Die Große Psalmenrolle aus Höhle 11 nahe Qumran (11Q5 oder 11QPsa) ist eine Pergamentrolle, die etwa zwischen 30 und 50 n. Chr. beschrieben wurde. Sie enthält 40 biblische Psalmen sowie acht weitere Texte in hebräischer Sprache.

Detail der Psalmenrolle (Spalte 19) mit dem Gottesnamen in althebräischer Schrift – Zeilen 2 (2mal), 5, 6 (2 mal), 7

Die Rolle ist 4,253 Meter lang, unvollständig und besteht aus dunkelgelbem Leder. Der Gottesname JHWH ist in althebräischer Schrift geschrieben. Die Rolle und die ihr später zugeordneten Fragmente befinden sich heute im Israel-Museum in Jerusalem.

Auffindung

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Höhle 11 war in der Antike mit einem Felsbrocken verschlossen worden, der erst 1956 entfernt wurde. Das erklärt den guten Erhaltungszustand der hier gefundenen Rollen[1]

Anfang Februar 1956 fanden Beduinen die später bei der Edition von James A. Sanders 11QPsa benannte Rolle in Höhle 11. Dieser Fundort wird bestätigt durch vier Fragmente (A, B, C, D), die nachträglich bei einer wissenschaftlichen Grabung entdeckt wurden: gleiche Schreiberhand, gleiches Material, gleicher Inhalt. Die Beduinen übergaben die Rolle dem Palestine Archaeological Museum (Rockefeller Museum), wo sie bis 1961 ungeöffnet verblieb.[2]

Unter Leitung von Sanders gelang im November 1961 die Öffnung und Entrollung. Zum Jahreswechsel 1961/62 wurde bekannt, dass es ein weiteres Fragment E gab, das sich im Besitz von Yigael Yadin befunden hatte. Damit konnte eine größere Lücke am Anfang der Rolle geschlossen werden.[2]

Erhaltungszustand

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Die Rolle bestand aus 7 Lederbögen und hatte ursprünglich eine Länge von geschätzt 5,30 bis 5,60 m bei einer Höhe von etwa 26 cm. Erhalten ist ein zusammenhängender Streifen von 15–18 cm mit dem oberen Rand der Rolle, während der untere Teil völlig verrottet und damit verloren ist.[2]

Wenn man nicht annehmen will, dass die an der Rolle festzustellenden Schäden auf die unsachgemäße Behandlung und Lagerung durch die Beduinen zurückgehen, bevor diese ihren Fund dem Museum übergaben, erklärt folgendes (wahrscheinlichere) Szenario den Zustand der Rolle:[3]

  • Die relativ eng gewickelte Rolle stand jahrhundertelang aufrecht in der Höhle. Allmählich zerstörte von unten kommende Feuchtigkeit das untere Drittel.
  • Die Rolle verlor dadurch ihre Standfestigkeit und fiel um. Dabei rollte sich ein etwa 1,50 m langes Stück von der Rolle ab. Dieser abgewickelte erste Teil der Schriftrolle machte einen anderen Zerstörungsprozess durch als der noch zusammengerollte Teil. Bei letzterem schritt die Verrottung von der Auflagefläche am Boden aus nach innen fort.
 
Große Psalmenrolle mit hebräischer Transkription von Spalte 16

Die Psalmen sind in einer anderen Reihenfolge als im masoretischen Text angeordnet:
Psalm 101Psalm 102Psalm 103Psalm 109 [110] → Psalm 118Psalm 104Psalm 147Psalm 105Psalm 146Psalm 148 [+ Psalm 120]→ Psalm 121Psalm 122Psalm 123Psalm 124Psalm 125Psalm 126Psalm 127Psalm 128Psalm 129Psalm 130Psalm 131Psalm 132Psalm 119Psalm 135Psalm 136DoxologiePsalm 145 [mit zusätzlichem Kehrvers zwischen den einzelnen Versen] → Psalm 154Plea for Deliverance → Psalm 139Psalm 137Psalm 138Sir 51,13–30 EUApostrophe to ZionPsalm 93Psalm 141Psalm 133Psalm 144Psalm 155Psalm 142Psalm 143Psalm 149Psalm 150Hymn to the Creator2 Sam 23,1–7 EUDavid’s CompositionsPsalm 140Psalm 134Psalm 151A → Psalm 151B, leere Spalte.

