Kloster Schussenried
Das Kloster Schussenried (lateinisch Sorethum) ist eine ehemalige Reichsabtei in Bad Schussenried im Landkreis Biberach in Oberschwaben. Das Chorherrenstift der Prämonstratenser bestand von 1183 bis 1803. Heute wird das Konventsgebäude unter dem Namen Neues Kloster Schussenried als Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum genutzt. Der barocke Bibliothekssaal gilt als eine Hauptsehenswürdigkeit der Oberschwäbischen Barockstraße. Die ehemalige Klosterkirche St. Magnus dient als katholische Pfarrkirche.
GeschichteBearbeiten
Gründung des KlostersBearbeiten
Um 1150 besaßen Konrad und Beringer von Schussenried in Shuzenriet einen Herrensitz. Da sie keine Erben hatten, übertrugen sie ihren Besitz, zu dem auch eine Kirche gehörte, 1183 dem Prämonstratenserorden. Aus dem Kloster Weißenau kam ein Gründungskonvent, bestehend aus einem Propst namens Friedrich und zwölf weiteren Prämonstratensern, nach Schussenried. Die beiden Stifter traten dem Konvent bei. Das Familienwappen (ein aufgerichteter, bekrönter Löwe auf silbernem Grund) wurde das Wappen des neuen Klosters.
Das Kloster im MittelalterBearbeiten
Nach dem Tod der beiden Stifter folgten Auseinandersetzungen mit Konrad von Wartenberg, der Erbansprüche anmeldete. In den „Wartenbergischen Wirren“ floh der Konvent vorübergehend ins Mutterkloster Weißenau, der neue Propst Manegold bat Papst Coelestin III. um seinen Rechtsbeistand. Nachdem dieser die Stiftung bestätigt hatte und mit Hilfe des Konstanzer Bischofs 1205 ein Vergleich geschlossen war, konnten die Chorherren ins Kloster zurückkehren. Am 13. Februar 1211 erteilte Papst Innozenz III. dem Kloster ein Schutzprivileg.
Wann die Erbauung der in Teilen noch heute existierenden Klosterkirche begonnen wurde, ist ungeklärt. Mutmaßlich erst unter dem von 1223 bis 1248 amtierenden Propst Konrad II. wurde sie nach 1230 vollendet und der Mutter Gottes geweiht. Später kam der Heilige Magnus von Füssen, dessen Reliquien bereits um 1880 im Kloster Weißenau verehrt wurden, als weiterer Schutzpatron hinzu. 1366 ist die Kirche als Gozhus Unser Frawen und Sanct Mang bezeugt.
Zur Sicherung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit erwarb das Kloster in den Jahren 1224–1253 den Zellerhof sowie Güter in Hopferbach, Kürnbach, Laimbach, Schwaigfurt, Olzreute, Kleinwinnaden, Roppertsweiler, Sattenbeuren und Eggatsweiler. Darüber hinaus konnte das Kloster das Patronatsrecht in einer Reihe von Pfarreien der näheren Umgebung erwerben.
Im Jahr 1227 erlangte das Kloster die Zollfreiheit, 1240 folgten die Vogteirechte. Am 11. Januar 1440 wurde der bisherige Propst Konrad V. zum Abt geweiht, das Kloster somit unabhängige Abtei. Ab 1452 stand es unter dem Schutz der Truchsessen von Waldburg sowie der Georgsritterschaft.
Spätestens Ende des 15. Jahrhunderts erlangte Schussenried die Reichsunmittelbarkeit und war somit nur noch dem Kaiser verpflichtet. Seit 1487 war das Kloster von fremden Gerichten befreit, 1497 ist erstmals die Anwesenheit eines Schussenrieder Abtes auf dem Reichstag bezeugt. 1512 erlangte die Abtei in allen Orten ihrer Grundherrschaft auch die Hoch- und Blutgerichtsbarkeit. Ab 1538 war der Abt von Schussenried Mitglied im Schwäbischen Reichsprälatenkollegium.
Die Klosterkirche wurde um 1493 bis 1498 umgebaut und gotisiert. Um 1493 wurde der Kirchturm erhöht und ein neuer Chorraum errichtet, 1497 wurden das Langhaus und der Kreuzgang eingewölbt und in den Folgejahren eine Anzahl neuer Schrein- und Flügelaltäre aufgestellt. 1482 hatte Abt Heinrich Österreicher vor der Westfassade einen schlossartigen Anbau mit einer Eingangshalle sowie über dem Nordflügel des Kreuzganges eine Bibliothek errichten lassen.
