Diglycolsäure

chemische Verbindung

Diglycolsäure ist eine aliphatische Dicarbonsäure bzw. die einfachste Oxadisäure, deren Acidität zwischen der von Essigsäure und Oxalsäure liegt.[4] Sie entsteht bei der Oxidation von Diethylenglycol DEG im Organismus und kann zu schweren Komplikationen mit tödlichem Ausgang führen.[5]

Strukturformel
Strukturformel von Diglycolsäure
Allgemeines
Name Diglycolsäure
Andere Namen
  • 2,2’-Oxydiessigsäure
  • Bis(carboxymethyl)ether
  • 3-Oxapentandisäure
  • 2-(Carboxymethoxy)essigsäure
  • Paraäpfelsäure
  • Diglycolic acid
Summenformel C4H6O5
Kurzbeschreibung

weiße[1] oder hellgelbe[2] geruchlose Flocken oder kristallines Pulver

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 110-99-6
EG-Nummer 203-823-5
ECHA-InfoCard 100.003.476
PubChem 8088
Wikidata Q5276305
Eigenschaften
Molare Masse 134,09 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt
pKS-Wert
  • pKs1 = 1,1−3[3]
  • pKs2 = 3,7−5[3]
Löslichkeit

sehr gut löslich in Wasser (417 g·l−1[1]), in Wasser bei 0 °C (209 g·l−1[3]), in Wasser bei 25 °C (715 g·l−1[3]), löslich in Ethanol[3], wenig löslich in Diethylether[3]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​305+351+338[2]
Toxikologische Daten

500 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Herstellung Bearbeiten

Bereits in den 1860er Jahren wurde von A. Wurtz[6] die Herstellung von Diglycolsäure durch Oxidation von Diethylenglycol mit konzentrierter Salpetersäure beschrieben.

 

Parallel dazu wurde von W. Heintz die Synthese aus Monochloressigsäure durch Erhitzen mit Natronlauge berichtet.[7]

 
Diglycolsäure aus Monochloressigsäure

In einer Variante mit Bariumhydroxid-Lösung als alkalisches Medium wird nach dem Ansäuern Diglycolsäure in 68%iger Ausbeute erhalten.[8]

Die Ausbeuten der beschriebenen Reaktionen sind für eine Nutzung im technischen Maßstab unbefriedigend. So liefert der einstufige Salpetersäureprozess auch in Gegenwart eines Oxidationskatalysators (Vanadium(V)-oxid) nur Ausbeuten an Diglycolsäure von 58–60 %.[9] In einem mehrstufigen Prozess der Salpetersäureoxidation bei 70 °C und mehrfachem Auskristallisieren, Eindampfen der Überstände und Rückführung der DEG-haltigen Mutterlauge können Produktausbeuten von bis zu 99 % (bezogen auf DEG) erzielt werden.[10]

Die Oxidation von DEG mit Luft, Sauerstoff oder Ozon vermeidet die Verwendung der teuren Salpetersäure und das unvermeidliche Entstehen nitroser Gase.[11] In Gegenwart eines Platin-Katalysators können bei der Luftoxidation von DEG Ausbeuten von 90 % erhalten werden.[12]

An einem Bismut-Platin-Kontakt sollen unter optimierten Reaktionsbedingungen Ausbeuten von 95 % erzielt werden.[13]

Auch die Oxidation von 1,4-Dioxan-2-on (p-Dioxanon), einem als Comonomer in bioabbaubaren Polyestern eingesetzten Lacton mit Salpetersäure oder Distickstofftetroxid mit Ausbeuten bis 75 % ist in einer Patentschrift[14] beschrieben.

 
Diglycolsäuresynthese aus 1,4-Dioxan-2-on

Eigenschaften Bearbeiten

Diglycolsäure ist sehr gut wasserlöslich und kristallisiert aus Wasser in monoklinen Prismen als weißer, geruchsloser Feststoff. Bei einer Luftfeuchtigkeit über 72 % und 25 °C entsteht das Monohydrat. Das kommerzielle Produkt ist die wasserfreie Form als freifließende Schuppen.[3]

Anwendungen Bearbeiten

Diester der Diglycolsäure mit (verzweigten) höheren Alkoholen können als Weichmacher für Polyvinylchlorid (PVC) mit vergleichbaren Eigenschaften wie Di-n-octylphthalat (DOP) Verwendung finden.[15]

Basische Lösungen von Diglycolsäure werden zur Entfernung von Kalkablagerungen bei Gas- und Ölbohrungen sowie in Anlageteilen wie Wärmetauschern oder Dampfkesseln beschrieben.[16]

Diglycolsäure kann als Diesterkomponente in homo- und copolymeren Polyestern, sog. Polyalkylendiglycolaten fungieren.

