Vivantes

kommunaler Krankenhausbetreiber in Berlin
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Koordinaten: 52° 33′ 50,8″ N, 13° 21′ 12,2″ O

Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH

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Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 2001
Sitz Berlin, Deutschland
Leitung
  • Johannes Danckert (Vorsitzender der Geschäftsführung)
  • Dorothea Schmidt (Geschäftsführerin Personalmanagement)
Mitarbeiterzahl 19.208[1]
Umsatz 1,50 Milliarden Euro[2]
Branche Gesundheitswesen
Website www.vivantes.de
Stand: 31. Dezember 2023

Die Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH (kurz Vivantes) ist ein kommunaler Krankenhausbetreiber in Berlin.[2] Alleiniger Anteilseigner ist das Land Berlin.[3] Das Unternehmen wurde zum 1. Januar 2001 gegründet und ist nach eigenen Angaben Deutschlands größter kommunaler Krankenhauskonzern.[4]

Geschichte

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Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden in Berlin verschiedene Krankenhäuser, welche später in Vivantes eingegliedert wurden. Dazu zählten beispielsweise das das erste Städtische Krankenhaus in Spandau, welches 1854 in der Havelstraße gebaut wurde,[5] das 1874 gegründete Städtische Krankenhaus Am Friedrichshain,[6] das 1890 eröffnete Krankenhaus Am Urban[7] sowie das 1899 eröffnete Städtische Krankenhaus zwischen Lynarstraße und Neue Bergstraße.[8] 1880 wurde die Irrenanstalt Dalldorf (ab 1967: Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, die 1997 mit dem Krankenhaus Reinickendorf fusionierte)[9] als erste Berliner Heil- und Pflegeanstalt gegründet.[10][11]

Im Jahr 1909 wurde das Rixdorfer Krankenhaus eröffnet, welches nach drei Jahren in das Städtische Krankenhaus Neukölln umbenannt wurde.[12] Im Jahr 1910 erfolgte die Eröffnung der Krankenhäuser der Gemeinden Reinickendorf, Tegel, Wittenau sowie Rosenthal in der Teichstraße.[10]

Während des Nationalsozialismus wurden jüdische Krankenhausmitarbeiter aus dem Dienst gedrängt und deportiert oder zur Emigration gezwungen. Zudem wurden die Gebäude der städtischen Krankenhäuser teilweise besetzt sowie umbenannt. Zudem erfolgte die Vertreibung des jüdischen Personals. Des Weiteren führten die Bombenangriffe während des Zweiten Weltkriegs zu Beschädigungen vieler städtischer Krankenhäuser, die nach dem Krieg wiederaufgebaut wurden.[10]

Nach der Teilung Berlins im Jahr 1949 entstand 1951 im westlichen Teil der Stadt das Wenckebach-Krankenhaus, welches 1945 von einem Militärkrankenhaus zu einem städtischen Krankenhaus umgewandelt worden war.[13] 1953 begann der Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR mit Arbeitsniederlegungen auf zwei Berliner Großbaustellen, darunter auch am Krankenhausneubau des Städtischen Krankenhaus Am Friedrichshain.[14]

1967 führte Emil Bücherl die erste Lungentransplantation Europas in der Lungenchirurgie Neuköllns durch.[15] In den Siebzigerjahren erfolgten weitere Klinikzusammenschlüsse in West-Berlin, die zur Entstehung des Humboldt-Krankenhauses (Fusion aus dem Städtischen Krankenhaus Tegel Süd und dem Klinikum Wiesengrund), des Krankenhauses Spandau (Fusion aus dem Städtischen Krankenhaus Spandau Nord und dem Städtischen Krankenhaus Spandau Süd) sowie des Krankenhauses Neukölln (Fusion aus dem Krankenhaus Britz und der Frauenklinik am Mariendorfer Weg) führten.[9] Seit 1975 wird das Krankenhaus Neukölln als Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité genutzt.[12] Des Weiteren wurden in den Siebzigerjahren das Krankenhaus Am Urban sowie das Auguste-Viktoria-Klinikum zu akademischen Lehrkrankenhäusern der Charité ernannt.[10] In den folgenden Jahren wurden alle Vivantes Klinika Lehrkrankenhäuser der Charité.[16]

1985 erfolgte die Eröffnung des neuen Humboldt-Krankenhauses in Reinickendorf.[17] Ein Jahr später wurde das neue Hauptgebäude des Klinikums Neukölln fertiggestellt.[12]

