Covidiot

Schimpfwort für Personen, die wissenschaftliche Erkenntnisse zu Covid-19 ignorieren

Covidiot (englisch covidiot[1] oder auch covidiocy, ,Covidiotie‘) ist ein 2020 im Zuge der COVID-19-Pandemie entstandener Neologismus. Die Begriffe COVID und Idiot wurden zu einem Kofferwort. Der Begriff beschreibt in pejorativer Weise Personen, die die Existenz der Erkrankung Covid-19 bzw. des SARS-CoV-2-Virus leugnen (Corona-Leugner oder COVID-Leugner), an Falschinformationen oder Verschwörungstheorien zur Pandemie glauben bzw. diese weiterverbreiten. Das Wort „covidiot“ ist seit März 2020 im englischsprachigen Urban Dictionary nachweisbar[2] und wird sowohl in sozialen Netzwerken als auch in der Presse verwendet.[3][4]

Bedeutung Bearbeiten

Die abwertende Bedeutung bekommt der Begriff auch dadurch, dass Personen mit diesem Wort bedacht werden, die angesichts einer gesellschaftlichen Krise ihr persönliches Wohlergehen über das anderer stellen, z. B. dadurch, dass sie Schutzvorschriften wie das Tragen von Mund-Nasen-Schutz oder andere Regeln bewusst missachten.[5]

Gemeint sind Personen, die sich in ggf. sich überschneidenden Informationsblasen bewegen und damit einem Echokammer-Effekt unterliegen, was zu einer Verengung der Weltsicht und zu Bestätigungsfehlern oder anderen kognitiven Verzerrungen führen kann.[6][7]

Es werden immer wieder ähnliche Ansichten gehört bzw. gelesen; z. B. dass es das Coronavirus gar nicht gäbe oder dass das Tragen von Mund-Nasen-Schutz eine unnötige und sogar gefährliche Maßnahme sei. Wird die Filterblase nicht verlassen, so führt dies zu einer kontinuierlichen Bestätigung nachweislich falscher Behauptungen oder „Halbwahrheiten“ bis hin zur Ansicht, dass über die etablierten Massenmedien, das Robert Koch-Institut, die „Schulmedizin“ etc. bewusst Unwahrheiten verbreitet würden („Lügenpresse“) und die Wahrheit nur auf bestimmten „unzensierten“ Kanälen außerhalb davon, etwa auf YouTube oder Telegram, zu finden sei.

Rezeption Bearbeiten

Eine Verwendung des Schimpfwortes lässt sich seit dem Beginn der Pandemie in Deutschland für z. B. März 2020 nachweisen.[5] Es wird auch, etwa auf Twitter, als Hashtag verwendet: #Covidioten.[8]

Es wurde im Bayerischen Rundfunk kritisiert, dass der Begriff „herablassend“ einen komplexen Sachverhalt „unsinnig“ zusammenfasse.[9] Auch Pia Lamberty ist der Ansicht, dass ein „Abstempeln“ von Verschwörungsgläubigen als Covidioten nicht weiterführe. Da „Verschwörungsglaube nicht binär gemessen“ werde, sondern es eine Skala zwischen „sehr verschwörungsgläubig oder überhaupt nicht verschwörungsgläubig“ gebe, müsse man sich mit den Ideologien der so Bezeichneten auseinandersetzen.[10] Christian Baron sieht die Verwendung des Begriffs als Ausdruck dafür, dass „Teile der Linken die Menschen [offenbar] ab[lehnen], die sie zu vertreten vorgeben.“ Bei dem Begriff schwinge die „Unterstellung mit, diese Menschen seien dumm. Und dumm zu sein, das ist im gesellschaftlichen Bewusstsein seit Jahrzehnten eng mit einem Leben in Armut verknüpft.“[11] Da „Idiot“ in der Gegenwart oft für bildungsschwache Menschen verwendet wird, in der Zeit des Nationalsozialismus für Menschen mit psychischen Erkrankungen verwendet wurde und somit ableistisch und klassistisch geprägt ist, lehnen Teile der linken Szene den Begriff ab. Es wird auch kritisiert, dass Begriffe wie „krank“ oder „verrückt“ absichtlich unsolidarische Verhaltensweisen der Demonstranten legitimierten und die Gefahr, die sie darstellten, verharmlosten.

