Benutzer:Wi-luc-ky/Diskussion über die Tolerierung einer Minderheitenregierung 2017

Als Kooperationskoalition, auch abgekürzt Koko oder KoKo[1], wird eine Koalition in Form der kooperativen Tolerierung einer Minderheitsregierung im Parlament bezeichnet.

Begriffsgeschichte Bearbeiten

Der Begriff kam nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen und mit dem wachsenden Widerstand innerhalb der SPD gegen eine Wiederauflage der Großen Koalition im Dezember 2017 auf und wird der Parteilinken der SPD zugeschrieben.[2]

Sprachlich ist er eine Analogiebildung zu „GroKo“, der Abkürzung für Große Koalition.[3]

Modell und Inhalte Bearbeiten

Bei dem Modell einer Kooperationskoalition soll eine Minderheitsregierung durch eine Kooperationsvereinbarung der Regierungspartei und einer weiteren Partei zu abgegrenzten Themenfeldern in die Lage versetzt werden, Gesetzesvorschläge leichter verabschieden zu lassen denn als bloße Minderheitsregierung. Andererseits bleibt den beteiligten Parteien die Möglichkeit offen, eigene Positionen klarer darstellen zu können und Gesetze demokratisch im Bundestag verhandeln zu können – auch mit wechselnden Mehrheiten. Anträge von anderen Parteien – im Deutschen Bundestag betrifft dies aus Sicht der SPD vor allem diejenigen von Linken und Grünen – müssten nicht mehr aus Koalitionsräson abgelehnt werden, obwohl sie im Wahlprogramm standen. Das Modell ist freier als eine Koalitionsregierung.[4]

Konkret gehe es „um fünf bis zehn Kernprojekte“ (Matthias Miersch),[2] die gemeinsam beraten und verabschiedet werden sollten.

Kontroverse Bearbeiten

Noch im Dezember 2017 warb auch SPD-Chef Martin Schulz mit diesem Modell der Kooperation um Zustimmung innerhalb der Sozialdemokratischen Partei für eine erneute Zusammenarbeit mit den Unionsparteien[4] – ergebnisoffen. Unmittelbar nach der Bundestagswahl im September war er als Parteichef noch für eine Erneuerung seiner Partei als stärkste Oppositionspartei im Bundestag eingetreten.[5] Weite Teile der SPD bewerteten den Koalitionsvertrag der 18. Wahlperiode des Bundestages von 2013 und vor allem auch die mit beiden Unionsparteien umgesetzten Ergebnisse als sehr kritikwürdig[4] und lehnten eine Neuauflage einer klassischen Regierung mit den Unionsparteien ab. Schon nach dem Jamaika-Aus bildete sich nicht nur unter Jungsozialisten eine „No more GroKo“-Bewegung, die ein Erstarken des rechten Randes in Gesellschaft und Politik bei einem „Weiter-so“ erwartete, genauso wie eine stärkere Positionierungsmöglichkeit extremer Ränder bei politischer Instabilität. Nach Sondierungsgesprächen zwischen SPD, CDU und CSU im Januar 2018 spitzte sich die GroKo-Kontroverse vor einem SPD-Parteitag in Bonn zu. Die „No GroKo“-Position mit Unterstützung einer Minderheitsregierung vertrat für die Jusos öffentlichkeitswirksam vor allem Juso-Vorsitzender Kevin Kühnert: die SPD verzwerge aus Hasenfüßigkeit wirklich auf Dauer; er warb für eine Neuausrichtung seiner Partei.[5]

Stimmen aus der CDU und CSU reagierten diesem Modell gegenüber fast unisono zurückhaltend bis ablehnend.[3][1]

Das Presseecho fiel weithin reserviert bis spöttisch aus.[6][7]

Andererseits wurden die Chancen für den Parlamentarismus[2] und die SPD[8] hervorgehoben.