Die Zusammenlegung des Krankenhauses Kaulsdorf und des Wilhelm-Griesinger-Krankenhauses in Biesdorf erfolgte im Jahr 1997, wodurch das Krankenhaus Hellersdorf entstand.[18] Zudem wurde im selben Jahr die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in das Humboldt-Krankenhaus integriert.[19]

Zum 1. Januar 2001 wurde die Net-Ge Kliniken für Berlin GmbH als Zusammenschluss der zu diesem Zeitpunkt verbliebenen städtischen Krankenhäusern Berlins gegründet.[20] Die Net-Ge umfasste zum Gründungszeitpunkt die Krankenhäuser Friedrichshain, Hellersdorf, Prenzlauer Berg, Spandau, Reinickendorf, Neukölln, Urban in Kreuzberg, Auguste-Viktoria in Schöneberg und Wenckebach in Tempelhof.[21] Ein halbes Jahr später erfolgte die Umbenennung der Net-Ge in die Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH.[22]

Unternehmensstruktur

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Nach eigenen Angaben wird rund ein Drittel der Berliner Krankenhauspatienten von Vivantes versorgt. Vivantes betreibt acht Klinika und ein Fachkrankenhaus für Geriatrie, die insgesamt über 6061 Betten verfügen (Stand 2023).[23]

Der Vivantes-Konzern umfasst die Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH mit folgenden verbundenen Unternehmen:[2] Die Vivantes Rehabilitation GmbH betreibt ein ambulantes Rehabilitations- und Therapiezentrum auf dem Gelände des Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum für kardiologische, neurologische, onkologische und orthopädische Erkrankungen. Die Vivantes – Forum für Senioren GmbH betreibt 18 Pflegeeinrichtungen der Normalpflege und drei Kurzzeitpflegeeinrichtungen für Senioren sowie zwei Seniorenwohnhäuser.[24] Über die Vivantes – MVZ GmbH werden 13 medizinische Versorgungszentren mit 60 Facharztpraxen betrieben;[25] unter der Vivantes Hospiz gGmbH agiert das Hospiz der Vivantes. Das Ida-Wolff-Krankenhaus mit Schwerpunkt Geriatrie wird von der Vivantes Ida-Wolff-Krankenhaus GmbH geführt. Die SVL Speiseversorgung und -logistik GmbH ist für die Cafeterien und die Gastronomie der Vivantes-Einrichtungen zuständig, während die VivaClean Nord GmbH und die VivaClean Süd GmbH Reinigungsdienste übernehmen. Weitere Dienstleistungen werden von der Vivantes Service GmbH erbracht.[26] Die BBG Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe gGmbH (Beteiligung zu 51 Prozent, 49 Prozent werden von der Charité – Universitätsmedizin Berlin gehalten) fasst das Ausbildungsangebot des Konzerns zusammen.[27]

Zudem ist Vivantes zu jeweils 50 Prozent an den Unternehmen Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH, Labor Berlin – Charité Vivantes Services GmbH und MVZ Charité Vivantes GmbH beteiligt.[2]

Vivantes erwirtschafte im Geschäftsjahr 2023 Umsatzerlöse in Höhe von 1,50 Milliarden Euro (2022: 1,53 Milliarden Euro). In den Vivantes-Kliniken und dem Ida-Wolff-Krankenhaus wurden im Jahr 2023 199.948 stationäre und teilstationäre Fälle (2022: 188.602 stationäre sowie teilstationäre Fälle) behandelt. Die Zahl der Pflegeplätze belief sich im Geschäftsjahr 2023 auf 2.362. Im selben Geschäftsjahr standen 16 Pflegeplätze im Hospiz zur Verfügung.[2]

Zum Jahresende 2023 waren 19.208 Mitarbeitende für den Vivantes-Konzern tätig.[1]

Vorsitzende der Geschäftsführung

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  • Johannes Danckert (seit Juli 2020)
  • Andrea Grebe (Oktober 2013 bis Juli 2020)
  • Joachim Bovelet (Februar 2007 bis April 2013)
  • Holger Strehlau-Schwoll (Januar 2006 bis Februar 2007)
  • Wolfgang Schäfer (November 2000 bis Dezember 2005)

