Parastou Forouhar

iranische Künstlerin

Parastou Forouhar, auch Parastu Foruhar (persisch پرستو فروهر) (* 1962 in Teheran) ist eine iranische Künstlerin und Aktivistin.

Written Room, Installation der Künstlerin Parastou Forouhar während der Ausstellung „Lettres Ouvertes: de la Calligraphie au Street-Art“, die 2016 gezeigt wurde im ICI Paris.

Seit 1991 lebt sie in Deutschland im Exil und entschied sich zu bleiben. Ihre Eltern waren die Oppositionellen Dariush und Parwaneh Forouhar, die 1998 in ihrem eigenen Haus vom iranischen Geheimdienst ermordet wurden.[1]

Biografie Bearbeiten

Parastou Forouhar studierte von 1984 bis 1990 Kunst an der Universität Teheran. Für die Tochter von intellektuellen Dissidenten waren die schwierigen Bedingungen in ihrem Heimatland der Grund dafür, 1991 mit ihren beiden kleinen Söhnen nach Deutschland zu ziehen. An der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main absolvierte sie ein Aufbaustudium, bei dem sie unter anderem bei Adam Jankowski studierte. Seit 1992 lebte sie zunächst in Offenbach am Main und mittlerweile in Göppingen.[1]

Die Eltern von Parastou Forouhar wurden am 21. November 1998 in ihrem Haus in Teheran brutal im Zuge der sogenannten Kettenmorde[2] von Agenten des iranischen Geheimdienstes ermordet.[1] Dariush Forouhar gehörte als Arbeitsminister zum weltlichen Kabinett von Premierminister Mehdi Bāzargān. Beide gehörten zu den führenden oppositionellen Politikern im Iran.[3] Das Verfahren wurde von den Behörden verschleppt und letztendlich zu einem unabgeschlossenen Ende gebracht.[4]

Jedes Jahr reist die Künstlerin, die das Erbe der politischen Opposition ihrer Eltern fortführt, nach Teheran, um eine Gedenkveranstaltung für ihre ermordeten Eltern zu organisieren. Daran wurde sie von den iranischen Behörden mehrfach gehindert, manchmal sogar mit Entzug des Reisepasses[5], oder 2016 mit einer von konservativen Kräften angestrebten Klage wegen Majestätsbeleidigung, weil eine ihrer bekanntesten Installationen aus Bürostühlen besteht, die mit religiösen Fahnen überzogen sind.[6] Die Sitzsäcke waren in ihrer Serie Countdown mit traditionellen Ashura-Banner überzogen; eine Besucherin fotografierte diese und stellte dann ihre Selfies ohne Wissen der Künstlerin auf Instagram und Facebook, was zur Klage des iranischen Informationsministeriums führte.[7]

Seit dem Sommersemester 2019 nimmt Forouhar für fünf Jahre eine Professur für eine Klasse für Bildende Kunst an der Kunsthochschule Mainz der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wahr.[8]

Wirken als Künstlerin Bearbeiten

Parastou Forouhar setzt als Konzeptkünstlerin alle Medien von der Zeichnung über die Fotografie bis zu computeranimierten Bildsequenzen ein, um ihre Themen, etwa die Situation von Frauen in der Gesellschaft – speziell auch in muslimischen Gesellschaften – oder der Folter als systematisches, bildfüllendes „Ornament“, zu reflektieren und zu veranschaulichen.[9]

Eine gänzlich anders geartete Arbeit der Künstlerin sind ihre Schrifträume, die persische Zeichen des Unsinns oder ohne Bedeutung aneinanderfügen.[10] Durch die raumgreifende Bemalung verändern sich die Räume selbst. Parastou Forouhars Schrifträume (Written Rooms) sind in der Universität von Toledo (2014)[11] und neuerdings im Institut des Cultures d’Islam (ICI) in Paris[12] zu sehen.

In unregelmäßigen Abständen kuratiert die Künstlerin eigene Ausstellungen, etwa „Omid* Gemeinsam grenzenlos“ für die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt,[13] oder als Co-Kuratorin für die Teheran-Nummer der Reihe Treibsand für zeitgenössische Kunst.[14]

Preise und Auszeichnungen Bearbeiten

Ausstellungen Bearbeiten

Film Bearbeiten

  • Tod in Teheran – Auftragsmord im Namen Gottes von Thomas Giefer mit Parastou Forouhar (Con Voi Film 2004 für ARD)

„Der Film rekonstruiert die Details dieses politisch und religiös motivierten Mordes, begleitet Parastou Forouhar bei ihrer Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit und verfolgt die Spuren des Verbrechens bis ins Machtzentrum des islamischen Gottesstaats…“

