Rodde (Kaufmannsfamilie)

Adelsgeschlecht

Rodde ist der Name einer ursprünglich aus Münster stammenden Kaufmannsfamilie, die über ihr erfolgreiches Handelshaus im Lübecker Patriziat aufstieg, in dieser Stadt über Generationen Ratsherren und Bürgermeister stellte und im frühen 19. Jahrhundert Teil des mecklenburgischen Landadels wurde. Im Ostseeraum entstanden durch den Handel bereits im 17. Jahrhundert Familienstämme in Riga, Tallin und Narva, im 18. Jahrhundert auch in Archangelsk.

Stammwappen

Geschichte

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Olga Rodde, letzte Lübecker Angehörige der Familie Rodde (1889)

Die von Ernst Deecke überlieferte Lübeckische Sage deutet die Entstehung des Reichtums dieser zum Ende des 16. Jahrhunderts aus Westfalen nach Lübeck zugewanderten Kaufmannsfamilie an: Als Begründer dieser Lübecker Kaufmannsdynastie gilt der selbst 1567 noch in Münster geborene Kaufmann Adolf Rodde († 1617). Die Sage führt seinen Reichtum auf erfolgreiche Geschäfte im Ostseeraum auf Gotland und im Baltikum zurück und sie deutet gleichzeitig erlittene schicksalhafte Rückschläge auf diesem Weg an. Adolf Rodde wurde bereits in der ersten Generation in Lübeck im Jahr 1612 in den Rat der Stadt gewählt.[1]

Das Mäzenatentum der Familie zeigt die Finanzkraft und den unternehmerischen Erfolg dieser für sieben Generationen in der Hansestadt ratssässigen Kaufmannsfamilie, deren Reichtum und Macht nach mehr als 200 Jahren in der Franzosenzeit gipfelte und abrupt endete. Letztes Mitglied der Familie Rodde in Lübeck war zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Seniorin des St.-Johannis-Jungfrauenklosters Olga Rodde (1846–1941).

Bernhard Rodde, ein Bruder des Ratsherrn Adolf Rodde, siedelte zu Anfang des 17. Jahrhunderts von Lübeck nach Reval über und begründete den dortigen Zweig der Familie, der über vier Generationen Ratsherren in Reval stellte.

Der spätere Lübecker Bürgermeister Rodde erhielt 1801 einen kaiserlichen Adelsbrief und wurde mit Diplom vom 6. April 1806 noch zum Reichsfreiherrn erhoben. Joachim Matthäus von Rodde auf Zibühl wurde 1839 in den mecklenburgischen Adel rezipiert.

Im Einschreibebuch des Klosters Dobbertin befinden sich vier Eintragungen von Töchtern der Familien von Rodde aus Zibühl von 1843 bis 1881 zur Aufnahme in das adelige Damenstift. Nr. 1606 Baroness Auguste von Rodde starb am 21. Februar 1933 im Kloster Dobbertin.

 
Wappen der Freiherren von Rodde

Das Stammwappen der Familie zeigt einen Windhund mit rotem Halsband in blauem Feld.[2] Im Epitaph des Matthäus Rodde in der Marienkirche († 1677) hatte es die folgende Form: im blauen Schilde ein springender schwarzer Hund mit einem Knochen im Maule und goldenem Halsband mit Ring; auf dem Spangenhelm derselbe Hund wachsend zwischen zwei Büffelhörnern.[3] Die Blasonierung des freiherrlichen Wappens lautet nach Otto Titan von Hefner: Wappen: Gespalten von Silber und Rot mit aufgelegtem blauen Mittelschild, darin ein aufspringendes silbernes Windspiel mit einem Bein [d. h. Knochen] im Rachen. Der vordere Platz des Schildes ist durch einen roten Balken geteilt, oben aus dem Spalt kommend ein halber schwarzer Adler, unten ein n. Eichenast, hinten zwei goldene Sparren. Drei Helme:I. der Eichenast, II. ein wachsender schwarzer Doppeladler, III. der Wind wie im Mittelschild. — Decken: I. rot, silber, II. schwarz, grün, III. blau, silber.[4]

Besitzungen

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Stadthäuser in Lübeck

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Die Lübecker Stadthäuser der Familie Rodde befanden sich in den besten Lagen der Stadt. Auch das Behnhaus gehörte kurzzeitig dazu. Die Residenz des letzten Lübecker Bürgermeisters aus der Familie befand sich in der Breiten Straße 13. Das klassizistische Haus mit der für Lübeck überbreiten Fassade wurde später als Hotel und im 20. Jahrhundert als Kino Capitol genutzt.

