Johann Baptist "Hans" Hirmer (* 19. Januar 1897 in München; † 23. April 1980 ebd.) war ein deutscher Kaufmann und Unternehmer. Mit der Gründung der Hirmer GmbH und Co. KG legte er die Basis für die heutige HIRMER Gruppe.

Leben Bearbeiten

Ausbildung und Militärzeit Bearbeiten

Hans Hirmer wuchs als viertes von sieben Kindern des Münchner Brauereiarbeiters Carl Hirmer und seiner Frau Maria im Münchner Stadtteil Giesing auf. Nach einer kaufmännischen Lehre im Münchner Kaufhaus Oberpollinger wechselte er am 15. Oktober 1915 als Verkäufer in das im Vorjahr eröffnete Herrenmodehaus Bamberger & Hertz in der Kaufingerstraße 28 (Haus zum schönen Turm). 1916 wurde Hans Hirmer als Soldat zum Königlich Bayerischen 4. Chevaulegers-Regiment König eingezogen und nahm am Feldzug gegen Rumänien teil.[1]

Karriere bei Bamberger & Hertz Bearbeiten

Nach seiner Entlassung aus der bayerischen Armee Ende 1918 machte Hirmer bei Bamberger & Hertz Karriere: Er stieg im Münchner Haus zum Substituten auf und wurde 1928 Abteilungsleiter im neu eröffneten Bamberger & Hertz-Haus in Köln. Hier lernte er seine Frau Maria Vogl kennen, die dort als Verkäuferin arbeitete. 1933 kehrte er als Zentraleinkäufer für alle sechs Niederlassungen der Bamberger-Gruppe nach München zurück und erhielt Prokura für das Münchner Haus.[2] Angebote der Konkurrenz schlug er aus. Hans Hirmer blieb im Unternehmen Bamberger & Hertz, das wegen seiner jüdischen Inhaberfamilie ab 1933 zunehmenden Geschäftsrestriktionen und Angriffen durch die Nationalsozialisten ausgesetzt war.

Tarngeschäft und Treuhänder Bearbeiten

Angesichts der zunehmenden antijüdischen Repressionen sah sich die Familie Bamberger 1938 gezwungen, ihre Unternehmensgruppe zu zerschlagen und die einzelnen Standorte zu veräußern. In München gelang es, das Haus an Vertraute zu übergeben, obwohl die Gestapo mit Verdacht auf ein Tarngeschäft ermittelte: Hans Hirmer übernahm mit der eigens gegründeten Hirmer & Co. KG alle Werte des Münchener Bamberger & Hertz-Hauses von Inhaber Siegfried Bamberger. Die Endgültigkeit des erzwungenen Verkaufs hob allerdings ein mündliches, nicht schriftlich festgehaltenes Gentlemen ́s Agreement zwischen Siegfried Bamberger und Hans Hirmer auf, das hinter den offiziellen Verträgen geschlossen wurde. Demnach sagte Hirmer Bamberger zu, das Unternehmen als Sachwalter treuhänderisch zu führen und ihm nach Ende des NS-Regimes die Rückkehr in das Unternehmen zu ermöglichen.[3] Noch vor den Pogromen am 9. und 10. November 1938 eröffnete Hans Hirmer das Geschäft am 5. November 1938 unter dem Namen HIRMER. Er behielt Organisation, Geschäftsmodell und Werbestrategie bei und führte das Unternehmen durch den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit. Trotz der Ausbombung des Geschäftes am Kriegsende in der Nacht vom 4. auf den 5. Januar 1945 und Requirierung des Ausweichquartiers Neuhauser Straße 50 durch die US-Armee nach Kriegsende gelang es Hans Hirmer, den Betrieb am Laufen zu halten: Die Schneiderei änderte Militärtextilien in Zivilkleidung, Überschuhe aus Stroh erzielten bei der in den ungeheizten Häuserruinen Münchens lebenden Bevölkerung große Nachfrage.[4]