Bis ins 15. Jahrhundert hinein setzte sich der Konvent vor allem aus Chorherren niederadliger oder patrizischer Herkunft zusammen. Danach bestand er vor allem aus bürgerlichen und bäuerlichen Mitgliedern. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts studierte der Ordensnachwuchs im eigenen Haus oder wurde an Universitäten wie Tübingen, Heidelberg, Freiburg im Breisgau oder Rom ausgebildet. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts studierte die Mehrheit der Novizen an der 1551 gegründeten Jesuitenuniversität Dillingen. Dem Auftrag ihres Ordens gemäß wirkten die Schussenrieder Chorherren als Seelsorger in den Klosterpfarreien.
Bau des Neuen KlostersBearbeiten
Die heutige Bezeichnung Neues Kloster verweist auf den barocken Neubau der Klosteranlage nach 1752. Am 20. März 1748 stellte Abt Siard Frick (1733–1750) seinem Konvent einen Riss sowie ein Modell des geplanten Neubaus nach Planungen des Architekten Dominikus Zimmermann vor. Doch den Neubau führte nicht er, sondern dessen Schüler Jakob Emele aus, der sich jedoch stark an den Risszeichnungen und dem in der Klosterbibliothek aufbewahrten Modell seines Meisters orientierte. Die ursprünglich geplante Vierflügelanlage mit integrierter Kirche kam aus finanziellen Gründen zum Stillstand. Der heutige Dreiflügelbau ist der Nordflügel mit Ansätzen der West- und Ostflügel der ursprünglich geplanten Anlage und nimmt von dieser etwa ein Drittel ein.
Aufhebung des KlostersBearbeiten
Durch den Reichsdeputationshauptschluss fiel das Kloster als Ausgleich für linksrheinische Gebietsverluste im Jahr 1803 an die Grafen von Sternberg-Manderscheid. Bei der Aufhebung bestand der Konvent aus 30 Chorherren, von denen einige das Kloster verließen. Die Verbliebenen erhielten das Chorgebet zu Vesper und Komplet an Sonn- und Feiertagen aufrecht bis das Kloster mit der Rheinbundakte 1806 an das Königreich Württemberg fiel, das den Konventualen das Chorgebet untersagte. Zu diesem Zeitpunkt gehörten dem Kloster die späteren Gemeinden Schussenried, Michelwinnaden, Otterswang, Reichenbach, Stafflangen, Winterstettendorf und Allmannsweiler sowie weitere einzelne Höfe und Weiler. Die Klostergebäude verkaufte eine Erbengemeinschaft der Grafen 1835 an das Königreich Württemberg. Die Bestände der einst sehr bedeutenden Klosterbibliothek wurden verkauft und sind vielfach verschollen.
Nutzung als KrankenhausBearbeiten
1875 wurde in den Klostergebäuden die Königliche Heil- und Pflegeanstalt Schussenried eingerichtet, die in der Folge durch Neubauten erweitert wurde. Das Krankenhaus wurde mehrfach umbenannt: ab 1953 hieß es Psychiatrisches Landeskrankenhaus, ab 1996 Zentrum für Psychiatrie, und seit 2009 wird es als Hauptsitz und Standort Schussenried des ZfP Südwürttemberg betrieben. Das barocke Konventsgebäude selbst wurde bis 1997 vom Zentrum für Psychiatrie benutzt.
Heutige NutzungBearbeiten
Kloster Schussenried zählt zu den landeseigenen Kulturdenkmälern und wird von der Einrichtung „Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg“ betreut. Die ehemalige Klosterkirche dient als römisch-katholische Pfarrkirche. Der ehemalige Klosterbezirk ist darüber hinaus von den Einrichtungen des ZfP Südwürttemberg geprägt.
VeranstaltungsortBearbeiten
Seit 1998 wird das „Neue Kloster“ (das barocke Konventsgebäude) als Tagungs- und Veranstaltungsstätte genutzt. 2003 fand in den Räumen beispielsweise eine Landesausstellung zur Säkularisation statt. Seit 2019 wird vor der Klostermauer der „Schussenrieder Open Air Sommer“ mit Streetfood und Electronic-Music-Festival jedes Jahr am Ende August gefeiert.