Landgüter in Mecklenburg

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  • Jesenitz (1808–1816)
  • Pannekow, heute Ortsteil von Altkalen (1812–1818)
  • Ziebühl, heute Ortsteil von Dreetz (Mecklenburg) (1827–nach 1864)
  • Beidendorf, heute Ortsteil von Bobitz (1886–nach 1911)
  • Gutshaus Neese, Landkreis Ludwigslust (1913–1945)

Bedeutende Mitglieder der Familie

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Lübeckische Ratslinie

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Lübecker Kaufleute

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  • Johann Rodde (1641–1705), Kaufmann aus Lübeck in Narva

Archangelsk

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  • Kaspar Adolf Rodde (1680–1731), Kaufmann
  • Dietrich Rodde (1690–1761), Kaufmann (Beil, Becker & Rodde)[10]
    • Anna Elisabeth Rodde ⚭ Samuel Gottlieb Becker
    • Margaret Rodde ⚭ Berend Jacob Rodde (Bruder des Revaler Bürgermeisters Dietrich Rodde)
    • Agneta Gertrude Rodde ⚭ Johann Beil
  • Berend Johann Rodde (1720–1786), Kaufmann
    • Berend Johann Rodde (1766–1826), Jurist, Domherr ⚭ Sophia Carolina Gossler (1779–1798)

Revaler Kaufleute und Ratsherren

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  • Berndt Rodde († 1704), Kaufmann in Reval
    • Bernhard (Berend) Rodde (* 1677, + ~1701 als Student in Leipzig)[11]
    • Johan(n) Joachim Rodde (1675–1743), 1726 Ratsherr in Reval
      • Diedrich Rodde II (1732–1800), 1783 Ratsherr, 1787–1800 Bürgermeister von Reval[12][13]

Beamte, Militärs und Gutsbesitzer in Mecklenburg und Vorpommern

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  • Franz Kuno Baron von Rodde (1815–1860), Offizier der Leib-Garde-Husaren, Major und Kommandant des Mecklenburgischen Dragonerregiments
  • August (Franz) Freiherr von Rodde (1847–1927), Mecklenburg-Schwerinscher Adjutant und Dragoner-Offizier, Generalmajor und Militärhistoriker
  • Otto Freiherr von Rodde (1844–1908), Dragoner-Offizier und Oberstallmeister, dann Kammerherr und Intendant des Seebades Bad Doberan
  • Cuno (Friedrich) Freiherr von Rodde (1857–1927), Forstmeister und Genealoge
  • Joachim Freiherr von Rodde (* 1883), Dragoner-Offizier und Mecklenburg-Schwerinischer Adjutant
  • Franz-Joachim Freiherr von Rodde (1922–2011), Generalmajor der Bundeswehr
  • Wolf-Joachim Bernhard Freiherr von Rodde (* 1948), Diplom-Kaufmann/Unternehmer
  • Dominik Marcus Freiherr von Rodde (* 1980), Diplom-Kaufmann

Begräbnisse

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Familienbegräbnis von Rodde in Tarnow (Mecklenburg)

1693 erwarb Margarethe Rodde, die Witwe des Kaufmanns Adolf Rodde, von ihren Miterben als Nachfahren des Christian Northoff die am weitesten westlich gelegene Seitenkapelle im nördlichen Seitenschiff der Lübecker Marienkirche, die zur Grablege des jüngeren Familienzweiges wurde.[15] Das Kapellenportal umrahmte später das Epitaph für den Bürgermeister Franz Bernhard Rodde. Das im Empire-Stil gearbeitete Denkmal bestand aus einem stufenförmig ansteigenden, von einem Altar gekrönten hölzernen Aufbau, vor dem zwischen einer trauernden und einer gläubig zum Himmel aufblickenden weiblichen Marmorfigur das von Johann Jacob Tischbein auf Kupfer gemalte Brustbild angebracht war. Darunter war eine lange schmale Inschrifttafel gesondert in die marmorne Mauerverkleidung eingelassen, während das kleine Wappen den Portalbogen zierte.[16] Es ist wie auch die anderen reichen Epitaphien der Familie in der Marienkirche beim Luftangriff auf Lübeck am 29. März 1942 verbrannt. Auch die teilweise aus Messing gearbeiteten Grabplatten sind nicht erhalten.