Gründung Hirmer & Co. Bearbeiten

Nach Kriegsende handelte Hans Hirmer wie vereinbart und nahm Kontakt zu dem in die USA entkommenen Siegfried Bamberger wegen der Rückgabe des Unternehmens auf. Für diesen stand außer Frage, dass Hirmer das Unternehmen in München weiterführen sollte und dabei auch dessen Leistung beim Erhalt des Herrenmodehauses von 1938 bis 1945 Berücksichtigung finden musste. Da Siegfried Bamberger nicht nach München zurückkehren wollte, kam es zu einem Ausgleich und der gemeinsamen Neugründung des Unternehmens Hirmer & Co. mit Hans Hirmer als persönlich haftenden Gesellschafter und Siegfried ÖBamberger als Mehrheitsgesellschafter. Die Gründung der bis heute bestehenden Hirmer & Co. Kommanditgesellschaft datiert auf den 20. Juni 1948.[5] Die Geschäftsführung des gemeinsamen Unternehmens übernahm weitgehend Hans Hirmer. Zum 31. Dezember 1950 kam es zu einer endgültigen Übereignung des Herrenmodehauses an Hans Hirmer. Motive für den Austritt von Siegfried Bamberger aus der Hirmer & Co. KG waren neben der Furcht vor der Ausweitung des Korea-Kriegs auf Europa und damit einen erneuten Verlust seines Eigentums in Deutschland vor allem die Sorge um die finanzielle Altersversorgung seiner Familie.[6] Hans Hirmer blieb seinem Mentor verbunden und versorgte die Familie Bamberger bis zu Siegfried Bambergers Tod mit einer jährlichen Pension. Es kam zu regelmäßigen Besuchen und zu einer dauerhaften freundschaftlichen Beziehung der beiden Familien, die bis heute anhält und von beiden Familien gepflegt wird.[7]

Wiederaufbau und Wirtschaftswunder Bearbeiten

Hans Hirmer ließ ab 1947 das von zahlreichen Bombentreffern schwer gezeichneten Geschäftshaus Kaufingerstraße 28 instand setzen. Am 1. Juli 1949 begann Hirmer wieder mit dem Verkauf am alten Unternehmensstandort - wenn auch nur im ersten Stock. Bis 1956 wurden auch die übrigen Stockwerke und das Dach saniert und als Verkaufs-, Lager- und Büroflächen eingerichtet.[8] Bei seinen Kunden wirbt Hans Hirmer mit dem vollständigen Wiederaufbau des Herren- und Knabenmodehauses und seinem breiten, auf fünf Stockwerke verteilten Sortiment. Die Bildmarke Der freundliche Herr, deren Verwendung die Nationalsozialisten Hirmer & Co. 1939 untersagten, wurde 1949 bis 1962 erneut für Werbezwecke verwendet. Hans Hirmer übernahm die Figur in der Tradition von Bamberger & Hertz nahezu selbstverständlich in das Marketing der Wirtschaftswunderzeit. Die starke Nachfrage durch Bedarfskäufe machte eine weitere Vergrößerung der Verkaufsflächen notwendig: 1960 konnte Hans Hirmer die Flächen des benachbarten Modehauses Stalf im gleichen Gebäude übernehmen und das Gebäude grundlegend umbauen.[9] Der Haupteingang wurde an die Kaufingerstraße verlegt, das Erdgeschoss erhielt eine Passage. Eine zentrale Rundtreppe wurde eingebaut und verbindet bis heute alle Stockwerke miteinander. Der Umbau etablierte HIRMER unter den führenden Herrenmodehäusern der Bundesrepublik Deutschland.[10]

Übergabe des Familienunternehmens Bearbeiten

Hans Hirmer bereitete ab Mitte der 1960er-Jahre die Übergabe des Familienunternehmens vor. Seine Großneffen Dr. Max-Peter und Walter Hirmer traten nach Abschluss ihrer betrieblichen und universitären Ausbildungszeit 1964 und 1967 erstmalig bzw. erneut in das Herrenmodehaus ein. Mit der Übernahme von Führungsaufgaben durch die nächste Familiengeneration zog sich der Senior-Chef aus dem Unternehmen zurück, blieb aber bis zu seinem Tod 1980 im Herrenspezialgeschäft in der Kaufingerstraße präsent.[11] .

Leistung und Auszeichnungen Bearbeiten

Gentleman´s Agreement Bearbeiten

Hans Hirmer orientierte sich bei der Zwangsarisierung des Münchner Hauses des Herrenmodehauses Bamberger & Hertz an den im NS-Staat nahezu außer Kraft gesetzten Verhaltensregeln des ehrbaren Kaufmanns: Sein Verhalten gegenüber dem zwangsenteigneten jüdischen Eigentümer ist einer von nur drei bekannten Fällen in München, bei denen die Käufer mündlich mit den Verkäufern vereinbarten, die Geschäftsübergabe nach Ende des NS-Regimes nachzubessern oder rückabzuwickeln, und sich nach 1945 auch an die nicht schriftlich fixierte Abmachung hielten.[12] Münchens Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel beschrieb Hans Hirmers Rolle in einem Interview 2010 mit den Worten: Hans Hirmers Haltung im Bereich Bamberger & Hertz hat großen Respekt verdient. Da hätten sich viele an ihm ein Beispiel nehmen können.

Soziales Engagement - Medaille München leuchtet Bearbeiten

Hans-Jochen Vogel gelang es, Hans Hirmer zu einer Spende für einen sozialen Zweck zu bewegen. 1971 dotierte er drei Millionen D-Mark für den Ausbau des damaligen Altenheims Schwabing. Damit verband Hans Hirmer auch seine Fürsorge seinen Mitarbeitern gegenüber: HIRMER-Beschäftigte haben bis heute die Möglichkeit, Ihren Lebensabend im heutigen Haus an der Rümannstraße zu verbringen.[13] Die Stadt München ehrte Hans Hirmer 1976 für sein Engagement und die Verbundenheit mit der Stadt und Ihre Bürger mit der Medaille München leuchtet.

