Maria und Natalia Petschatnikov

Künstlerduo

Maria und Natalia Petschatnikov (* 1973 in Leningrad) sind bildende Künstlerinnen und Zwillingsschwestern, die gemeinsam als Künstlerduo arbeiten.

Leben Bearbeiten

Sie wuchsen als Töchter einer Kindertheaterdirektorin und eines Filmproduzenten in Leningrad auf.[1] Die Sommerferien verbrachten sie meist im litauischen Pobaltis. Zeichnen und Malen lernten sie von 1978 bis 1984 in der Museumskunstschule für Kinder der Eremitage. Von 1990 bis 1991 besuchten sie Zeichenklassen an der dortigen Russischen Kunstakademie.[1][2][3]

1991 verbrachten sie im Rahmen eines Studentenaustauschprogramms zwei Wochen am Rhode Island College (RIC) in Providence,[4] an das sie 1992 von Russland zum Studium der Malerei wechselten. Durch das Nationale Studentenaustauschprogramm des RIC, das bis zu einem akademischen Studienjahr an einem College oder einer Universität in einem anderen Teil der USA ermöglicht, verbrachten sie ein Jahr in New York und studierten am Hunter College of The City University of New York. Im Jahr 1996 erhielten sie ihren Bachelor-of-Fine-Arts-Abschluss (BA) vom RIC.[4][2] Ihr Graduiertenstudium der Malerei absolvierten sie von 1996 bis 1999 ebenfalls am Hunter College mit dem Abschluss Master of Fine Arts (MFA).[2] Als Doktorandinnen nahmen sie während dieser Zeit 1998 an einem Austauschprogramm an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris teil,[4] und absolvierten ein Praktikum am Metropolitan Museum of Art in New York.[2][4]

1999 ließen sie sich in Hamburg nieder. Seit 2009/2010 leben und arbeiten sie in Berlin, haben aber bedingt durch ihre Teilnahme an zahlreichen Artist-in-Residence-Programmen zeitweise in weiteren europäischen Ländern gelebt,[1] wie 2000/2001 in Frankreich, 2002 und 2005 in Spanien, 2004 in Irland, 2004 und 2008 in Norwegen, 2006 in Finnland und 2008 in Schottland.

2009 wurden sie mit dem Alexander Reznikov Award der Alexander Reznikov Collection ausgezeichnet.[5]

Werk Bearbeiten

Zahlreiche ihrer Arbeiten entstanden nach Reisen oder bereits während der Aufenthalte im In- und Ausland im Zuge der Residence-Programme.[5] Diese Reiseerfahrungen betrachten die Schwestern Petschatnikov für die Entwicklung ihrer Arbeit als grundlegend,[4] da sie mit dem Blick von außen Besonderheiten der neuen Umgebung erfassen:[5] „Unsere Kunst nimmt den Standpunkt eines Reisenden oder Außenseiters ein. Wenn wir die Perspektive eines Außenstehenden einnehmen, bemerken wir jene Dinge in der Umgebung, die für Insider oder Einheimische nicht mehr sichtbar sind“.[4] Die Perspektive eines Fremden in fremden Ländern wurde ein wiederkehrendes Thema in ihren Kunstwerken.[4]

Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Malerei, Plastik und Rauminstallation.[1] Sie führen alle künstlerischen Projekte von der Planung bis zur Ausführung gemeinsam durch.[5] Zuerst fertigen sie Fotografien an, die sie später als Skulptur oder Gemälde umsetzen.[1] „In der Tradition des Realismus des 19. Jahrhunderts malen und zeichnen sie alltägliche Dinge und Situationen und bilden aus den verschiedensten Materialien dreidimensionale Objekte, die sie zu einer Gesamtinstallation verbinden, die die Unterscheidung von Malerei und Objekt durch zahlreiche Trompe l‘œil-Effekte verwischt“.[6] „Einzelne Malereien können jedoch auch in die Gesamtinstallation integriert werden und verweisen so auf die Malerei als künstlerischen Ansatzpunkt. Dieser Bezug auf die Malerei unterscheidet sie von den meisten Installationen anderer Künstler“.[5]

Wiederkehrendes Thema ihrer Werke sind die Reproduzierbarkeit, Kommunikation[7] und die Urbanität, das heißt der städtische Raum mit seinen Facetten von Kultur, Freizeit und Arbeit. So finden sich Orte und Gegenstände wie U-Bahnen, Museen, Flohmärkte, Computer und Kontore verfremdet oder in neuem Zusammenhang in ihren Installationen wieder.[8]