 
Vernetzte Polyalkylenglycolate

die bioverträglich und bioabbaubare sind und allein oder in Blends mit aliphatischen Polyestern als Gewebekleber, Knorpelersatz oder als Implantatmaterial eingesetzt werden können.[17]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Datenblatt Diglycolsäure zur Synthese bei Merck, abgerufen am 1. März 2015.
  2. a b c d e Datenblatt Diglykolsäure bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 1. März 2015 (PDF).
  3. a b c d e f g h W.M. Bruner, L.T. Sherwood, Jr.: Diglycolic acid – a new commercial dibasic acid. In: Ind. Eng. Chem. Band 41, Nr. 8, 1949, S. 1653–1656, doi:10.1021/ie50476a032.
  4. L. Bhattacharyya, J. Rohrer (Hrsg.): Appendix 1: DISSOCIATION CONSTANTS (pKa) OF ORGANIC ACIDS (AT 20 °C), in Applications of Ion Chromatography for Pharmaceutical and Biological Products. John Wiley & Sons, Inc., 2012, doi:10.1002/9781118147009.app1.
  5. A.A. Roscher, E. Jussek, T. Noguchi, S. Franklin: Fatal Accidental Diglycolic Acid Intoxication. In: Bull. Soc. Pharm. Environ. Pathol. Band III, Nr. 4, 1975 (eugenejussekmd.com [PDF]). PDF (Memento des Originals vom 29. Juni 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eugenejussekmd.com
  6. A. Wurtz: Umwandlung des Aethylens zu complicirten organischen Säuren. In: Liebigs Ann. Chem. Band 117, Nr. 1, 1861, S. 136–140, doi:10.1002/jlac.18611170114.
  7. W. Heintz: Ueber die Diglycolsäure (Paraäpfelsäure). In: Ann. Phys. Band 191, Nr. 2, 1862, S. 280–295, doi:10.1002/andp.18621910206.
  8. K.E. Füger: Synthese und katalytische Reduktion von Glykolsäure und Glykolsäureestern, Promotionsarbeit ETH Zürich. Juris-Verlag, 1959 (ethz.ch [PDF]).
  9. C. Erk: Condensation of diglycolic acid dichloride with polyglycols, 5. An improved synthesis of cyclic polyether-esters by cyclization. In: Liebigs Ann. Chem. Band 10, 1991, S. 1083–1084, doi:10.1002/jlac.1991199101186.
  10. Patent US4066691: Process for the production of pure diglycolic acid by oxidation if diethylene glycol with nitric acid. Angemeldet am 8. September 1976, veröffentlicht am 3. Januar 1978, Anmelder: Chemische Werke Hüls AG, Erfinder: M. Schröder.
  11. Patent US3879452: Method for making diglycolic acid, dipropionic acid and the salts thereof. Angemeldet am 18. Juni 1971, veröffentlicht am 22. April 1975, Anmelder: Conen Corp., Erfinder: G.E. Brown, Jr..
  12. Patent US4256916A: Oxidation of polyethylene glycols to dicarboxylic acids. Angemeldet am 15. August 1979, veröffentlicht am 17. März 1981, Anmelder: Eastman Kodak Co., Erfinder: D.L. Morris, W.J. Gammans, J.D. Holmes.
  13. Y-Y. Zhang, Z.-Y. Liang, Y.-D. Zhang: Preparation of Diglycolic Acid via Oxidation of Diethylene Glycol with Molecular Oxygen. In: Fine Chemicals. Mai 2012 (com.cn [PDF]).
  14. Patent US3952054: Process for preparing diglycolic acid. Angemeldet am 5. Dezember 1974, veröffentlicht am 20. April 1976, Anmelder: Monsanto Co., Erfinder: C.Y. Shen.
  15. Patent US3173888: Diesters of diglycolic acid and vinyl chloride polymers plastized therewith. Angemeldet am 13. November 1962, veröffentlicht am 16. März 1965, Anmelder: Eastman Kodak Co., Erfinder: P.T. von Bramer, R.M. Simons.
  16. Patent US3639279: Scale removal composition and method using salt of diglycolic acid and base at pH above 5. Angemeldet am 1. April 1969, veröffentlicht am 1. Februar 1972, Anmelder: Halliburton Co., Erfinder: T.R. Gardner, R.M. Lasater, J.A. Knox.
  17. Patent US5696178: Absorbable polyalkylene diglycolates. Angemeldet am 22. Juli 1996, veröffentlicht am 9. Dezember 1997, Anmelder: Ethicon, Inc., Erfinder: K. Cooper, A. Scopelianos.