Bayerischer Verdienstorden Bearbeiten

Hans Hirmer baute nach 1948 eines der führenden Herrenmodehäuser der Bundesrepublik Deutschland auf. Dabei erkannte er in der Sortimentsgestaltung Modetrends wie Sport- und Freizeitmode sowie Übergrößen. Der Freistaat Bayern zeichnet den Unternehmer Hans Hirmer am 30. Mai 1973 mit dem bayerischen Verdienstorden aus.[14]

Literatur Bearbeiten

Hans-Diether Dörfler: Von Bamberger & Hertz zu HIRMER. Ein respektables Stück Wirtschaftsgeschichte. Textfassung vom 1. Juni 2015. (http://www.hirmer-gruppe.de/download/presse/pressemappe/hirmer_gruppe_geschichte_kurzfassung_02062015.pdf). Website der HIRMER Gruppe München. Aufgerufen am 12. April 2016.

Wolfram Selig: Bamberger & Hertz. In: Wolfram Selig: „Arisierung“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937 – 1939. Metropol Verlag, Berlin 2004, ISBN: 3-936411-33-6, S. 190-194.

Andrea Lorz: "Der Freundliche Herr" lädt ein zum Kauf. Bamberger & Hertz, Herren- und Knabenkonfektion, Königsbau, Goethestraße 1. In: Andrea Lorz: Suchet der Stadt Bestes. Lebensbilder jüdischer Unternehmer aus Leipzig. Pro Leipzig Verlag, Leipzig 1996, ISBN: ISBN-10: 3-000005-97-8, S. 42-67.

Baron von Elking: Centren der Herrenmode: HIRMER. In: Herrenjournal XXX.

Weblinks Bearbeiten

Jüdische Museum Berlin: Bamberger & Hertz München (http://www.jmberlin.de/1933/2013/04/01/boykottaktion-am-geschaftshaus-bamberger-hertz/)

Bayerischer Rundfunk: Hörspiel „Bamberger, Hertz und Hirmer“, 20.06.2012 (http://www.br.de/unternehmen/inhalt/bildungsprojekte/arisierung-audioguide-audio-bamberger100.html)

Hirmer Gruppe München: Geschichte (http://www.hirmer-gruppe.de/ueber-uns/geschichte)

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Hans-Diether Dörfler: Von Bamberger & Hertz zu HIRMER. Ein respektables Stück Wirtschaftsgeschichte. Textfassung vom 1. Juni 2015, S. 2.
  2. Hans-Diether Dörfler: Von Bamberger & Hertz zu HIRMER. Ein respektables Stück Wirtschaftsgeschichte. Textfassung vom 1. Juni 2015, S. 2-3.
  3. Wolfram Selig: Bamberger & Hertz. In: Wolfram Selig: „Arisierung“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937 – 1939. Metropol Verlag, Berlin 2004, S. 191-192.
  4. Hans-Diether Dörfler: Von Bamberger & Hertz zu HIRMER. Ein respektables Stück Wirtschaftsgeschichte. Textfassung vom 1. Juni 2015, S. 3-4.
  5. Hans-Diether Dörfler: Von Bamberger & Hertz zu HIRMER. Ein respektables Stück Wirtschaftsgeschichte. Textfassung vom 1. Juni 2015, S. 4-5.
  6. Hans-Diether Dörfler: Von Bamberger & Hertz zu HIRMER. Ein respektables Stück Wirtschaftsgeschichte. Textfassung vom 1. Juni 2015, S. 4-5.
  7. Wolfram Selig: Bamberger & Hertz. In: Wolfram Selig: „Arisierung“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937 – 1939. Metropol Verlag, Berlin 2004, S. 194
  8. Hans-Diether Dörfler: Von Bamberger & Hertz zu HIRMER. Ein respektables Stück Wirtschaftsgeschichte. Textfassung vom 1. Juni 2015, S. 3-4.
  9. http://www.hirmer-gruppe.de/ueber-uns/geschichte
  10. Hermann von Eelking: Centren der Herrenmode: Hirmer, München. In: Herrenjournal vom 12. Dezember 1967, S. 18-19.
  11. http://www.hirmer-gruppe.de/ueber-uns/geschichte
  12. Wolfram Selig: Bamberger & Hertz. In: Wolfram Selig: „Arisierung“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937 – 1939. Metropol Verlag, Berlin 2004, S. 89-90.
  13. http://www.hirmer-gruppe.de/ueber-uns/verantwortung
  14. http://www.bayerischer-verdienstorden.de