Fachrichtungen und Zentren

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Die Gesundheitseinrichtungen von Vivantes bieten in Berlin medizinische Versorgung, Rehabilitation und Pflege an.[2][28] 2022 behandelte Vivantes in den Rettungsstellen der Kliniken 304.000 Notfälle.[29] Nach eigener Aussage werden in den Kliniken und weiteren Einrichtungen des Unternehmens insgesamt rund eine halbe Millionen Behandlungen jährlich durchgeführt.[4]

Die Fachbereiche des Konzerns in den verschiedenen Einrichtungen sind Anästhesie, Adipositas und metabolische Chirurgie, Augenheilkunde, Intensivmedizin, Schmerztherapie, Chirurgie (Allgemein- und Viszeralchirurgie; Endokrine Chirurgie; Plastische, Ästhestische und Rekonstruktive Chirurgie; Unfallchirurgie; Gelenke und spezielle Orthopädische Chirurgie; Neurochirurgie; Wirbelsäulenchirurgie), Dermatologie und Phlebologie, Ernährungsmedizin, Suchtmedizin, Geburtsmedizin und Gynäkologie, Gefäßmedizin, Geriatrie und Gerontopsychiatrie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Pathologie, Innere Medizin (Gastroenterologie, Infektiologie, Pneumologie, Kardiologie, Diabetologie, Nephrologie), Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Kinder- und Neugeborenenchirurgie, Onkologie, Hämatologie, Palliativmedizin, Orthopädie, Neurologie mit Stroke Unit, Nuklearmedizin, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Radiologie und interventionelle Therapie und Urologie.[30] Außerdem betreibt Vivantes sieben Rettungsstellen für Erwachsene und zwei für Kinderrettungsstellen.[31][32]

Vivantes unterhält psychiatrische Tageskliniken, psychiatrische Institutsambulanzen und psychiatrisch-psychotherapeutische Fachabteilungen im Humboldt-Klinikum, im Klinikum Spandau, im Auguste-Viktoria-Klinikum, im Klinikum Kaulsdorf, im Klinikum Neukölln, im Wenckebach-Klinikum, im Klinikum Am Urban und im Klinikum im Friedrichshain.[33][34][35]

Im Bereich Schwangerschaft und Geburt informieren außerdem die Babylotsen des Unternehmens über Beratungsangebote zu verschiedenen Aspekten der Elternschaft und Geburt.[36][37]

Einrichtungen

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Zu den Einrichtungen des Unternehmens gehören Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen sowie weitere Einrichtungen, die sich über verschiedene Stadtteile Berlins erstrecken.

Kliniken

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Zum Konzern gehören acht Klinika und ein geriatrisches Fachkrankenhaus:[26]

  • Auguste-Viktoria-Klinikum
  • Humboldt-Klinikum
  • Ida-Wolff-Krankenhaus, Fachkrankenhaus für Geriatrie
  • Klinikum Am Urban
  • Klinikum Kaulsdorf
  • Klinikum im Friedrichshain
  • Klinikum Neukölln
  • Klinikum Spandau
  • Wenckebach-Klinikum

Pflegeeinrichtungen

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Des Weiteren sind folgende Pflegeeinrichtungen im Geschäftsbereich Vivantes – Forum für Senioren GmbH tätig:[38]

  • Haus Dr.-Hermann-Kantorowicz (Spandau)
  • Haus Ernst Hoppe (Spandau)
  • Haus Franckepark (Tempelhof)
  • Haus Jahreszeiten (Friedrichshain-Kreuzberg)
  • Haus John F. Kennedy (Reinickendorf)
  • Haus Jungfernheide (Charlottenburg-Wilmersdorf)
  • Haus Kaulsdorf (Marzahn-Hellersdorf)
  • Haus Leonore (Steglitz-Zehlendorf)
  • Haus Rhinstraße (Lichtenberg)
  • Haus Seebrücke (Spandau)
  • Haus Sommerstraße (Reinickendorf)
  • Haus St. Richard (Neukölln)
  • Haus Teichstraße (Reinickendorf)
  • Haus Weidenweg (Friedrichshain-Kreuzberg)
  • Haus Wilmersdorf (Charlottenburg-Wilmersdorf)
  • Ida-Wolff-Pflegeheim (Neukölln)

Standorte der Kurzzeitpflege:

  • Wenckebach
  • Ida Wolff
  • Rhinstraße
  • Sommerstraße

Standorte der Gerontopsychiatrie:

  • John-F-Kennedy

Ausbildung

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Vivantes unterhielt bis 2020 das konzerneigene Institut für berufliche Bildung im Gesundheitswesen (IbBG), das zum 1. Januar 2020 mit der Gesundheitsakademie der Berliner Charité zur Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe gGmbH (BGB) zusammengelegt wurde.[2][39] Das Institut umfasst rund 3000 Ausbildungsplätze (zum Beispiel zur Pflegefachkraft) an 13 Schulen und bietet in Kooperation mit der Charité den Studiengang Angewandte Hebammenwissenschaften an. Zudem werden Weiterbildungen zum Logopäden oder Physiotherapeuten angeboten.[39]

Kontroversen

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Ehemalige Geschäftsführer

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Unter Vivantes-Gründungsgeschäftsführer Wolfgang Schäfer, der bei seinem Abgang ebenfalls in der Kritik stand, entging der Konzern 2004 knapp der Insolvenz, wobei das Land Berlin die Schulden in Höhe von 230 Millionen Euro übernahm. In der Folge fanden unter anderem Beratungen mit dem Betriebsrat statt, da die Geschäftsführung aus wirtschaftlichen Gründen vorgeschlagen hatte, dass die Vivantes-Belegschaft auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten sollte.[40][41]

Schäfers Nachfolger Joachim Bovelet kündigte im Februar 2013 überraschend seinen Rücktritt zum Monatsende Juni an, wurde dann jedoch am 15. April 2013 freigestellt. Sein Vertrag, der 2010 verlängert worden war, hätte ursprünglich offiziell im Jahr 2017 geendet. Weder der Personalausschuss noch der Aufsichtsrat stimmten der gewünschten Abfindungszahlung für Bovelet, der ein Jahresgehalt von 450.000 Euro bezogen hatte, zu.[42][43][44] Bovelet war während seiner Amtszeit umstritten, da ihm unter anderem das Ausscheiden von 81 Führungskräften angelastet wurde. In dessen Folge leistete Vivantes im Jahr 2012 Abfindungszahlungen in Höhe von 3,2 Millionen Euro.[42] Die Zahlungen umfassten auch einen Betrag in Höhe 590.000 Euro für die Chefärztin Karin Büttner-Janz, den das Berliner Arbeitsgericht ihr zugesprochen hatte.[45][46]

Gerichtsverfahren

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Dieter Wopen, der von Ende 2007 bis Ende 2012 Geschäftsführer der Vivantes-Tochtergesellschaft Forum für Senioren gewesen war, wurde im Rahmen einer Anklage vorgeworfen, nach Errichtung eines Pflegeheims durch die Vermögensverwaltungsgesellschaft Senectus GmbH, nicht auf Vertragserfüllung in Form des vereinbarten Komplettpakets bestanden zu haben. Damit war Forum für Senioren gezwungen, zusätzliche Gelder für die Einrichtung des Pflegeheims aufzubringen. Auch dabei habe sich Wopen pflichtvergessen verhalten, indem er die Anschaffung von Möbeln nicht offiziell ausgeschrieben, sondern freihändig vergeben habe. Durch Wopens Vorgehen sei der Vivantes-Tochter ein Schaden von mehreren Hunderttausend Euro entstanden.[47] Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung war er bereits in den Vorstand der Marseille-Kliniken gewechselt (seit Ende 2015 MK-Kliniken).[48][49] Der frühere Geschäftsführer von Vivantes, Joachim Bovelet, habe Wopens Verhalten gedeckt und sich so mitschuldig gemacht. Die Berliner Staatsanwaltschaft reichte im Februar 2014 eine Klage aufgrund von Untreue gegen Bovelet ein.[47] Dies geschah nach Bovelets Ausscheiden aus dem Konzern im Februar 2013. Das Verfahren wurde im Mai 2018 wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt.[50]

Im März 2014 entließ Vivantes den damaligen Finanzgeschäftsführer Bernd K., weil er verdächtigt wurde, Bestechungsgelder von Auftragnehmern bei Vergabeverfahren angenommen zu haben.[51] Zur Anklage kam es im Fall eines Reinigungsunternehmens mit Kontakten zur Berliner Clan-Kriminalität, das sich um einen Auftrag zur Schneebeseitigung bemüht hatte, sowie im Fall einer Telekommunikationsgesellschaft, die hoffte, den Auftrag zur Modernisierung der entsprechenden Vivantes-Anlagen zu erhalten.[52][53] Im Fall des Reinigungsunternehmens entging Bernd K. einer Verurteilung aufgrund nicht ausreichender Indizien.[54] Ein Urteilsspruch im Prozess um die Erteilung des Auftrages zur Modernisierung des Vivantes-Telekommunikationsnetzes steht noch aus (Stand Dezember 2020). Im Nachhinein wurde zudem bekannt, dass die international tätige Personalberatungsgesellschaft Kienbaum den Vivantes-Aufsichtsrat im Jahr 2011 vor einer Anstellung K.'s gewarnt hatte.[55]

