Volkartshain

Ortsteil von Grebenhain

Volkartshain ist ein Ortsteil der Gemeinde Grebenhain im mittelhessischen Vogelsbergkreis.

Volkartshain
Gemeinde Grebenhain
Koordinaten: 50° 27′ N, 9° 17′ OKoordinaten: 50° 26′ 49″ N, 9° 16′ 47″ O
Höhe: 489 m
Fläche: 3,98 km²[1]
Einwohner: 132 (30. Jun. 2020)[2]
Bevölkerungsdichte: 33 Einwohner/km²
Eingemeindung: 31. Dezember 1971
Postleitzahl: 36355
Vorwahl: 06668

Geografie Bearbeiten

 
Hundsbachbrücke im Auenverbund Kinzig nördlich von Volkartshain

Volkartshain ist der südlichste Ortsteil der Großgemeinde Grebenhain und liegt am Rand des Hohen Vogelsberges, rund 4 km südlich der Herchenhainer Höhe.

Geschichte Bearbeiten

Mittelalter Bearbeiten

Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung des Ortes stammt aus dem Jahr 1385, als „Folkartshen“.[1] Das Dorf gehörte im Mittelalter und in der frühen Neuzeit zum Amt Ortenberg, einem Kondominat, das von drei Landesherren aus dem Kreis der Mitglieder des Wetterauer Grafenvereins gebildet wurde.

Frühe Neuzeit Bearbeiten

Da alle drei Herren des Kondominats sich der Reformation zuwandten, wurde auch Volkartshain lutherisch.

Volkartshain gehört zu den Gebieten, in denen das Solmser Landrecht von 1571 gewohnheitsrechtlich, aber nur teilweise, rezipiert wurde. Das galt insbesondere für die Bereiche Vormundschaftsrecht, Erbleihe und eheliches Güterrecht. Im übrigen galt das Gemeine Recht.[3] Erst das Bürgerliche Gesetzbuch, das einheitlich im ganzen Deutschen Reich galt, setzte zum 1. Januar 1900 das alte Partikularrecht außer Kraft.

1601 kam es zu einer Realteilung des Kondominats, wobei Volkartshain der Herrschaft Gedern der Grafen von Stolberg-Gedern zugeschlagen wurde.[4]

Neuere Geschichte Bearbeiten

1806 fiel die Grafschaft Stolberg – und damit auch Volkartshain – an das Großherzogtum Hessen. Hier gehörte Volkartshain zum standesherrlichen Amt Gedern. 1821 bildete das Großherzogtum den Landratsbezirk Nidda, dem auch Volkartshain zugeordnet wurde, und der ab 1832 Kreis Nidda hieß. Mit der Revolution von 1848 wurde kurzzeitig der Regierungsbezirk Nidda gebildet, 1852 aber der Kreis Nidda wiederbelebt. 1874 kam das Dorf zum Kreis Schotten, 1938 zum Kreis Lauterbach, 1972 zum Vogelsbergkreis. Mit der Gebietsreform in Hessen wurde Volkartshain am 31. Dezember 1971 ein Ortsteil der neugebildeten Großgemeinde Grebenhain.[5]

Während des Zweiten Weltkrieges warfen britische Kampfflugzeuge in der Nacht vom 3. auf den 4. August 1941 mehrere Sprengbomben über Volkartshain ab, wobei ein Bauernhaus zerstört und zwei Menschen getötet wurden.

Am 7. Dezember 1966 entging der Ort nur knapp einer Katastrophe, als ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug vom Typ Grumman OV-1 brennend in den nahegelegenen Wald stürzte.[6] Zuvor war es dem Piloten gelungen, die Maschine über Volkartshain noch einmal hochzuziehen, bevor er sie – wie zuvor sein Copilot – durch Betätigung des Schleudersitzes verließ. Die beiden Besatzungsmitglieder William Ebert und Kenneth Bakos wurden am 21. Dezember 1966 zu Ehrenbürgern der Gemeinde Volkartshain ernannt.[7]

In die überregionalen Schlagzeilen geriet Volkartshain durch einen bis heute ungeklärten Dreifachmord im Februar 1985.[8]

Gebietsreform Bearbeiten

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen fusionierte die Gemeinde Volkartshain mit zehn benachbarten Gemeinden freiwillig zum 31. Dezember 1971 zur neugebildeten Großgemeinde Grebenhain[9].[10] Seit dem 1. August 1972 gehört der Ort außerdem zum damals neugebildeten Vogelsbergkreis. Für die eingegliederten Gemeinden von Grebenhain wurden je ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[11]

Einwohnerentwicklung Bearbeiten

 Quelle: Historisches Ortslexikon[1]

  • 1961: 174 evangelische (= 90,16 %), 19 katholische (= 9,84 %) Einwohner
Volkartshain: Einwohnerzahlen von 1834 bis 2020
Jahr  Einwohner
1834
  
