Ursula de Boor

deutsche Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus

Ursula de Boor (verheiratete Seemann), auch Ursel genannt, (* 3. März 1915 in Kirchhain bei Marburg; † 5. Mai 2001 in Marburg) war eine deutsche Ärztin und Mitglied der Weißen Rose Hamburg, einer Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus.

Leben und Wirken Bearbeiten

Ursula de Boor war die Tochter der Lyrikerin Lisa de Boor (1894–1957) und des Offiziers und Juristen Wolfgang de Boor. Sie kam 1940 von Heidelberg nach Hamburg und arbeitete zunächst im Hilfskrankenhaus St. Georg als Assistenzärztin. Im Oktober 1941 wurde sie in die Kinderklinik des Universitäts-Krankenhaus Eppendorf (UKE) unter Rudolf Degkwitz (senior) versetzt. Hier war sie maßgeblich am Aufbau der candidates of humanity beteiligt, einer Gruppe von jungen Ärzten und Medizinstudenten, die sich in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem NS-Regime zusammenfanden. Über persönliche Kontakte, insbesondere über die Studenten Frederick Geussenhainer und Albert Suhr, war die Gruppe mit weiteren Widerstandskreisen in Hamburg verknüpft. Nach dem Krieg wurde dieser Zusammenhang Nebenzweig der Weißen Rose oder auch Weiße Rose Hamburg genannt.

Ursula de Boor wurde am 20. Dezember 1943 von der Gestapo verhaftet, zunächst in der Jugendarrestanstalt Bergedorf und ab dem 8. Januar 1944 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in Einzelhaft untergebracht. Der Haftgrund lautete: „Abhören feindlicher Sender und Weitergabe der Nachrichten, Ausleihen verbotener Bücher und Schriften, Teilnahme an kommunistischen Versammlungen.“[1] Im November 1944 erfolgte die Überstellung als Untersuchungsgefangene des Volksgerichtshof in das Frauenzuchthaus Cottbus. Die Anklage gegen sie lautete, wie bei 23 weiteren Mitgliedern der Widerstandsgruppe, Vorbereitung zum Hochverrat.

Im Februar 1945 wurde Ursula de Boor zusammen mit etwa 500 anderen Gefangenen vor der herannahenden Roten Armee in das Gefängnis nach Bayreuth verlegt. Es war geplant, dass hier der Volksgerichtshof weiter tagen sollte. Die Hauptverhandlung gegen sie fand jedoch am 19. April 1945 vor dem Volksgerichtshof in Hamburg in Abwesenheit der Angeklagten statt. Sie war bereits am 14. April 1945 in Bayreuth von Angehörigen der US-Armee befreit worden.[2]

Ihr zu Ehren wurde im Jahr 2016 die Ursula-de-Boor-Straße im Hamburger Stadtteil Langenhorn benannt.[3][4]

Ihre Brüder waren der Psychiater, Gerichtsgutachter und Gründer des Instituts für Konfliktforschung der Universität Köln Wolfgang de Boor (1917–2014) und der Psychoanalytiker und Leiter des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt am Main, Clemens de Boor (1920–2005).

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Angela Bottin: Enge Zeit. Spuren Vertriebener und Verfolgter der Hamburger Universität. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Audimax der Universität Hamburg vom 22. Februar bis 17. Mai 1991. Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte Band 11, Hamburg 1992, ISBN 3-496-00419-3
  • Herbert Diercks: Die Freiheit lebt. Widerstand und Verfolgung in Hamburg 1933–1945. Texte, Fotos und Dokumente. Herausgegeben von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Hamburger Rathaus vom 22. Januar bis 14. Februar 2010
  • Ursel Hochmuth: Candidates of Humanity. Dokumentation zur Hamburger Weißen Rose anläßlich des 50. Geburtstages von Hans Leipelt; Herausgeber: Vereinigung der Antifaschisten und Verfolgten des Naziregimes Hamburg e. V., Hamburg 1971
  • Ursel Hochmuth, Gertrud Meyer: Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand. 1933–1945, Zweite Auflage, Frankfurt 1980, ISBN 3-87682-036-7
  • Julia de Boor: Teilnahmebeitrag zum Literaturpreis Selma Meerbaum-Eisinger in Gedenken an die Großtante.
  • Lisa de Boor: Tagebuchblätter aus den Jahren 1938–1945. München 1963
  • Gunther Staudacher: Margaretha Rothe und die Hamburger Weiße Rose – Sichtweisen ihres Umfelds. epubli, Berlin 2022, ISBN 978-3-7549-4365-6

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Lisa de Boor: Tagebuchblätter 1943, Auszug in Ursel Hochmuth (Hrsg.): Candidates of Humanity. Dokumentation zur Hamburger Weißen Rose anläßlich des 50. Geburtstages von Hans Leipelt; Herausgeber: Vereinigung der Antifaschisten und Verfolgten des Naziregimes Hamburg e. V., Hamburg 1971, Seite 17 ff.
  2. Ursel Hochmuth, Gertrud Meyer: Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand. 1933–1945, S. 414, 419 f.
  3. https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/5662104/strassenumbenennung/
  4. https://www.openstreetmap.org/?mlat=53.66354&mlon=10.00521#map=18/53.66354/10.00521