---|---|
Trichomoniasis | 170 Mio |
Chlamydien | 50 Mio |
HIV | 40 Mio (2000) |
Humanes Papillomvirus | 30 Mio |
Gonorrhoe | 25 Mio |
Herpes genitalis | 20 Mio |
Syphilis | 4 Mio |
Hepatitis B | 2 Mio |
Ulcus molle | ? |
Prävention und TherapieBearbeiten
Auch unter größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen kann eine Ansteckung nicht ausgeschlossen werden, wenn einer der Partner – möglicherweise ohne es zu wissen – eine Infektion hat. Eine bedeutende Rolle für das Risiko einer Ansteckung durch Intimkontakt spielen Partnerwechsel. Gesunde sexuell aktive Menschen, die in monogamen Beziehungen leben, sind davon nicht betroffen. Die Möglichkeit sich anzustecken wird von vielen Menschen als zu akzeptierendes Grundrisiko betrachtet und die mögliche Prävention durch ärztliche Vorsorge außer Acht gelassen. Die Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten kann durch den ständigen Gebrauch von Kondomen signifikant eingeschränkt werden. Jedem verantwortungsbewussten Menschen steht jedoch auch die Möglichkeit offen, sich vor einem ersten Intimkontakt mit einem neuen Partner vorsorglich von einem Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten bzw. einem Gynäkologen (Frauenarzt) untersuchen und erforderlichenfalls behandeln zu lassen und beim Gesundheitsamt kostenlos und anonym einen HIV-Test zu machen. Wird diese Sicherheitsvorkehrung von beiden Partnern angewandt, entfällt der Hauptübertragungsweg für diese Art von Infektionen, sodass auf die Verwendung von Kondomen als Infektionsschutz verzichtet werden kann.
Die Impfung gegen Hepatitis B verringert das Risiko einer Infektion mit Hepatitis B und senkt gleichzeitig bei einer Infektion den Schweregrad der Erkrankung. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat deshalb die Hepatitis-B-Impfung in ihre Empfehlungen für den regelmäßigen Impfschutz von Kindern und Jugendlichen aufgenommen.
Durch die Einführung von Antibiotika ist bei den vielen dieser Erkrankungen eine erfolgreiche Behandlung möglich, besonders wenn sie frühzeitig erkannt werden (die HIV-Infektion bildet eine Ausnahme). Allerdings müssen die vom Facharzt verordneten Medikamente konsequent von beiden Partnern gleichzeitig angewendet werden, um eine Reinfektion durch den Ping-Pong-Effekt zu verhindern.
Prävention durch InformationBearbeiten
Durch frühzeitige Information an Schulen und öffentliche Werbekampagnen ("Kondome schützen"), soll ein verantwortungsvoller Umgang mit den Gefahren sexuell übertragbarer Krankheiten gefördert werden. Keine öffentliche Aufklärung wird darüber betrieben, welche Fachärzte für Mädchen und Frauen bzw. Jungen und Männer für vorsorgliche Untersuchungen oder Untersuchungen im Verdachtsfall zuständig sind und dass Patientenakten grundsätzlich unter Datenschutz stehen.
STD oder STI?Bearbeiten
Insbesondere im englischsprachigen Raum wird der Begriff STI (sexually transmitted infection) vermehrt an Stelle des Begriffs STD (sexually transmitted disease) verwendet. Die Befürworter dieser Wortverwendung argumentieren, dass bereits infizierte Personen weitere Personen infizieren können, ohne dass bei den Infizierten bereits irgendwelche Krankheitssymptome aufgetreten sind, und dies somit eine weiterfassende Definition darstellt. Die Gegner der Umbenennung erwidern dagegen, dass der Begriff Krankheit auf nicht-infizierte Personen bedrohlicher als der Begriff Infektion klingt und daher vorgezogen werden sollte.
Siehe auchBearbeiten
- Postexpositionelle Prophylaxe – Vorbeugende Behandlung, bis zu 48 Stunden nach möglicher Infektion mit Hepatitis B, C und HIV
- Sexualhygiene
- Vaginaldusche
LiteraturBearbeiten
- Birgit Adam: Die Strafe der Venus. Eine Kulturgeschichte der Geschlechtskrankheiten. Orbis, München 2001, ISBN 3-572-01268-6.
- Gundolf Keil: Geschlechtskrankheiten (Antike und Mittelalter). In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 482 f.
- René Burgun und Paul Laugier: Die Geschichte der Geschlechtskrankheiten. In: Illustrierte Geschichte der Medizin. Deutsche Bearbeitung von Richard Toellner u. a. Sonderauflage. Salzburg 1986, Band III, S. 1448–1511.
WeblinksBearbeiten
- Sexuell übertragbare Krankheiten und Broschüre Sexuell übertragbare Krankheiten. (PDF; 212 kB) pro familia
- Was sind STD/STI? dstig.de, Deutsche STI-Gesellschaft e. V. – Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit
- Geschlechtskrankheiten Übersicht. geschlechtskrankheiten.de, Deutscher Verlag für Gesundheitsinformation – Informationen, Fachartikel und Forum für sexuell übertragbare Krankheiten
- Infektionsschutzgesetz (IfSG) der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere § 19, § 24 sowie § 69 Absatz 1 Nr. 6 und Absatz 2
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ a b Peter Fritsch: Dermatologie und Venerologie. 2. Auflage. Springer Verlag, 2004, ISBN 3-540-00332-0.
- ↑ ifsg Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) Bundesministerium für Gesundheit der BRD
- ↑ Umsetzung der Meldung gemäß § 7 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes
- ↑ Die Renaissance der Geschlechtskrankheiten. auf: medizinpopulaer.at
- ↑ Meldepflichtige Krankheiten. (Memento des Originals vom 13. März 2013 im Internet Archive; PDF; 227 kB) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Bundesministerium für Gesundheit und Frauen der Republik Österreich
- ↑ L. J. Brant, A. Bukasa, K. L. Davison, J. Newham, J. A. Barbara: Increase in recently acquired syphilis infections in English, Welsh and Northern Irish blood donors. In: Vox Sanguinis. 2007 Juli; 93 (1), S. 19–26., doi:10.1111/j.1423-0410.2007.00923.x
- ↑ A. T. Bodley-Tickell, B. Olowokure, S. Bhaduri, D. J. White, D. Ward, J. D. C. Ross, G. Smith, H. V. Duggal, P. Gool: Trends in sexually transmitted infections (other than HIV) in older people: analysis of data from an enhanced surveillance system. In: Sexually Transmitted Infections. 2008; 84, S. 312–317, doi:10.1136/sti.2007.027847
- ↑ J. Mati: Family planning, sexually transmitted diseases and AIDS. In: Family planning, health and family well-being. United Nations, Population Division, 1996, S. 213–223, abstract (Memento vom 10. Dezember 2008 im Internet Archive)
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