Erhalten ist das Erbbegräbnis der mecklenburgischen Linie auf dem Friedhof der Dorfkirche Tarnow.

Stiftungen

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Barockaltar von 1717 in Jakobi

Der von Hermann Rodde 1717 der Jakobikirche gestiftete Altar aus der Werkstatt Hieronymus Hassenbergs orientiert sich deutlich an der größten nachreformatorischen Stiftung Lübecks, dem Altar des Spanienfahrers Thomas Fredenhagen für die Lübecker Marienkirche von Thomas Quellinus. Wie bei Quellinus findet sich die Büste des Stifters unter zeitentsprechender Allongeperücke links am Altar. Während der größere Quellinus Altar nach 1945 nicht wieder aufgestellt wurde und daher heute nur noch in verstreuten Fragmenten zu sehen ist, gibt der Hassenbergsche Altar eine Ahnung vom Reichtum der hanseatischen Kaufleute auch nach dem Ende der Zeit der Hanse.

Nachlässe und Sammlungen

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Die von Cuno Freiherr von Rodde angelegte genealogische Sammlung und der Familiennachlass von August Friedrich von Rodde befinden sich im Landeshauptarchiv Schwerin.[17]

Literatur

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  • Emil Ferdinand Fehling: Lübeckische Ratslinie. Lübeck 1925
  • Gustav von Lehsten: Der Adel Mecklenburgs seit dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleiche (1775) 1864, S. 219 ff. (Google books)
  • Gustav Schaumann, Friedrich Bruns (Bearbeiter): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Hrsg. von der Baudeputation. Band II, Teil 2: Die Marienkirche. Nöhring, Lübeck 1906.
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Commons: Rodde family – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Die Rodden (Lübische Sage) – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Fehling: Ratslinie Nr. 736
  2. Beschreibung bei: Gustav von Lehsten: Der Adel Mecklenburgs seit dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleiche (1775) 1864, S. 219
  3. BuK II, S. 364
  4. Otto Titan von Hefner: Die Wappen des Mecklenburger Adels. J. Siebmachers grosses und allgemeines Wappenbuch ... neu herausgegeben. Band III/6 Nürnberg 1856, S. 17; Abb. Tafel 15
  5. Fehling: Ratslinie Nr. 822
  6. Fehling: Ratslinie Nr. 912; Jacob von Melle: Melle, Jacob von: Aus von Melle Nachricht von Lübeck, 1787, LebensBeschreibung des Senators Matth. Rodde 1783, und LebensBeschreibung des Consuls Joachim Peters 1788. o. D., ca. 1792
  7. Fehling: Ratslinie Nr. 836
  8. Fehling: Ratslinie Nr. 863
  9. Fehling: Ratslinie Nr. 899
  10. Siehe Viktor Nikolaevič Zacharov: Kaufleute aus dem Baltikum in russischen Städten während des 18. Jahrhunderts. In: Die baltischen Länder und Europa in der Frühen Neuzeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015, S. 329–354, bes. S. 345
  11. Arvo Tering (Hrsg.): Lexikon der Studenten aus Estland, Livland und Kurland an europäischen Universitäten 1561–1800, Böhlau-Verlag, Köln 2018, S. 584 Nr. 4215
  12. Henning von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich, Die Revaler Logen 1773–1820. Mit einem biographischen Lexikon. Böhlau Verlag, Köln 2016, Band 3, S. 256 ff.
  13. Arvo Tering (Hrsg.): Lexikon der Studenten aus Estland, Livland und Kurland an europäischen Universitäten 1561–1800, Böhlau-Verlag, Köln 2018, S. 585 Nr. 4218
  14. Henning von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich, Die Revaler Logen 1773–1820. Mit einem biographischen Lexikon. Böhlau Verlag, Köln 2016, Band 3, S. 258 ff.
  15. BuK II, S. 164
  16. Ohne Verfasserangabe: Die Merkwürdigkeiten der Marien-Kirche in Lübeck, Lübeck 1823, S. 17 (Google Books), BuK II, S. 381
  17. Landeshauptarchiv Schwerin: Die Bestände des Landeshauptarchivs Schwerin; Bd. 3: Nichtstaatliches Archivgut und Sammlungen. Schwerin: Landeshauptarchiv 2005, ISBN 3-9809707-0-1, S. 285 und 321