Hans Maaß (Mathematiker)

deutscher Mathematiker

Hans Maaß (* 17. Juni 1911 in Hamburg; † 15. April 1992 in Heidelberg) war ein deutscher Mathematiker, der sich mit Funktionentheorie beschäftigte.

Hans Maaß, Oberwolfach 1976

Leben und Wirken

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Maaß wuchs in Hamburg auf, wo er früh seinen Vater im Ersten Weltkrieg verlor und von seiner Mutter aufgezogen wurde, die ihm trotz bescheidenen Einkommens das Studium ermöglichte. Er studierte an der Universität Hamburg anfangs Physik und Astronomie mit dem Ziel, Astronom zu werden. Bei der Lektüre des Himmelsmechanik-Buches Theoria Motu von Carl Friedrich Gauß stieß er auf Kettenbrüche, studierte dazu das Lehrbuch von Oskar Perron und kam so zur Mathematik. Er studierte in Hamburg unter anderem bei Emil Artin, unter dessen Einfluss seine erste Publikation 1937 entstand, und Erich Hecke, bei dem er 1937 mit seiner Arbeit „Konstruktion ganzer Modulformen halbzahliger Dimension mit  -Multiplikatoren in einer und zwei Variablen“ promoviert wurde.[1]

 
Sühnebescheid vom 14. Mai 1947

Von 1935 bis 1938 war Maaß Mitglied im NSKK und Rottenführer, er beantragte am 1. Oktober 1937 die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.361.915).[2] Die Mitgliedschaft in der NSDAP hat Maaß in der Familie immer verschwiegen; er sei „nur“ Mitglied im NSKK gewesen. Auch der Universität Heidelberg gegenüber scheint Hans Maaß die Mitgliedschaft in der NSDAP verschwiegen zu haben, um vielleicht ein Gefälligkeitsgutachten der 1. Ehefrau Eveline Maaß (Persilschein) zugunsten von Udo Wegner[3][4] nicht in Zweifel zu ziehen;[5] im Universitätsarchiv der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg findet sich ein Hinweis auf die Mitgliedschaft in der NSDAP nur in einer Personalakte von einem Max Müller.[6] 1939 ging er nach kurzer Zeit als Statiker in der Flugzeugindustrie (Focke-Wulf in Bremen) an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, wo er nach seiner Habilitation 1940 („Zur Theorie der automorphen Funktionen von n Veränderlichen“, Mathematische Annalen 1940) Privatdozent war. Während des Krieges hielt er weiter Vorlesungen in Heidelberg, führte aber auch strömungsmechanische und statische Berechnungen für die Luftwaffe durch und geriet gegen Ende des Krieges als Mitglied des Wetterdienstes der Luftwaffe in amerikanische Gefangenschaft, wurde jedoch Ende 1945 entlassen und nahm seine Vorlesungen wieder auf. Ab 1948 war er außerordentlicher Professor und ab 1958 Professor in Heidelberg, nachdem er einen Ruf nach Göttingen auf Einladung Siegels ausgeschlagen hatte. Er war mehrfach zu Gastaufenthalten am Tata Institute of Fundamental Research in Bombay (1954/5, 1962/3). Er war in Heidelberg mehrfach Dekan der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften.

Maaß befasste sich vor allem mit der Theorie der Modulformen, wobei er neben Hecke und Hans Petersson – Heckes damaliger Assistent, der das Thema seiner Dissertation anregte – insbesondere von Carl Ludwig Siegel beeinflusst war (so Maaß in seiner Antrittsrede für die Aufnahme in die Heidelberger Akademie, er traf ihn Anfang der 1950er Jahre), dessen Gesammelte Werke er auch mit K. Chandrasekharan mitherausgab. Bekannt wurde er für seine Einführung nicht-analytischer automorpher Formen in den 1940er Jahren (Maaßsche Wellenformen).[7] Statt der Laplacegleichung zu genügen (wie analytische Funktionen) sind sie Eigenfunktionen des invarianten Laplace-Operators, Maaß nannte sie deshalb auch Wellenformen. International sind diese Formen unter seinem Namen bekannt.[8] Die Motivation für die Einführung kam teilweise aus dem Interesse von Maaß für Verbindungen der Theorie der Modulformen zur Zahlentheorie. Maaß befasste sich auch mit automorphen Funktionen in mehreren Variablen, Siegelschen Modulfunktionen und zugehörigen Zeta-Funktionen.

