Otto Bütschli
Johann Adam Otto Bütschli (* 3. Mai 1848 in Frankfurt am Main; † 3. Februar 1920 in Heidelberg) war ein deutscher Zoologe. Aufgrund seiner bedeutenden wissenschaftlichen Leistungen erlangte er 1896/97 die Präsidentschaft der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. Mit Bütschli erhielt das Zoologische Institut 1893/94 in der Sofienstraße 6 in Heidelberg ein eigenes Institutsgebäude, nachdem es bislang nur über einige Räume innerhalb anderer Universitätseinrichtungen (z. B. Alte Anatomie) verfügen konnte. Neben den Unterrichtsräumen und Laboratorien nahm besonders die umfangreiche Zoologische Sammlung einen großen Anteil der neuen Räumlichkeiten ein.
LebenBearbeiten
Otto Bütschli wurde als Sohn eines Konditors, der ursprünglich aus der Schweiz stammte, am 3. Mai 1848 in Frankfurt/M. geboren. Sein Vater war bereits 1830 nach Deutschland eingewandert und ließ sich in Frankfurt nieder. Dort vermählte er sich 1843 mit Emilie Kullmann, einer gebürtigen Frankfurterin. In seiner Heimatstadt besuchte O. Bütschli vom sechsten bis zum sechzehnten Lebensjahr die neubegründete Musterschule, in der besonders eine naturwissenschaftliche und neusprachliche Ausbildung betont wurde. Nach der Schulausbildung studierte Otto Bütschli ab 1864 Mineralogie, Chemie und Paläontologie am Polytechnikum Karlsruhe. 1865/1866 wurde er Assistent des Paläontologen Karl Alfred von Zittel. Im Jahr 1866 wechselte Bütschli für ein Jahr an die Universität Heidelberg. Hier promovierte er 1868 in Mineralogie, Chemie und Zoologie zum Dr. phil. Anschließend nahm er eine Assistentenstelle bei Robert Wilhelm Bunsen an.
Ab 1869 war Bütschli Assistent an der Universität Leipzig bei Rudolf Leuckart, da er sich entschlossen hatte, sich auf das Fachgebiet Zoologie zu konzentrieren. Dort beschäftigte er sich intensiv mit ontogenetischen Untersuchungen an Nematoden. Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 musste er seine Studien für den Wehrdienst unterbrechen und diente als Reserveleutnant. Nach Kriegsende wurde er Assistent des Zoologen Karl August Möbius an der Universität Kiel, wo er seine Studien an marinen Nematoden fortsetzte. 1876 habilitierte er sich am Polytechnikum in Karlsruhe.
1878 wurde Bütschli, noch nicht 30-jährig, zum ordentlichen Professor der Zoologie und Paläontologie sowie als Leiter des Zoologischen Instituts der Universität Heidelberg ernannt.[1] Trotz zahlreicher Berufungen an andere Universitäten verblieb der Wissenschaftler bis zu seinem Lebensende in Heidelberg. Seine hervorragenden Fähigkeiten als Hochschullehrer und seine bedeutenden Arbeiten zogen eine große Anzahl von Studenten aus dem In- und Ausland herbei. Weiterführende mikroskopische Studien über die Entwicklungsvorgänge der Eizelle sowie intensive Studien an Protozoen erschienen 1876 in seinem ersten Hauptwerk, das in den Abhandlungen der Senckenbergischen Gesellschaft publiziert wurde. Diese Untersuchungen und eine gleichzeitig auf botanischem Gebiet veröffentlichte Arbeit des bekannten Botanikers Eduard Strasburger haben die Zellenlehre auf eine neue wissenschaftliche Grundlage gestellt. Im Jahr 1888 wurde Bütschli in die Leopoldina aufgenommen.[2]
1893/94 erhielt die Zoologie Heidelberg ein eigenes Gebäude in der Sophienstraße 6, unmittelbar hinter dem Botanischen Institut am Bismarckplatz. Das Institut wurde nach Bütschlis Vorstellungen mit einem Kostenaufwand von etwa 160 000 Goldmark erbaut. Neben den Unterrichtsräumen und Laboratorien nahmen besonders die zoologischen Sammlungen einen Großteil des Baues in Anspruch. Unter der damaligen Bevölkerung war O. Bütschli gut bekannt und auch beliebt. So sprach man in Heidelberg nicht vom Zoologischen Institut, sondern anerkennend vom „Bütschli-Institut“.
Im Jahr 1900 wurde der Zoologe zum korrespondierenden Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt.[3] Gemeinsam mit Otto Schoetensack untersuchte Bütschli den 1907 entdeckten Unterkiefer von Mauer. 1909 wurde er als ordentliches Mitglied in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Von 1915 bis 1920 war er deren Sekretär.[4] Eine besondere Freude bereitete ihm die Ernennung zum Geheimen Rat, die am 1. Februar 1919 erfolgte. Lange war ihm der Erfolg nicht gegönnt. Bereits ein Jahr später, im Februar 1920, verstarb der Naturwissenschaftler nach kurzer schwerer Krankheit. Die Drucklegung zahlreicher Publikationen erfolgte erst nach seinem Tod. Auf Otto Bütschli folgte Hugo Merton (1879–1940). Er wurde vom Badischen Kultusminister 1920 zum außerordentlichen Professor und Leiter der Zoologie ernannt.