Der Fall Heinisch

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Die Altenpflegerin Brigitte Heinisch war zwischen 2002 und Anfang 2005 in einer Berliner Pflegeeinrichtung des Konzerns beschäftigt. In dieser Zeit beklagte sie die Arbeitsüberlastung des Pflegepersonals, vor allem wies sie auf erhebliche Mängel in der Pflegequalität und Pflegedokumentation hin. Dies geschah anfangs konzernintern, dann öffentlich, indem sie im Dezember 2004 gegen Vivantes Strafanzeige wegen Betruges erhob. Daraufhin wurde ihr im Februar 2005 fristlos gekündigt.[56]

In der Folge kam es vor Berliner Gerichten zu mehreren Prozessen und schließlich zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) durch Brigitte Heinisch, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit durch die Urteile deutscher Gerichte verletzt sah. Zuvor hatten sowohl das Berliner Landesarbeitsgerichts als auch das Bundesverfassungsgericht ihre Kündigung für rechtmäßig erklärt.[57] In der Causa Heinisch v. Germany erhielt sie schließlich 15.000 Euro Schadenersatz zugesprochen, zahlbar durch die Bundesrepublik Deutschland (Urteil Nr. 28274/08 vom 21. Juli 2011 des EGMR).[58]

Abschließend beigelegt wurde der Fall in einem gerichtlichen Vergleich, bei dem Vivantes der ehemaligen Mitarbeiterin 90.000 Euro zahlte und die fristlose Kündigung in eine ordentliche wandelte.[59]

Für ihr Engagement wurde Heinisch 2007 der Whistleblower-Preis der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und der Deutschen Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) verliehen.[60]

Arbeitsbedingungen und Streiks

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2021 schlossen sich Angestellte der Vivantes, deren Tochterunternehmen und der Charitè zur Berliner Krankenhausbewegung zusammen. Die Forderungen der Bewegung bezogen sich auf Überlastung im Krankenhausbetrieb und Bezahlung unterhalb des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD).[61] Beschäftigte von Vivantes-Tochterunternehmen in den Bereichen Reinigung, Transport und Gastronomie, deren Bezahlung auf den niedrigeren NGG- und IG-Bau-Tarifen basierte,[62] forderten eine Angleichung der Löhne an den TVöD, während das Pflegepersonal des Krankenhausträgers eine Verringerung der Arbeitsbelastung durch einen Entlastungstarifvertrag erwirken wollte.[63][64][65]

Vivantes-Sprecher erklärten, dass es zum einen schwierig sei, ausreichend Fachpersonal zu finden – die Forderung nach abgesenkten Personalschlüsseln könne demnach nur durch die Streichung von Betten umgesetzt werden; zum anderen würde eine Angleichung an den TVöD zusätzliche Kosten von 35 bis 40 Millionen Euro erzeugen, die aufgrund der fixen Fallpauschalen nicht ausgeglichen werden könnten und das Vorjahresdefizit von 20 Millionen Euro noch verstärken würden.[66] Im Rahmen dessen wurde die fehlende Bereitschaft des Landes Berlin, zusätzliche Kosten auszugleichen, thematisiert.[67]

Im Mai 2021 drohten Pflegekräfte mit Streiks, wenn keine Fortschritte in den Verhandlungen erzielt werden könnten. Die Warnung richtete sich sowohl an die Krankenhausträger Vivantes und Charité, als auch an das Land Berlin.[68] Kurz vor Antritt der angekündigten Streiks im August erwirkte Vivantes dagegen einen Unterlassungsbescheid, da keine Notdienstvereinbarung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmern zustande gekommen war.[69] Das Arbeitsgericht entschied jedoch nach Rücksprache mit den Gewerkschaftern, dass von einer ausreichenden Notversorgung ausgegangen werden könne, und erlaubte die Streiks.[70]

Nach mehrwöchigen Streiks kam es im Oktober 2021 zu einer Einigung zwischen Verdi und Vivantes, zunächst über einen Entlastungstarifvertrag mit dem Konzern, und dann zu einer schrittweisen Angleichung der Löhne in den Tochterunternehmen auf bis zu 96 % des TVöD.[71][72]