 

Als Dozent hatte Maaß ein Verhältnis mit einer gerade volljährig gewordenen Studentin, der Christa Barbara Caliebe, die er nach der am 2. August 1957 erfolgten Scheidung von seiner ersten Ehefrau dann am 5. Oktober 1957 heiratete.[9] Noch im Sommersemester 1956 beurteilte Maaß Leistungen seiner Studentin Christa Barbara Caliebe, die an seinen Übungen zur Vorlesung über „Algebra“ teilgenommen hatte, persönlich am 25. Juli 1956 „mit gutem Erfolg“; diese war zu jenen Zeitpunkt schon von ihm schwanger.

Sein mathematischer Nachlass wird vom Zentralarchiv deutscher Mathematiker-Nachlässe an der Universitätsbibliothek Göttingen sowie im Universitätsarchiv der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg aufbewahrt.

Seit 1974 war er Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.[10] Außerdem war er seit 1983 auswärtiges Mitglied der Indian National Academy of Sciences.

Zu seinen Doktoranden zählen Eberhard Freitag und Walter Roelcke.

Maaß war zweimal verheiratet,[9] mit Eveline Maaß, geborene Klose, 20. Juli 1940 bis 2. August 1957, und mit Christa Barbara Maaß, geborene Caliebe, von 5. Oktober 1957 bis 15. April 1992, und hatte fünf Kinder, unter anderem Matthias Joachim Maaß und Michael Maaß.[11]

Schriften

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  • Siegel Modular Forms and Dirichlet Series, Springer, Lecture Notes in Mathematics, 1971 (Kurs an der Universität Maryland)
  • Lectures on modular forms of one complex variable, Tata Institute of Fundamental Research 1964, Springer 1983
  • Lectures on Siegels modular functions, Tata Institute of Fundamental Research 1954/5
  • Abhandlungen von Maaß
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Der Artikel Hans Maaß enth. u. a.

Verweise

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  1. Hans Maaß im Mathematics Genealogy Project (englisch) Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/id verwendet abgerufen am 25. Juli 2024.
  2. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/26881315
  3. Wolfgang U. Eckart, Volker Sellin und Eike Wolgast. (Hrsg.): Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, passim.
  4. Klaus Volkert, Florian Jung: Mathematik, S. 1047 ff.,1066 ff. (insbesondere auch 1080 ff.,1083 f.), in: Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, 2006. Hrsg.: Wolfgang U. Eckart, Volker Sellin und Eike Wolgast.
  5. Klaus Volkert, Florian Jung: Mathematik, S. 1066, Fußnote 101, in: Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, 2006. Hrsg.: Wolfgang U. Eckart, Volker Sellin und Eike Wolgast.
  6. Vergleiche dazu Florian Jung: Das Mathematische Institut der Universität Heidelberg im Dritten Reich, Heidelberg, Univ., Staatsexamensarbeit, 1999, S. 61, Fußnote 428.
  7. „Über eine neue Art von nichtanalytischen automorphen Funktionen und die Bestimmung Dirichletscher Reihen durch Funktionalgleichungen“, Mathematische Annalen, Bd. 121, 1949, S. 141–183. Ausgearbeitet in „Die Differentialgleichungen in der Theorie der elliptischen Modulformen“, Mathematische Annalen, Bd. 125, 1953, S. 235–263.
  8. vgl. en:Maass wave forms.
  9. a b Helen Sarah Maaß: Hans Maaß - Ein akademisches Sittengemälde. In: https://www.researchgate.net/publication/385514986_Hans_Maass_Ein_akademisches_Sittengemalde_-_Oder_doch_ein_typisches_Familienidyll_-_Warum_ich_ungehalten_bin. ResearchGate GmbH, 4. November 2024, abgerufen am 4. November 2024.
  10. Vgl. Gabriele Dörflinger: Mathematik in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. 2014, S. 53–54
  11. Helen Sarah Maaß, Ein ungehaltenes Nachwort, in: Matthias Maaß, Autobiographie (1958–1986), Anhang, online: https://www.researchgate.net/publication/384594625_Maass_Helen_S_Hrsg_Maass_Matthias_J_Autobiografie_Tagebuch.
  12. Rolf Busam/Eberhard Freitag: Busam, Rolf / Freitag, Eberhard: Hans Maaß, in: Jahresbericht der Deutschen MathematikerVereinigung 101 (1999), S. 135–150.