Auszug WDR-Pressetext

Schriften Bearbeiten

  • Ziehen Sie die Schuhe aus. (Bilderbuch), 2002
  • Das Land, in dem meine Eltern umgebracht wurden. Liebeserklärung an den Iran. Freiburg: Herder 2011, ISBN 978-3-451-30467-5[21]
  • Parastou Forouhar, Das Gras ist grün, der Himmel ist blau, und sie ist schwarz … Text: Elisabeth Schraut, Stein am Rhein 2017

Literatur Bearbeiten

  • Christopher de Bellaigue: Im Rosengarten der Märtyrer. Ein Porträt des Iran. Aus dem Englischen von Sigrid Langhaeuser, Verlag C. H. Beck, München 2006 (engl. Originalausgabe: London 2004), S. 257–268 und 299–305.
  • Werner Meyer, Melanie Ardjah (Hrsg.): Parastou Forouhar. Im Zeichen des Ornaments. Kunsthalle Göppingen, 2018, ISBN 978-3-947317-05-9 (Ausstellungskatalog).
  • Christian Kaufmann, Sonja Müller: Written room / Parastou Forouhar Maria 2 Körper / Silke Wiegand. Frauenreferat Frankfurt, Frankfurt 2019, DNB 1195553293 (Ausstellungskatalog).
  • Susanne Winder: Das Ornament als Denkfigur. Ornamentale Strukturen im künstlerischen Werk von Parastou Forouhar. transcript, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8376-5819-4 (Dissertation).

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Iranerinnen im Exil "Straßen voller Wut und Hoffnung": So erlebte die Künstlerin Parastou Forouhar das Teheran dieser Tage Der Stern, abgerufen am 10. Juni 2023
  2. Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran. Aufbau, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03880-9; Taschenbuchausgabe ebenda 2022, ISBN 978-3-7466-4030-3, S. 56.
  3. Personalien: Parastou Forouhar. In: Der Spiegel. Band 47, 22. November 2010 (spiegel.de [abgerufen am 19. September 2017]).
  4. DW Deutsch: Die iranische Künstlerin Parastou Forouhar | Kultur.21. 24. Januar 2010, abgerufen am 19. September 2017.
  5. Die iranische Künstlerin Parastou Forouhhar ist wegen Blasphemie angeklagt: Das Opfer als Staatsfeind | Kultur Info | SWR2. In: swr.online. (swr.de [abgerufen am 19. September 2017]).
  6. Interview with artist Parastou Forouhar (German Blogpost) – Reconfiguring Anonymity. Abgerufen am 19. September 2017.
  7. Catrin Lorch: Interview mit der Künstlerin Parastou Farouhar aus Iran. Abgerufen am 18. Oktober 2020.
  8. Professur für Parastou Forouhar an der Kunsthochschule Mainz. In: www.kunstforum.de. 26. November 2018, abgerufen am 30. November 2018.
  9. Sven Siedenberg: Parastou Forouhar: Die Waffen der Kunst. In: Die Zeit. 16. März 2015, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 19. September 2017]).
  10. Parastou Forouhar Beautiful and Sad. 20. März 2013, abgerufen am 19. September 2017 (australisches Englisch).
  11. El Greco 2014: Body Letter. 19. Oktober 2014, abgerufen am 19. September 2017.
  12. Lettres ouvertes, de la calligraphie au street art - Institut des Cultures d'Islam. In: Institut des Cultures d'Islam. (institut-cultures-islam.org [abgerufen am 19. September 2017]).
  13. BS Anne Frank. Abgeschlossene Projekte: Omid* Gemeinsam grenzenlos. Archiviert vom Original am 20. September 2017; abgerufen am 19. September 2017.
  14. Home. Abgerufen am 19. September 2017 (Schweizer Hochdeutsch).
  15. Ehemalige Stipendiaten - Künstlerresidenz Chretzeturm. Abgerufen am 5. September 2017.
  16. Parastou Forouhar im Deutschen Dom. Deutscher Bundestag, abgerufen am 20. November 2022.
  17. Elisabeth Schraut: Parastou Forouhar - „Das Gras ist grün, der Himmel ist blau, und sie ist schwarz …“ Hrsg.: Museum Lindwurm. Stein am Rhein, ISBN 978-3-03306379-2.
  18. Sonderausstellung parastou forouhar: "das gras ist grün, der himmel ist blau, und sie ist schwarz..." Museum Lindwurm, abgerufen am 20. November 2022.
  19. Parastou Forouhar. Im Zeichen des Ornaments. Abgerufen am 20. November 2022.
  20. Parastou Forouhar. One Step Kunsthalle Göppingen, abgerufen am 10. Juni 2023
  21. Parastou Forouhar. Das Land, in dem meine Eltern umgebracht wurden. Liebeserklärung an den Iran buecher.de, abgerufen am 10. Juni 2023