Im Sommer 2022 kam es zu Kritik hinsichtlich der nun gültigen Tarifverträge. Dem Konzern wurde vorgeworfen, die Umsetzung der Tarifverträge zu verzögern und nicht wie vereinbart umzusetzen. Eine Gewerkschafterin, die in einem Interview mit der taz Kritik am Konzern geäußert hatte,[73] erhielt für diese Aussagen eine Abmahnung. Verdi Berlin verurteilte die Abmahnung und warf dem Konzern vor, „Kritik einfach zu verbieten, anstatt die Probleme konstruktiv zu lösen“.[74][75] Später entfernte Vivantes die Abmahnung aus der Personalakte der Gewerkschafterin.[76]

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Commons: Vivantes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Konzern Überblick. In: Vivantes. Abgerufen am 5. Juli 2024.
  2. a b c d e f g Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH, Jahresabschluss 2023, abgerufen am 20. Juni 2024.
  3. Beteiligungsunternehmen des Landes Berlin. In: Hauptstadtportal Berlin. 10. November 2023, abgerufen am 11. März 2024.
  4. a b Konzernprofil. In: Vivantes. Abgerufen am 11. März 2024.
  5. André Görke: Wo sind denn alle? Leere im Rathaus Spandau. In: Tagesspiegel. 12. November 2019, abgerufen am 11. März 2024.
  6. Thomas Frey: Das Krankenhaus Friedrichshain feierte seinen 140. Geburtstag. In: Berliner Woche. 9. Oktober 2014, abgerufen am 11. März 2024.
  7. Thomas Frey: Die Geschichte des Urban-Krankenhauses. In: Berliner Woche. 16. Juli 2015, abgerufen am 11. März 2024.
  8. Geschichte des Klinikum Spandau. In: Vivantes. Abgerufen am 21. Juli 2024 (deutsch).
  9. a b 15 Jahre Vivantes. (PDF; 8,0 MB) In: Vivantes. 2016, abgerufen am 11. März 2024.
  10. a b c d Unternehmensgeschichte 1854-2021. In: Vivantes. Abgerufen am 11. März 2024.
  11. Matthias Kunert: Wittenau. Das Konzept geht nicht mehr auf. In: Berliner Zeitung. 25. April 2002.
  12. a b c Vom Krankenhaus Rixdorf zum Klinikum Neukölln. In: Neukölln Online. Abgerufen am 11. März 2024.
  13. Oliver Stüber: Zahlen, Daten, Fakten. Vivantes Wenckebach-Klinikum. In: B.Z. 31. Januar 2008.
  14. Thomas Frey: Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in Friedrichshain. In: Berliner Woche. 6. Juni 2013, abgerufen am 11. März 2024.
  15. Medizingeschichte: Die ersten Transplantationen. In: Hamburger Abendblatt. 23. Juli 2005.
  16. Klinische Forschung im Krankenhaus. In: Vivantes. Abgerufen am 21. Juli 2024 (deutsch).
  17. Uta Keseling: Ganz Berlin heißt Humboldt. In: Berliner Morgenpost. 1. August 2021, abgerufen am 11. März 2024.
  18. Harald Ritter: Vom Hilfslazarett zum Vivantes Klinikum Kaulsdorf. In: Berliner Woche. 21. April 2018, abgerufen am 11. März 2024.
  19. Oliver Ohmann: Berlin kaufte Wittenau, um eine Klinik zu bauen. In: B.Z. 6. Oktober 2008.
  20. Kurz notiert: NET-GE. In: GV-Praxis. Nr. 6, 11. Juni 2001, S. 8.
  21. Mechthild Küpper: Das größte Kombinat im Land. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. Januar 2001.
  22. Neuer Name für Berliner Net-Ge GmbH. In: Ärzte Zeitung. Nr. 100, 31. Mai 2001, S. 9.
  23. Konzernprofil. In: Vivantes. Abgerufen am 20. Juni 2024 (deutsch).
  24. Home. In: Vivantes Hauptstadtpflege. Abgerufen am 8. Juli 2024.
  25. Vivantes MVZ. In: Vivantes MVZ. Abgerufen am 20. Juni 2024 (deutsch).
  26. a b Vivantes Einrichtungen in Berlin. 28. Februar 2024, abgerufen am 12. März 2024.
  27. BBG Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe gGmbH, Berlin. In: Northdata. Abgerufen am 3. April 2024.