1964 zog das Zoologische Institut in einen Neubau in das Neuenheimer Feld 230 um. Das Institutsgebäude in der Sophienstraße 6 wurde 1967 trotz gutem baulichen Zustand im Rahmen der Umgestaltung des Bismarckplatzes (u. a. Abriss des Botanischen Instituts, Neubau des Kaufhaus-Horten-Komplex) komplett abgetragen.[5][6] Verantwortlich für die umstrittenen Baumaßnahmen zeichnete der damalige Oberbürgermeister Robert Weber (1906–1987), der mit dem Unternehmer Helmut Horten (1909–1987) gut bekannt war. Die Bütschli-Bibliothek landete mit dem Umzug größtenteils im Reißwolf, nur wenige Bücher überlebten in den Antiquariaten Heidelbergs. An den herausragenden Wissenschaftler erinnert in Heidelberg heute nichts mehr.
ForschungBearbeiten
Bütschli arbeitete u. a. an der Entwicklungsgeschichte und vergleichende Anatomie von Insekten, Gastropoden und besonderen von Nematoden. Er entdeckte die mitotische Zellteilung bei Tieren und verfasste wichtige Arbeiten über Vermehrungszyklen, über den Feinbau des Protoplasmas, die Systematik der Protozoen, die auf Anregungen seines Lehrers Rudolf Leuckart zurückgingen.
EhrungenBearbeiten
Träger der Linné-Medaille (1914)
Ein von Charles Milton und Joseph M. Axelrod 1947 neu entdecktes und beschriebenes Mineral K2 Ca (CO3 )2 erhielt ihm zu Ehren den Namen Bütschliit.[7]
Schriften (Auswahl)Bearbeiten
- Bütschli, O. (1870): Zur Entwicklungsgeschichte der Biene. In: Zeitschr. für wiss. Zool. 20, S. 519–564.
- - dto. (1873): Vorläufige Mittheilung über Bau und Entwicklung der Samenfäden bei Insecten und Crustaceen. In: Zeitsdir. für wiss. Zool. 21, S. 402–415.
- - dto. (1873): Beiträge zur Kenntnis der freilebenden Nematoden. In: Verh. der Kaiserl. Leopoldinisch-Carolinisch. Akad.der Naturforscher 36, Bd. 5, S. 1–124.
- - dto. (1874): Zur Kenntnis der Fortpflanzung der Arcella vulgaris. Archiv f. mikroskopische Anat. Bd. XI, S. 459–467.
- - dto. (1876): Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien. Abhandlungen der Senckenberg. Naturforsch. Ges., Bd. 10, Frankfurt a. M., 250 S.
- - dto. (1898): Untersuchungen über Strukturen insbesondere über Strukturen nicht zelliger Erzeugnisse des Organismus und über ihre Beziehungen zu Strukturen, welche ausserhalb des Organismus entstehen. Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig, 411 S.
- - dto. (1896): Weitere Ausführungen über den Bau der Cyanophyceen und Bakterien.Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig
- - dto. (1902): Mechanismus und Vitalismus. In: Verh. des Internat. Zoologie-Kongr. zu Berlin, S. 212–235, Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig (Digitalisat).
QuellenBearbeiten
LiteraturBearbeiten
- Udo Becker et al. (Red.): Herder Lexikon der Biologie. Spektrum, Heidelberg 1994.
- Dagmar Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803-1932. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1986, ISBN 3-540-15856-1, S. 177.
- Peter E. Fäßler: Bütschli, Johann Adam Otto. In: Badische Biographien. Neue Folge, Bd. 5, 2005, S. 42–44 (online)
- Clifford Dobler: In memoriam Otto Bütschli (1848–1920) "architect of protozoology". In: Isis. 42. Jahrgang, Nr. 1, 1951, S. 20–22, doi:10.1086/349230, PMID 14831973.
- Ilse Jahn (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 3., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Spektrum, Heidelberg 2000.
- M. Lüdicke: Das Zoologische Museum in Heidelberg. In: Ruperto-Carola Jg. 17, Bd. 37, 1965, S. 175–184.
- Wilfried Willer: Otto Bütschli. In: Ruperto Carola. Jg. 19 (1967), Bd. 41, S. 329–333, doi:10.5281/zenodo.45340.
- Hermann Ziegenspeck: Bütschli, Otto, Zoologe. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 6 (Digitalisat).
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ Heidelberger Geschichtsverein, abgerufen am 23. Dezember 2022
- ↑ Mitgliedseintrag von Otto Bütschli bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 20. Juni 2022.
- ↑ Mitgliedseintrag von Otto Bütschli (mit Bild) bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 7. Februar 2016.
- ↑ Mitglieder der HAdW seit ihrer Gründung 1909. Otto Bütschli. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 19. Juli 2016.
- ↑ M. Lüdicke (1965): Das Zoologische Museum in Heidelberg. In: Ruperto-Carola Jg. 17, Bd. 37, 175–184.
- ↑ Mertens, M. (Hrsg.): Kulturdenkmale in Baden-Württemberg – Stadtkreis Heidelberg: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland Band II.5.1. Jan Thorbecke Verlag, 2013, ISBN 978-3-7995-0426-3.
- ↑ Mindat - Bütschliite
WeblinksBearbeiten
Personendaten | |
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NAME | Bütschli, Otto |
ALTERNATIVNAMEN | Bütschli, Johann Adam Otto |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Zoologe |
GEBURTSDATUM | 3. Mai 1848 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |
STERBEDATUM | 3. Februar 1920 |
STERBEORT | Heidelberg |