Rechtliche Aspekte Bearbeiten

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken verwendete #Covidioten als Hashtag als Bezeichnung für die Teilnehmer einer Demonstration Anfang August 2020 in Berlin, bei der die Demonstranten gegen das Infektionsschutzgesetz (Gesetzestext) verstießen.[8] Darauf folgende Anzeigen wegen Beleidigung wurden von der Staatsanwaltschaft Berlin ohne Einleitung von Ermittlungen eingestellt. Die Staatsanwaltschaft vertrat die Auffassung, die „zugespitzte Bezeichnung“ Covidiot sei „als Meinungsäußerung in der politischen Auseinandersetzung in der Corona-Pandemie nicht strafbar und von der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckt.“[12][13] Sie wies allerdings darauf hin, dass Esken damit auf diejenigen Teilnehmer abgezielt habe, die „gegen geltende Hygiene- und Abstandsregeln auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes und der insoweit erlassenen Rechtsverordnungen verstoßen haben“.[14]

Weblinks Bearbeiten

Wiktionary: Covidiot – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen (englisch)

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Übersetzung im PONS-Wörterbuch:„jd., der sich (absichtlich) nicht an die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hält und/oder entsprechende wissenschaftliche Erkennisse [sic] leugnet“
  2. Covidiot im Urban Dictionary, 16. März 2020, abgerufen am 4. Dezember 2020
  3. hier Französisch: Les covidiots à l’ouvrage... „Depuis la mise en place des mesures de confinement pour protéger la population contre la COVID-19, certains individus se sont signalés par leur étalage d’égoïsme, leur manque de jugement, ou carrément, leur stupidité. Sur les réseaux sociaux, ils ont vite été surnommés les covidiots.“ Auf Deutsch etwa: „Seit der Einführung von Eindämmungsmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor COVID-19 haben sich einige Personen durch Selbstsucht, mangelndes Urteilsvermögen oder geradezu ihre Dummheit hervorgetan. In sozialen Netzwerken wurden sie schnell als Covidioten bezeichnet.“ Le Journal de Montréal, 11. April 2020, abgerufen am 6. Dezember 2020
  4. hier italienisch: „covidiota“ Vom „Coronabond“ und „Covidioten“: Romanistin untersucht italienische Sprache in Zeiten von CoronaIn der Umgangssprache habe sich der "covidiota" etabliert, ein "Idiot, der sich nicht an die Maßnahmen hält und somit das Risiko der Ausbreitung des Virus erhöht" Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am 15. April 2020, abgerufen am 7. Dezember 2020.
  5. a b Covidiot: Das bedeutet der Begriff bei Chip Online, 27. März 2020, abgerufen am 4. Dezember 2020
  6. Auswirkungen von Echokammern auf den Prozess der Meinungsbildung. (PDF; 545 kB), Media Perspektiven, 2/2019, S. 82 ff
  7. Hannah Lühmann: Das Geheimnis der Echokammer. In: FAZ. 6. Mai 2013, abgerufen am 4. Dezember 2020.
  8. a b „Covidioten“ und Sprachkritik: Am Rande der Gesellschaft taz online am 3. August 2020. abgerufen am 4. Dezember 2020.
  9. Sprache und Corona: #COVIDIOT AUS DEM AKTIVEN WORTSCHATZ STREICHEN Bayerischer Rundfunk, KulturBühne am 5. August 2020, abgerufen am 7. Dezember 2020
  10. Interview zu Verschwörungstheorien: Ein Abstempeln als „Covidioten“ führt am Problem vorbei. Aachener Zeitung, 23. August 2020, abgerufen am 14. Dezember 2020.
  11. Christian Baron: Von unten sieht alles ganz anders aus. In: Jacobin. 13. Juni 2021, abgerufen am 13. November 2021.
  12. Staatsanwaltschaft - Eskens "Covidiot"-Äußerung ist zulässig Thomson Reuters am 2. September 2020, abgerufen am 5. Dezember 2020.
  13. Tweet der Staatsanwaltschaft Berlin am 2. September 2020.
  14. Staatsanwaltschaft Berlin: „Covidiot“ ist von Meinungsfreiheit gedeckt