265
1840
  
261
1846
  
266
1852
  
251
1858
  
240
1864
  
216
1871
  
199
1875
  
187
1885
  
187
1895
  
194
1905
  
200
1910
  
182
1925
  
197
1939
  
179
1946
  
230
1950
  
226
1956
  
180
1961
  
193
1967
  
193
1970
  
189
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
147
2015
  
143
2020
  
132
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [1]; Gemeinde Grebenhain: webarchiv; Zensus 2011[12]

Religion Bearbeiten

Ursprünglich gehörte Volkartshain zu der seit 1537 lutherischen Pfarrei Gedern. Ende des 16. Jahrhunderts wurde deren Filialgemeinde Ober-Seemen zu einem eigenständigen Kirchspiel erhoben, zu dem als Filialorte neben Ober-Seemen auch Mittel-Seemen, Nieder-Seemen und Volkartshain gehörten. Seit 1724 besteht das Kirchspiel nur noch aus Ober-Seemen und Volkartshain, nachdem Mittel-Seemen als eigene Pfarrei abgetrennt wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die ehemalige stolbergische Zehntscheune zu einer Kirche umgebaut.

Politik Bearbeiten

Ortsvorsteher von Volkartshain ist Florian Zimmermann (Stand 2021).[2]

Vereine Bearbeiten

In Volkartshain bestehen heute folgende Vereine und Vereinigungen (Gründungsjahr in Klammern):

Kulturdenkmäler Bearbeiten

Siehe: Liste der Kulturdenkmäler in Volkartshain

Wirtschaft und Infrastruktur Bearbeiten

Das ursprünglich landwirtschaftlich geprägte Dorf Volkartshain entwickelte sich seit den 1950er Jahren, bedingt durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft, nahezu vollständig zu einem Arbeitspendler-Wohnort. Vor Ort gibt es noch ein Taxiunternehmen, eine Kräuterschule, sowie ein Kleinunternehmen im Bereich IT-Dienstleistungen.

Windpark Bearbeiten

 
Windkraftanlagen im Windenergiepark Vogelsberg bei Grebenhain, im Hintergrund drei ältere Anlagen im benachbarten Windpark Volkartshain (2013)

Im nördlichen Teil der Gemarkung befindet sich ein Windpark mit insgesamt sechs Windkraftanlagen, von denen jeweils drei nordöstlich des Ortes und im Bereich der Landesstraße errichtet wurden. Der älteste Teil des Windparks besteht aus den drei Anlagen des Typs AN Bonus 600/41 mit einer Nennleistung von je 600 kW nordöstlich von Volkartshain, die im November 1995 in Betrieb genommen wurden und damit heute auch die ältesten Windkraftanlagen im Gebiet der Großgemeinde Grebenhain (nach dem Repowering des benachbarten Windparks Hartmannshain) sind. Im Sommer 1998 errichtet wurden nahe der Landesstraße die Anlagen des Typs Vestas V44-600kW (zwei Exemplare) und Enercon E-40/5.40 mit einer Leistung von je 600 bzw. 500 kW. Betreiber des Windparks ist eine ortsansässige Firma.

Verkehr Bearbeiten

Durch das Dorf verläuft die Landesstraße 3010. Sie verbindet Volkartshain mit der rund 1 km nördlich des Ortes vorbeiführenden Bundesstraße 276 und mit Ober-Seemen.

Literatur Bearbeiten

  • Arthur Benno Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Giessen 1893.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d Volkartshain, Vogelsbergkreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. a b Einwohner HWS. In: Webauftritt. Gemeinde Grebenhain, abgerufen im November 2020.
  3. Schmidt, S. 108, Anm. 36 und S. 25, Anm. 81, sowie beiliegende Karte.
  4. Schmidt, S. 25, Anm. 81.
  5. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. 5. 1970 bis 31. 12. 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart und Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 368.
  6. Erlensee-Aktuell: Mohawk-Absturz in Volkartshain
  7. a b Simon Rösel: Ein Platz in ihren Herzen. In: FAZ.net. 14. Juni 2022, abgerufen am 14. Juni 2022.
  8. Gerhard Mauz: „Dann lassen wir einen Bagger kommen …“ In: Der Spiegel. Nr. 1, 1988, S. 75–77 (online4. Januar 1988).
  9. Gemeindegebietsreform Hessen; Zusammenschlüsse und Eingliederung von Gemeinden vom 29. Dezember 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr. 3, S. 89, Punkt 94, Abs. 30 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,0 MB]).
  10. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 368.
  11. Hauptsatzung. (PDF; 2 MB) § 5. In: Webauftritt. Gemeinde Grebenhain, abgerufen im November 2020.
  12. Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,9 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/statistik.hessen.de