Kreuzgang

Der Kreuzgang (lateinisch ambitus, claustrum; französisch cloître) ist ein überdachter, gewölbter Bogengang um einen in der Regel quadratischen (oder auch rechteckigen) offenen, nichtüberdachten Innenhof in z. B. christlichen Klöstern oder Stiftsanlagen. Er grenzt meist an die südliche Flanke der Kirche und dient dem Zugang der umgebenden Kloster- oder Konventsgebäude. An den Kreuzgang angelagert und von ihm aus zu erreichen sind verschiedene Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume des Klosters und die Kirche. Die offene Hoffläche konnte auch als Klostergarten genutzt werden, in Kreuzgang und Innenhof konnten Grablegen angeordnet sein.
Die Bezeichnung deutet auf die Bezüge zu den biblischen Beschreibungen des Paradiesgartens (Gen 2 EU) und des Neuen Jerusalems (Offb 21 EU) hin. Die Bauform des claustrum unterstreicht die weltabgeschlossene monastische Lebensform in der „Klausur“.[1]
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Aufbau und NutzungBearbeiten
Wichtige Elemente des Kreuzgangs sind die Arkatur, das Gewölbe und der Brunnen, manchmal auch eine Zisterne, wie im Prieuré de Ganagobie. Es gibt Kreuzgänge ohne Gewölbe, zum Beispiel der zweigeschossige der Abtei Saint-André (Lavaudieu), der von einer Holzbalkendecke überdeckt wird (11. Jahrhundert).
In der Umgebung von katholischen Bischofskirchen (Kathedrale oder Dom) dient der Kreuzgang häufig als Grablege der Domkapitulare und zur Erschließung von Bischofshaus, Kapitelsaal und anderen Verwaltungsgebäuden der Diözese. Ein Beispiel ist der Kreuzgang am Trierer Dom, der auch als Verbindung zur Liebfrauenkirche und als Zugang zur Sakristei genutzt wird.
GeschichteBearbeiten
Der Ursprung des Bautypus ist nicht eindeutig geklärt. Die Vertreter der Atriumstheorie behaupten, der Kreuzgang sei eine Abwandlung des frühchristlichen Peristyl, manchmal in Einheit mit einem schmalen Narthex. Die Anhänger der Villentheorie vertreten die Ansicht, durch die Umnutzung antiker Villen zu Klöstern sei das römische Atrium (in Spanien Patio) in die mönchische Architektur eingedrungen. Die Vertreter der Orienttheorie nehmen an, dass ein in syrischen Klöstern der Spätantike entwickelter Hoftyp als Vorbild für den Kreuzgang diente. Jüngere Forschungen (z. B. Rolf Legler) weisen auf die Unstimmigkeiten in der Datierung von frühchristlichen Klöstern hin und nehmen daher an, dass der Kreuzgang eine eigenständige Neuschöpfung im Zuge der anianischen Reform (820 n. Chr.) ist.
Die erste zeichnerische Darstellung eines Kreuzganges findet sich im Klosterplan von Sankt Gallen, gezeichnet um das Jahr 820. Der Kreuzgang ist hier das Zentrum eines idealisierten Klosters. Die Arkaden des Kreuzganges werden auf quadratischem Grundriss errichtet. Der Arkadenumgang erschließt die wichtigen Bereiche des Klosters: Kirche, Dormitorium, Refektorium und Kapitelsaal. Wirtschaftsräume (Werkstätten, Küche, Pferdestall usw.) werden hingegen in einiger Entfernung zum Kreuzgang untergebracht.
Über das früheste gebaute Beispiel eines Kreuzganges besteht keine Einigkeit. Das im Klosterplan dargestellte Schema wurde zum normalen Anlageschema benediktinischer und zisterziensischer Klöster im ländlichen Raum zwischen dem 9. und dem 14. Jahrhundert. Auch die Reform-Orden des 13., 14., und 15. Jahrhunderts nutzten den Kreuzgang im deutlich geänderten Kontext des städtischen, missionarisch ausgerichteten Klosters.
In Lateinamerika erlebte das benediktinische Anlageschema eine entscheidende Transformation. Der als Claustro Mayor bezeichnete zentrale Kreuzgang hatte Funktion und Position des mittelalterlichen Kreuzganges. Der Grundriss wurde aber ergänzt durch eine große Anzahl von weiteren, kleineren Kreuzgängen, denen jeweils Teilbereiche des klösterlichen Lebens zugewiesen wurden. Diese Struktur spiegelt die komplexe, stadtartige Struktur des lateinamerikanischen Stadtklosters wider.
Zu einer Vereinigung von drei zweigeschossigen Kreuzgängen kam es auch in Westeuropa, so etwa im französischen Kloster Brou, das in seiner heutigen Gestalt im 16. Jahrhundert errichtet wurde.
Ste-Eulalie-et-Ste-Julie d’Elne, Kreuzganghof u. Nordturm von NO
Abtei Saint-André (Lavaudieu), Blick aus der Nordgalerie nach Süden
Kreuzganggalerie des Naumburger Domes
Kreuzgang der Hohen Domkirche zu Essen
Kreuzgang des Papstpalastes in Avignon
Östlicher Kreuzgang am Aachener Dom
Kreuzgang des Hildesheimer Domes
LiteraturBearbeiten
- Rolf Legler: Der Kreuzgang, ein Bautypus des Mittelalters. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-631-40706-8.
- Peter K. Klein (Hrsg.): Der mittelalterliche Kreuzgang – Architektur, Funktion und Programm. Regensburg 2004, ISBN 3-7954-1545-4.
Siehe auchBearbeiten
- Lineare Bauteile: Stoa, Bogengang, Arkadenhof, Galerie
- Punktuelle Bauteile: Portikus, Loggia, Säulenhalle
Einzelne KreuzgängeBearbeiten
WeblinksBearbeiten
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ Matthias Hamann: Kreuzgang. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 6. Herder, Freiburg im Breisgau 1997, Sp. 458.