Ettingshausen

Ortsteil von Reiskirchen

Ettingshausen ist ein Ortsteil der Gemeinde Reiskirchen im mittelhessischen Landkreis Gießen. Er hat rund 1900 Einwohner und ist der südlichste und schon zur Wetterau zählende Ortsteil von Reiskirchen.

Ettingshausen
Gemeinde Reiskirchen
Wappen von Ettingshausen
Koordinaten: 50° 34′ N, 8° 54′ OKoordinaten: 50° 33′ 36″ N, 8° 54′ 21″ O
Höhe: 191 m ü. NHN
Fläche: 9,05 km²[1]
Einwohner: 1977 (31. Dez. 2019) HW+NW[1]
Bevölkerungsdichte: 218 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Januar 1977
Postleitzahl: 35447
Vorwahl: 06401

Geschichte Bearbeiten

Ortsgeschichte Bearbeiten

Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung des Orts erfolgte unter dem Namen Ytinshusen am 4. April 1286 in einer Klosterurkunde.[2] Wahrscheinlich existierte der Ort aber schon länger. Eine frühe Besiedlung beweisen Hügelgräber aus der Bronzezeit in der näheren Umgebung. In erhaltenen Urkunden späterer Zeit wurde Ettingshausen in wechselnder Schreibweise des Ortsnamens erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[2] Ittenshusen (1297, 1298), Ittinshusin (1305), Ittingishusin (1323), Ittüngißhußenn (1493) und Öttingshaußen (1675).

Ettingshausen wurde einst als Gewanndorf mit Dreifelderwirtschaft angelegt. Im Mittelalter unterstand es dem Gericht Münster, zählte dann längere Zeit zu Solms und kam schließlich 1806 an das Großherzogtum Hessen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde der zu Ettingshausen gehörende Flugplatz militärisch genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich in dessen Nähe eine Siedlung, die heutige „Flugplatzsiedlung“.[3] Dort fanden vor allem Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten eine neue Heimat.

Von der einst verkehrenden Butzbach-Licher Eisenbahn sind nur noch der ehemalige Bahnhof und Teile des Bahndammes erhalten.

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Zum 1. Januar 1977 wurde im Zuge der Gebietsreform in Hessen die bis dahin selbstständige Gemeinde Ettingshausen durch das Gesetz zur Neugliederung des Dillkreises, der Landkreise Gießen und Wetzlar und der Stadt Gießen in die Gemeinde Reiskirchen eingegliedert.[4] Für Ettingshausen wurde wie für die übrigen Reiskirchener Ortsteile ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher eingerichtet.[5]

Verwaltungsgeschichte im Überblick Bearbeiten

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Ettingshausen angehört(e):[2][6][7]

Gerichte seit 1803 Bearbeiten

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für die Provinz Oberhessen wurde das „Hofgericht Gießen“ als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter beziehungsweise Standesherren vorgenommen und somit war für Ettingshausen ab 1806 das „Patrimonialgericht der Fürsten Solms-Hohensolms-Lich“ in Lich zuständig. Nach der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurden die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- beziehungsweise Stadtgerichte übertragen. Ab 1822 ließen die Fürsten Solms-Hohensolms-Lich ihre Rechte am Gericht durch das Großherzogtum Hessen in ihrem Namen ausüben. „Landgericht Lich“ war daher die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht, das für Ettingshausen zuständig war.[11] Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[12]

Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolge derer die bisherigen großherzoglichen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Lich“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[13] Zum 1. Januar 1882 wurde Ettingshausen an das Amtsgericht Laubach abgegeben.[14] Am 1. Juli 1968 erfolgte die Auflösung des Amtsgerichts Laubach und Ettingshausen wurde dem Sprengel des Amtsgerichts Gießen zugeteilt.[15]

Bevölkerung Bearbeiten

Einwohnerstruktur 2011 Bearbeiten

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag, dem 9. Mai 2011 in Ettingshausen 1779 Einwohner. Darunter waren 45 (2,5 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 348 Einwohner unter 18 Jahren, 753 zwischen 18 und 49, 387 zwischen 50 und 64 und 197 Einwohner waren älter.[16] Die Einwohner lebten in 741 Haushalten. Davon waren 186 Singlehaushalte, 219 Paare ohne Kinder und 243 Paare mit Kindern, sowie 75 Alleinerziehende und 18 Wohngemeinschaften. In 132 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 528 Haushaltungen lebten keine Senioren.[16]

Einwohnerentwicklung Bearbeiten

Ettingshausen: Einwohnerzahlen von 1830 bis 2019
Jahr  Einwohner
1830
  
539
1834
  
616
1840
  
693
1846
  
698
1852
  
656
1858
  
578
1864
  
556
1871
  
582
1875
  
614
1885
  
578
1895
  
547
1905
  
568
1910
  
617
1925
  
639
1939
  
636
1946
  
944
1950
  
989
1956
  
851
1961
  
777
1967
  
779
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
1.779
2012
  
1.927
2015
  
1.936
2019
  
1.977
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [2]; nach 1980: Gemeinde Reiskirchen (HW+NW-Sitze) im Haushaltsplan Vorbericht[1]; Zensus 2011[16]