  28. Vivantes – Forum für Senioren GmbH, Berlin. In: Northdata. Abgerufen am 13. März 2024.
  29. Hannes Heine: Rettungsstellen. Welche Kliniken behandeln wie viel Notfälle? In: Der Tagesspiegel. 31. Oktober 2023.
  30. Krankenhausplan 2020 des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Berlin. 2021. Abgerufen am 8. Juli 2024.
  31. Notdienstpraxen gefragter: Entlastung für Rettungsstellen. In: Berliner Zeitung. 9. April 2023, abgerufen am 21. Juli 2024.
  32. Dirk Jericho: Wartezeiten in Echtzeit: Vivantes stellt Daten für alle Rettungsstellen online. In: Berliner Woche. 25. August 2023, abgerufen am 21. Juli 2024.
  33. Seelische Gesundheit: Einrichtungen im Überblick. In: Vivantes. Abgerufen am 13. März 2024.
  34. Deutschlands größter kommunaler Klinikkonzern weiter im Aufwärtstrend. In: Ärzte Zeitung. Nr. 86, 11. Mai 2009, S. 13.
  35. Psychiatrische Ambulanzen. In: Vivantes. Abgerufen am 13. März 2024.
  36. Lorenz Vossen: Vivantes Klinikum Kaulsdorf stellt Babylotsen ein. In: Berliner Morgenpost. 25. September 2018.
  37. Schwangerschaft & Geburt. In: Vivantes. Abgerufen am 13. März 2024.
  38. Unsere Häuser. In: Vivantes Forum für Senioren. Abgerufen am 12. März 2024.
  39. a b Annette Neumann: In einen zukunftsfähigen Gesundheitskosmos führen. In: Wirtschaft & Weiterbildung. Nr. 3, 2022, S. 24–27.
  40. Ingo Bach: Berlin: Vivantes-Chef verlässt 2006 seinen Posten. In: Tagesspiegel. 15. Juni 2005, abgerufen am 11. März 2024.
  41. Ingo Bach: Berlin: Vivantes droht die Pleite – Konzern erwägt Aus für Kliniken. In: Tagesspiegel. 14. Januar 2004, abgerufen am 11. März 2024.
  42. a b Jens Anker: Streit um hohe Abfindung. In: Die Welt. 15. Februar 2013, abgerufen am 11. März 2024.
  43. Vivantes-Chef Bovelet tritt zurück. In: Kma – Das Gesundheitswirtschaftsmagazin. 10. Februar 2013, abgerufen am 11. März 2024.
  44. Jens Anker: Vivantes-Chef Bovelet verlässt Berlin ohne Abfindung. In: Berliner Morgenpost. 18. Februar 2013, abgerufen am 11. März 2024.
  45. Karin Büttner-Janz: Olympiasiegerin erhält 590.000 Euro Abfindung. In: Die Welt. 15. Oktober 2012, abgerufen am 11. März 2024.
  46. Karin Büttner-Janz: Die Kämpferin. In: Berliner Zeitung. 21. Juni 2013, abgerufen am 11. März 2024.
  47. a b Vivantes stellt Strafanzeige gegen Ex-Chef Bovelet. In: Kma – Das Gesundheitswirtschaftsmagazin. 31. Januar 2014, abgerufen am 12. März 2024.
  48. Vivantes – Forum für Senioren GmbH, Berlin, Germany. northdata.com, abgerufen am 4. Dezember 2020 (siehe dort Wopens wechselnder Gebrauch seines Vornamens und seine Beschäftigungsdaten).
  49. Dieter Wopen zum neuen Marseille-Vorstand bestellt., healthcaremarketing.eu, 5. Oktober 2012, abgerufen am 4. Dezember 2020.
  50. Hannes Heine: Verfahren gegen Ex-Vivantes-Chef eingestellt. In: Tagesspiegel. 14. Mai 2018.
  51. Andreas Knoch: Vivantes feuert Finanzchef Kahnes. In: Finance. 14. März 2014, abgerufen am 11. März 2024.
  52. Ehemaliger Vivantes-Top-Manager soll für Auftrag 250.000 Euro kassiert haben. In: B.Z. 12. August 2020, abgerufen am 11. März 2024.
  53. Kerstin Gehrke: Berliner Krankenhaus-Konzern: Korruptions-Prozess gegen Vivantes-Manager beginnt. In: Tagesspiegel. 12. August 2020.
  54. Berlins kriminelle Subkultur: Wie Beamte, Manager und Ärzte mit Clans illegale Geschäfte machen. In: Tagesspiegel. 14. August 2020.