Ausstellungen (Auswahl) Bearbeiten

Stipendien (Auswahl) Bearbeiten

  • 2017: Produktionsstipendium der Stiftung Zurückgeben, Berlin (Stiftung, die Projekte von Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen jüdischer Herkunft oder jüdischen Glaubens, die in Deutschland leben, fördert),[23] für ihren animierten Dokumentarfilm Pobaltis, der unter Verwendung alter Familienaufnahmen und animierter Aquarelle eine Reise an den Ferienort der Künstlerinnen in ihrer Kindheit im litauischen Pobaltis dokumentiert.[1][3]
  • 2012: Stiftung Kunstfonds, Bonn, Arbeitsstipendium
  • 2009: Berufsverband Bildender Künstler*innen Berlin, Studiostipendium des Berliner Senats,[4] achtjähriges Atelierstipendium[1]
  • 2008: Nordic Artists' Centre, Dale, Norwegen, Artist-in-Residence-Programm
  • 2008: Scottish Sculpture Workshop, Lumsden, Schottland, Artist in Residence-Programm
  • 2007: Künstlerhaus Schloss Balmoral, Bad Ems, Artist in Residence-Programm
  • 2006: Atelje Stundars, Vaasa, Finnland, Artist in Residence-Programm
  • 2005: Can Serrat International Art Center, Barcelona, Spanien, Internationales Residenzprogramm
  • 2004: Nordic Artists' Centre, Dale, Norwegen, Artist in Residence-Programm
  • 2004: Irish Museum of Modern Art, Dublin, Irland, Artist in Residence-Programm
  • 2003: Atelierstipendium des Vereins Künstler zu Gast in Harburg, Hamburg
  • 2002: Fundaciòn Valparaiso, Mojacar, Spanien, Artist in Residence-Programm
  • 2002: Hamburgische Kulturstiftung, Robert Bosch Stiftung, Hamburg, Sinnspiel-Spielsinn Ausstellung
  • 2002: Interkulturelle Projekte, Behörde für Kultur und Medien, Hamburg, Die Brücke, Public Art Project
  • 2001: Hamburgische Kulturstiftung, Hamburg, Interkulturelles Festival Eigenarten
  • 2000/2001: Ateliers d'Artistes de la Ville de Marseille, Frankreich, Artist in Residence-Stipendium[2]
  • 1998: Hunter College of the City University of New York, New York, Studienaustauschprogramm
  • 1998: Memorial Foundation for Preservation of Jewish Culture, New York, Fellowship Grant. Projekt: Family Portraits

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f g h i j Gunda Bartels: Stadt als Puzzle. In: Der Tagesspiegel vom 30. Juni 2016. Abgerufen am 24. November 2017
  2. a b c d e f g C15 Sammlung Ulla und Heinz Lohmann: Maria und Natalia Petschatnikov. Abgerufen am 24. November 2017
  3. a b Online-Magazin für Frauen Aviva: Die Stiftung ZURÜCKGEBEN fördert Jüdisches Leben in Deutschland – im Jahr 2017 erhalten fünf jüdische Frauen aus Kunst und Wissenschaft ein Stipendium vom 5. Juli 2017. Abgerufen am 24. November 2017
  4. a b c d e f g h Gita Brown: Spotting the Unusual in the Usual: Maria and Natalia Petschatnikov. In: Rhode Island College Alumni Magazine, Winter 2013/2014, S. 28–29. Abgerufen am 25. November 2017
  5. a b c d e artmagazine: Die PreisträgerInnen des Alexander Reznikov Award 2008. Abgerufen am 25. November 2017
  6. a b Dr. Kathrin Reeckmann und Christina Dickel M.A.: Pressetext zur Ausstellung in der Stern Wywiol Galerie, Hamburg. In: Website Maria und Natalia Petschatnikov. Abgerufen am 25. November 2017
  7. Corinna Danielst: Doppelt hält gut - Maria und Natalia Petschatnikov.In: Die Welt vom 14. Juli 2006. Abgerufen am 25. November 2017
  8. a b c d Prof. Heinz Lohmann: Das Undenkbare denken. Einführende Gedanken zur Ausstellung „Gruppendynamik“ in der STERNWYWIOL GALERIE in Hamburg. In: Website Maria und Natalia Petschatnikov. Abgerufen am 25. November 2017
  9. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Berliner Krähen. Abgerufen am 25. November 2017
  10. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Gruppendynamik. Abgerufen am 25. November 2017
  11. Ruine der Franziskaner Klosterkirche, Amt für Weiterbildung und Kultur Fachbereich Kunst und Kultur: „Creatures“ Maria und Natalia Petschatnikov. Faltblatt zur Ausstellung. Abgerufen am 24. November 2017
  12. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Creatures. Abgerufen am 25. November 2017
  13. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Collecting the City. Abgerufen am 25. November 2017
  14. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Bode Museum. Abgerufen am 25. November 2017
  15. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Berlin & Berlin. Abgerufen am 25. November 2017
  16. a b Website Maria und Natalia Petschatnikov: A Guide to Berlin. Abgerufen am 25. November 2017
  17. Website Maria und Natalia Petschatnikov: 4 Euro. Abgerufen am 25. November 2017
  18. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Spatzen. Abgerufen am 25. November 2017
  19. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Dogs. Abgerufen am 25. November 2017
  20. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Birds. Abgerufen am 25. November 2017
  21. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Mice & More. Abgerufen am 25. November 2017
  22. Website Maria und Natalia Petschatnikov: Private Property. Abgerufen am 25. November 2017
  23. Stiftung Zurückgeben: Stiftung zur Förderung jüdischer Frauen in Kunst & Wissenschaft. Abgerufen am 24. November 2017