Historische Religionszugehörigkeit Bearbeiten

• 1830: 521 evangelische (= 96,7 %), 18 jüdische (= 3,3 %) Einwohner[2]
• 1961: 643 evangelische (= 82,8 %), 121 katholische (= 15,6 %) Einwohner[2]

Historische Erwerbstätigkeit Bearbeiten

• 1961: Erwerbspersonen: 146 Land- und Forstwirtschaft, 170 Produzierendes Gewerbe, 45 Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, 41 Dienstleistungen und Sonstiges.[2]

Politik Bearbeiten

Wappen: Am 17. August 1965 wurde der Gemeinde Ettingshausen ein Wappen mit folgender Blasonierung verliehen: In Rot über einem silbernen Herzen mit zwei aufsitzenden, einander zugewandten goldenen Vögeln mit blauen Schnäbeln und Füßen ein goldener sechsstrahliger Stern, darüber eine silberne fünfzackige, mit blauen und roten Steinen belegte Krone.[17]

Kirche Bearbeiten

 
Kirche

Die Evangelische Kirche befindet sich im Ortszentrum an der Hauptstraße. Sie wurde um 1260 als Wehrkirche erbaut und diente neben Gottesdiensten auch zum Schutz der Bürger. Quer gegenüber befinden sich das Pfarramt und ein Gemeindehaus.

Infrastruktur Bearbeiten

 
Schulgebäude in Ettingshausen

Im Zentrum wurde in den 1990er Jahren eine Art „Marktplatz“ geschaffen, um den herum sich ein Komplex mit kleinen Läden und einer Bank, sowie gegenüber ein Jugendzentrum, eine Gaststätte und die Sport- und Kulturhalle anschließen. Es ist ein beliebter Treffpunkt.

Grundschule Bearbeiten

Die Grundschule Ettingshausen ist eine öffentliche Schule. Das Gebäude wurde 1895 erbaut. Auf der ehemaligen Festwiese hinter der Schule wurde in den 1990er Jahren ein weiteres zweistöckiges Gebäude errichtet, um die Kapazität der Schule zu vergrößern. In der unteren Etage befindet sich auch ein Teil des Kindergartens, der somit auch erweitert wurde.

Schwimmbad Bearbeiten

Am nördlichen Ortsrand befindet sich das örtliche Freibad. Neben dem Schwimmbecken (30 m × 11 m) gibt es auch ein Kleinkinderbecken. Das Angebot umfasst eine 4000 m² große Liegewiese, einen Spielplatz, sowie ein Beach-Volleyballfeld und Tischtennisplatten. Das Schwimmbad ist eines der wenigen in der Umgebung und deshalb auch in den Nachbarorten sehr beliebt.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Ettingshausen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise Bearbeiten

Anmerkungen

  1. Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
  2. Mediatisierung infolge der Rheinbundakte.
  3. Trennung zwischen Justiz (Landgericht Lich) und Verwaltung; 1822 gingen die Rechte des „standesherrlichen Amts Lich“ an das Landgericht über, wo sie im Namen der Standesherren ausgeübt wurden.
  4. Der Norddeutsche Bund war der erste deutsche Bundesstaat unter der Führung Preußens. Er war die geschichtliche Vorstufe des Deutschen Reichs. Infolge des Deutschen Krieges wurde die Provinz Oberhessen dort zwangsweise Mitglied.
  5. Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurde die Provinz Oberhessen aufgelöst.
  6. Infolge des Zweiten Weltkriegs.

Einzelnachweise

  1. a b c Haushaltsplan 2021. (PDF; 12 MB) In: Webauftritt. Gemeinde Reiskirchen, S. 15 (Vorbemerkungen), abgerufen im März 2022.
  2. a b c d e f g Ettingshausen, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 28. September 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  3. Flugplatzsiedlung (Memento vom 3. März 2007 im Internet Archive)
  4. Gesetz zur Neugliederung des Dillkreises, der Landkreise Gießen und Wetzlar und der Stadt Gießen (GVBl. II 330–28) vom 13. Mai 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 17, S. 237 ff., § 6 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,2 MB]).
  5. Hauptsatzung. (PDF; 143 kB) § 5. In: Webauftritt. Gemeinde Reiskirchen, abgerufen im August 2020.
  6. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  7. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 12 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 22, 438 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände – Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 424 (online in der Google-Buchsuche).
  10. Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
  11. Theodor Hartleben (Hrsg.): Allgemeine deutsche Justiz-, Kameral- und Polizeifama, Teil 1. Band 2. Johann Andreas Kranzbühler, 1832, S. 271 (online in der Google-Buchsuche).
  12. Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
  13. Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
  14. Bekanntmachung, die Bildung der Amtsgerichtsbezirke Hungen, Lich, Laubach, Grünberg, Homberg, Alsfeld, Vilbel und Friedberg betreffend vom 24. Dezember 1881. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1881 Nr. 203, S. 203–204 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,6 MB]).
  15. Zweites Gesetz zur Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes (Ändert GVBl. II 210–16) vom 12. Februar 1968. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1968 Nr. 4, S. 41–44, Artikel 1, Abs. 2 c) und Artikel 2, Abs. 4 d) (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 298 kB]).
  16. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 8 und 48, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.
  17. Genehmigung eines Wappens und einer Flagge der Gemeinde Ettingshausen, Landkreis Gießen vom 13. August 1965. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1965 Nr. 36, S. 1045, Punkt 847 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,2 MB]).