Berührung (Mathematik)

Begriff aus der Mathematik

Die Berührung, Schmiegung oder Oskulation[1] ist ein Konzept aus dem mathematischen Teilgebiet der Geometrie. Zwei geometrische Objekte wie zum Beispiel Funktionsgraphen, Kurven oder gekrümmte Flächen berühren sich in einem gemeinsamen Punkt, wenn die Tangenten der beiden Objekte in diesem Punkt übereinstimmen. Dieser Punkt heißt Berührungspunkt. Die Tangenten können mit Hilfe der Differentialrechnung bestimmt werden.

Verallgemeinert besteht an einem gemeinsamen Punkt eine Berührung -ter Ordnung, wenn alle Ableitungen bis zur -ten Ordnung in diesem Punkt übereinstimmen.[1]

Berührung zweier Funktionen

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Sind   zwei auf einem Intervall   definierte Funktionen, die in einem inneren Punkt   von   differenzierbar sind, dann heißt   Berührpunkt von   und  , wenn gilt:[2]

 .

Man sagt dann auch, dass sich   und   im Punkt   berühren.

Diese Definition lässt zu, dass sich die Funktion   und   im Punkt   überkreuzen, wie etwa   und   im Punkt  . Dieser Fall lässt sich durch die zusätzliche Forderung ausschließen, dass   in   ein lokales Extremum haben soll. In der Literatur herrscht keine Einigkeit darüber, ob eine Überkreuzung auch als Berührung zählt.

Allgemeiner ist   ein Berührpunkt  -ter Ordnung von   und  , wenn   und   in a  -mal differenzierbar sind und ihre Ableitungen in   bis zur Ordnung   übereinstimmen, wenn also gilt:[2]

 für  .

Ein Berührpunkt 0-ter Ordnung ist ein Schnittpunkt, in Berührpunkt erster Ordnung ein gewöhnlicher Berührpunkt, und in einem Berührpunkt 2. Ordnung haben die beiden Funktionen auch die gleiche Krümmung.

Berührung zweier Kurven

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Das Konzept der Berührung zweier Funktionen kann ohne Weiteres auf glatte Kurven übertragen werden.

Sind   und   zwei glatte Kurven und existieren ein   und ein   mit

 ,

dann heißt   Berührpunkt der beiden Kurven   und  .

Entsprechend heißt ein Punkt   Berührpunkt  -ter Ordnung von zwei mindestens  -fach differenzierbaren Kurven   und  , wenn dort alle ihre Ableitungen bis zur Ordnung   übereinstimmen.[3]

In jedem Punkt einer ebenen Kurve, in dem die Tangente die Kurve nicht in höherer Ordnung berührt, gibt es einen eindeutig bestimmten Kreis, der die Kurve in diesem Punkt in höherer Ordnung berührt. Er wird Krümmungskreis oder Schmiegungskreis genannt.[4] Zum Beispiel ist der Einheitskreis um den Koordinatenursprung der Schmiegungskreis der Kosinus-Funktion im Punkt  .

Das Konzept der Schmiegung lässt sich nicht nur auf ebene Kurven anwenden, sondern auch auf Raumkurven und höherdimensionale geometrische Objekte. Eine Raumkurve kann in einem Punkt durch eine Schmiegebene beschrieben werden, die ihre Tangente und ihre Hauptkrümmungsrichtungen berücksichtigt.[4][5] Analog gibt es Schmiegkugeln, die Raumkurven ähnlich wie Krümmungskreise bei ebenen Kurven approximieren. Für Flächen treten Konzepte wie Schmiegparabeln oder oskulierende Quadriken auf, die die lokale Krümmung einer Fläche in einem Punkt erfassen.

Formell betrachtet bedeutet Schmiegung die Übereinstimmung der Jets einer bestimmten Ordnung. Während die Krümmungskreise und Oskulationsebenen sich auf die zweite Ordnung beziehen, kann dieses Konzept für höhere Ableitungen erweitert werden, sodass man etwa oskulierende Flächen oder mehrdimensionale Krümmungsobjekte erhält.[6]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. a b Heinrich Brauner: Differentialgeometrie. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-89712-1, S. 82 f. (google.de [abgerufen am 9. März 2025]).
  2. a b Berührung zweier Funktionen. In: Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 2. Auflage. Band 1: A bis Eif. Springer Spektrum, 2017, ISBN 978-3-662-53497-7, S. 195.
  3. Heinrich Brauner: Differentialgeometrie. Vieweg, Braunschweig 1981, ISBN 3-528-03809-8, S. 81.
  4. a b Emanuel Czuber: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-663-15772-4, S. 369 ff. (google.de [abgerufen am 9. März 2025]).
  5. Victor Andreevich Toponogov: Differential geometry of curves and surfaces: a concise guide. Birkhäuser, Boston 2006, ISBN 978-0-8176-4384-3, S. 8 f. (worldcat.org [abgerufen am 9. März 2025]).
  6. oskulierend. In: Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Mannheim/Heidelberg 2000, ISBN 3-8274-0439-8.