MuseumBearbeiten
Seit 2010 ist das Neue Museum Kloster Schussenried Zweigmuseum des Landesmuseums Württemberg.[1] 2012 fand eine Ausstellung anlässlich der internationalen Kunstausstellung Experimentelle statt. Die Dauerausstellung „Verborgene Pracht – vom Leben hinter Klostermauern“ informiert nicht nur über die Geschichte des Klosters Schussenried und die Kulturgeschichte schwäbischer Klöster, sondern zeigt auch die Ausstellung „200 Jahre Psychiatriegeschichte im Neuen Kloster“. Denn von 1875 an war im Kloster die Königliche Heil- und Pflegeanstalt Schussenried untergebracht, in der psychisch erkrankte Menschen behandelt wurden. Zahlreiche Exponate und historisches Bildmaterial belegen die Entwicklung der Psychiatrie zur medizinischen Wissenschaft und verdeutlichen, wie sich die Behandlung und Unterbringung der Patienten im Laufe der Zeit gewandelt hat. Diese Ausstellung ist der zweite Standort des Württembergischen Psychiatriemuseums in Zwiefalten.[2]
KlosterkircheBearbeiten
BibliothekssaalBearbeiten
Zum Museum gehört der lichtdurchflutete Rokoko-Bibliothekssaal im nördlichen Konventsneubau. Er gilt als spektakulärster Teil der Klostergebäude. Auf zwei Geschossen befinden sich die geschlossenen Bücherschränke. Das Ausstattungsprogramm gehörte zu den reichsten und ausführlichsten im 18. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum. Das Deckenfresko, das Franz Georg Hermann 1757 vollendete, zeigt in einer verwirrenden Fülle das Wirken der göttlichen Weisheit in Apokalypse, Wissenschaft, Bildender Kunst und Technik.
Zu den letzten Plastiken, die für den Raum geschaffen wurden, gehören acht Gruppen von kirchlichen Irrlehrern, denen acht große Figuren der Kirchenlehrer gegenüberstehen. Sie wurden 1766 von Fidel Sporer fertiggestellt.
- Ansichten des Bibliothekssaals
Baum des Porphyrios
ÄbteBearbeiten
LiteraturBearbeiten
- Otto Beck: Pfarrkirche St. Magnus (und Maria) Bad Schussenried. Schnell und Steiner, München und Zürich. 8. Auflage 2006
- Otto Beck: Schussenried, in: Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart, hg. v. Wolfgang Zimmermann und Nicole Priesching. Thorbecke, Ostfildern 2003, S. 437–440
- Otto Beck und Anton Schmid: Ein Meisterwerk barocker Holzschnitzkunst. Das Chorgestühl von Ba Schussenried. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg, 2. Auflage 2013.
- Hubert Kohler (Hrsg.): Bad Schussenried. Geschichte einer oberschwäbischen Klosterstadt. Festschrift zur 800-Jahrfeier der Gründung des Prämonstratenserstifts. Thorbecke, Sigmaringen 1983, ISBN 3-7995-4060-1.
- Johannes May: Die himmlische Bibliothek im Prämonstratenserkloster Schussenried (Marbacher Magazin, Sonderheft 87/1999). 2. Auflage. Deutsche Schillergesellschaft, Marbach 2000, ISBN 3-933679-27-3.
- Johann Georg von Memminger: Gemeinde Schussenried, in: Beschreibung des Oberamts Waldsee. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1834, S: 190ff.
- Sybe Wartena: Die Süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance bis zum Klassizismus. München 2008 (Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität).
WeblinksBearbeiten
- Website des Klosters Schussenried
- Prämonstratenserabtei Schussenried in der Datenbank Klöster in Baden-Württemberg des Landesarchivs Baden-Württemberg
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ Pressemitteilung MWK Baden-Württemberg: Neues Zweigmuseum des Landesmuseums Württemberg in Kloster Schussenried eröffnet, abgerufen am 26. November 2015.
- ↑ Eckart Roloff und Karin Henke-Wendt: Ein Kloster voller Psychiatriegeschichte. (200 Jahre Psychiatriegeschichte im Neuen Kloster) In: Besuchen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Eine Tour durch Deutschlands Museen für Medizin und Pharmazie. Band 2, Süddeutschland. Verlag S. Hirzel, Stuttgart 2015, S. 27–29, ISBN 978-3-7776-2511-9
Koordinaten: 48° 0′ 26,3″ N, 9° 39′ 30,9″ O