11QPsa enthält neue, bisher nicht bekannte Psalmen. Sie erhielten bei der Edition keine Nummern, sondern folgende englische Titel:

  • Plea for Deliverance („Bitte um Erlösung“);
  • Apostrophe to Zion („Anrufung Zions“);
  • Hymn to the Creator („Hymne an den Schöpfer“);
  • David’s Compositions („Kompositionen Davids“).

Apostrophe to Zion ist in anderen Qumran-Schriftrollen mit Psalmtexten überliefert: in 4Q88 und wahrscheinlich auch 11QPsb (Fragment 6).[4]

Die Doxologie zwischen Psalm 136 und Psalm 145 ist ein in sich geschlossenes Dank- und Preisgebet, das aus Versen aus Psalm 136 und Psalm 118 zusammengestellt wurde.[5]

Diese Anordnung stellt einige Fragen: War die Bildung des Buches der Psalmen in der heute gebräuchlichen Reihenfolge zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen oder noch im Entstehen? Haben die Schreiber die kanonische Reihenfolge selbst verändert oder gab es sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht?

Ulrich Dahmen vertritt dazu folgende These: „Von seiner Textform erweist sich 11QPsa als qumranisches Produkt, als eigenständig, einzigartig und insgesamt der MT-Textform nachgeordnet.“[6] Die Textform (zu unterscheiden vom Alter der konkreten Rolle) datiert er in die 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr.[7] Es handle sich um eine „Zweckkomposition völlig losgelöst vom Psalter als Buch.“[8] Die Vermutung, dass die Qumran-Gemeinschaft diese Komposition liturgisch genutzt hat, „und mit ihr den davidischen Messias geradezu ‚herbeibeten‘ wollte“, sei weder beweisbar noch widerlegbar.[9]

Dagegen meint Daniel Stökl Ben Ezra, dass zur Abfassungszeit der Rolle, in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. weder die Diskussion, welche Dichtungen zum Buch der Psalmen gehörten, abgeschlossen gewesen sei noch der Inhalt und die Reihenfolge des letzten Teils des heutigen (biblischen) Psalmenbuchs fixiert gewesen seien.[10]

Literatur

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  • James A. Sanders: The Psalms Scroll of Qumrân Cave 11 (11QPsa) (=Discoveries in the Judean Desert of Jordan. Band 4). Clarendon Press, Oxford 1965.
  • Ulrich Dahmen: Psalmen- und Psalter-Rezeption im Frühjudentum. Rekonstruktion, Textbestand, Struktur und Pragmatik der Psalmenrolle 11QPsa aus Qumran (= Studies on the texts of the desert of Judah. Band 49). Brill, Leiden u. a. 2003. ISBN 90-04-13226-0.
  • Géza G. Xeravits, Peter Porzig: Einführung in die Qumranliteratur. Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2015, S. 219 f. (online, mit Literatur).
  • William Yarchin: Were the Psalms Collections at Qumran True Psalters? In: Journal of Biblical Literature 4/2015, S. 775–789. (PDF)
  • Daniel Stökl Ben Ezra: Qumran. Die Texte vom Toten Meer und das antike Judentum. Mohr Siebeck, Tübingen 2016. ISBN 978-3-8252-4681-5.
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Einzelnachweise

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  1. Daniel Stökl Ben Ezra: Qumran, Tübingen 2016, S. 124 f.
  2. a b c Ulrich Dahmen: Psalmen und Psalter-Rezeption im Frühjudentum, Leiden 2003, S. 25.
  3. Ulrich Dahmen: Psalmen und Psalter-Rezeption im Frühjudentum, Leiden 2003, S. 32 f.
  4. Daniel Stökl Ben Ezra: Qumran, Tübingen 2016, S. 206.
  5. Karl-Heinrich Ostmeyer: Jüdische Gebete aus der Umwelt des Neuen Testaments, Leuven 2019, 34–37 (mit deutschsprachiger Übersetzung).
  6. Ulrich Dahmen: Psalmen und Psalter-Rezeption im Frühjudentum, Leiden 2003, S. 313.
  7. Ulrich Dahmen: Psalmen und Psalter-Rezeption im Frühjudentum, Leiden 2003, S. 314.
  8. Ulrich Dahmen: Psalmen und Psalter-Rezeption im Frühjudentum, Leiden 2003, S. 315.
  9. Ulrich Dahmen: Psalmen und Psalter-Rezeption im Frühjudentum, Leiden 2003, S. 316.
  10. Daniel Stökl Ben Ezra: Qumran, Tübingen 2016, S. 206 f.