  55. Joachim Fahrun: Personalberater warnten vor Vivantes-Finanzchef. In: Die Welt. 22. April 2014, abgerufen am 11. März 2024.
  56. „Whistleblower“-Prozess:Gefeuerte Altenpflegerin bekommt Abfindung. In: Süddeutsche Zeitung, 26. Mai 2012.
  57. Thorkit Treichel: Vivantes: Der Fall Heinisch. In: Berliner Zeitung. 11. Oktober 2011, abgerufen am 8. Juli 2024.
  58. Heinisch ./. Deutschland, Urteil vom 21. Juli 2011, Nr. 28274/08; anonymisierte deutsche Übersetzung der Bundesregierung.
  59. Jost Müller-Neuhof: Erfolg für Brigitte Heinisch: Altenpflegerin erhält 90.000 Euro. In: Tagesspiegel. 25. Mai 2012.
  60. Whistleblower-Preisträger: PD Dr. Liv Bode und Brigitte Heinisch (2007). In: Vereinigung Deutscher Wissenschaftler. Abgerufen am 11. März 2024.
  61. Hannes Heine: Pflegekräfte denken an Streik: Die Corona-Helden begehren auf. In: Der Tagesspiegel Online. 6. Mai 2021, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 5. Juli 2024]).
  62. Hannes Heine: Protest am Neuköllner Krankenhaus: Reinigungskräfte der Berliner Vivantes-Kliniken vor Streik. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 5. Juli 2024]).
  63. Hannes Heine: Der Pfleger als Patient. In: Der Tagesspiegel. 23. August 2021.
  64. Timm Kühn: Arbeitskampf des Klinikpersonals: Vivantes bestreikt Rot-Rot-Grün. In: Die Tageszeitung. 23. August 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 12. Juni 2022]).
  65. Joachim Fahrun: Vivanets und Charité: So kämpfen Pfleger für bessere Arbeitsbedingungen. In: Berliner Morgenpost. 6. Mai 2021, abgerufen am 5. Juli 2024.
  66. Joachim Fahrun: Vivanets und Charité: So kämpfen Pfleger für bessere Arbeitsbedingungen. In: Berliner Morgenpost. 6. Mai 2021, abgerufen am 5. Juli 2024.
  67. Joachim Fahrun: Charité und Vivantes: Krankenhäuser vor der Quadratur des Kreises. In: Berliner Morgenpost. 12. Mai 2021, abgerufen am 5. Juli 2024.
  68. Christian Schwager: Berliner Pflegekräfte stellen Arbeitgebern Ultimatum. In: Berliner Zeitung. 13. Mai 2021, abgerufen am 5. Juli 2024.
  69. Joachim Fahrun: Verdi sagt Streik in den Vivantes-Tochterfirmen ab. In: Berliner Morgenpost. 21. August 2021, abgerufen am 5. Juli 2024.
  70. Verdi will Vivantes-Warnstreik wieder hochfahren. In: Berliner Morgenpost. 24. August 2021, abgerufen am 5. Juli 2024.
  71. Hannes Heine: Mehr Lohn für Reinigungs- und Küchenpersonal: Tarifkampf bei Vivantes in Berlin beigelegt – Pflegestreik in Brandenburg. In: Der Tagesspiegel Online. 29. Oktober 2021, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 5. Juli 2024]).
  72. Manuela Heim: Berliner Krankenhausbewegung: Erfolgreich zu Ende gestreikt. In: Die Tageszeitung: taz. 27. Oktober 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 5. Juli 2024]).
  73. Timm Kühn: Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern: Entlastung in weiter Ferne. In: Die Tageszeitung. 26. Juli 2022, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 7. September 2022]).
  74. Das geht gar nicht: Vivantes will Gewerkschafterin Silvia Habekost den Mund verbieten. In: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Berlin. 7. September 2022, abgerufen am 7. September 2022.
  75. Ulrike Henning: Abgemahnt, aber nicht allein. In: nd aktuell. 6. September 2022, abgerufen am 7. September 2022.
  76. Joachim Fahrun: Ärger bei Vivantes: Verdacht auf manipulierte Dienstpläne. In: Berliner Morgenpost. 1. Dezember 2023, abgerufen am 20. Juni 2024.