Ähnliche Modelle Bearbeiten

Als die SPD 1993 in Hamburg ihre absolute Mehrheit verlor, ging sie eine Kooperation mit der STATT Partei ein, bei der zwei parteiunabhängige Senatoren von der Statt Partei nominiert wurden.

Nach der Nationalratswahl in Österreich 1999 stand der Gedanke zur Bildung einer SPÖ-Minderheitsregierung im Raum, wobei SPÖ-Chef Viktor Klima sowohl einzelne thematische Vorschläge[9][10] als auch Personalvorschläge (letztlich erfolglos) erörterte,[11][10] denen zufolge auch einige – von der FPÖ[11] und anderen Parteien geduldete – parteiunabhängige Experten Minister werden sollten.

Der Oppositionsvertrag war ebenfalls vergleichbares Modell in Tschechien zwischen 1998 und 2002.

Der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel sah in einer echten Kenia-Koalition in Deutschland wegen des Gleichgewichts der Lager im Regierungsbündnis eine Chance, Wolfgang Thierse und Gesine Schwan werteten ein solches Bündnis als kreativen Ausweg; doch für die Parteivorsitzende der Grünen Katrin Göring-Eckardt wäre Schwarz-Grün zu instabil, Schwarz-Rot-Grün wegen der Mehrheit von SPD (153 Mandate), CDU (200) und CSU (46) überflüssig, die Kanzlerinnenmehrheit läge bei 355 Stimmen; Union und SPD müssten „gut erklären, wofür sie uns brauchen“.[12] Auf dem Parteitag am 25. November beschlossen die Grünen ihre Bereitschaft für Verhandlungen zu einer Regierungsbeteiligung der Ökopartei auch an einer Minderheitsregierung.[13]

Bei den Verhandlungen nach der Landtagswahl in Südtirol 2018 existiert die Idee, keine Koalition, sondern einen Regierungsvertrag zwischen der Südtiroler Volkspartei und der Lega abzuschließen, der die drei Grundbekenntnisse zu Autonomie, Europa und friedlichem Zusammenleben festlegt und eine Reihe von konkreten Punkten aufführt, die die neue Landesregierung umsetzen soll.[14]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Kooperationsmodell. Union lehnt „KoKo“ ab. In: faz.net. FAZ, 12. Dezember 2017, abgerufen am 13. Dezember 2017 („CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, der Vorschlag erinnere ihn an eine ‚Krabbelgruppe‘.“).
  2. a b c dpa/tba: Deutschland. Völlig neue Regierungsform. Was das neue „KoKo“-Modell der SPD bedeutet. In: welt.de. Die Welt, 12. Dezember 2017, abgerufen am 13. Dezember 2017.
  3. a b dpa/tba: «KoKo» statt «GroKo»? SPD-Idee stößt auf Unions-Widerstand. In: welt.de. 12. Dezember 2017, abgerufen am 13. Dezember 2017.
  4. a b c Wie SPD und Union zusammen regieren könnten. In: Handelsblatt. 12. Dezember 2017, abgerufen am 19. Januar 2018.
  5. a b Frank Capellan, Moritz Küpper und Christoph Richter: Sondierungsergebnis auf dem Prüfstand – Das Ringen der SPD. In: Deutschlandfunk. 18. Januar 2018, abgerufen am 19. Januar 2018.
  6. Robert Roßmann: Regierungsbildung. Warum die Koko Kokolores ist. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung, 12. Dezember 2017, abgerufen am 13. Dezember 2017 („Die Debatte über eine Kooperationskoalition zeigt erneut, dass die SPD derzeit nicht regierungsfähig ist. Solch ein Bündnis mit Fremdgeh-Klausel kann nicht lange halten.“).
  7. Kiyaks Deutschstunde / Regierungsbildung: Kotzi, Ko-Opi, Koko oder doch wieder Kohl. Eine Kolumne von Mely Kiyak. In: zeit.de. Die Zeit, 13. Dezember 2017, abgerufen am 13. Dezember 2017 („Kooperationskoalition … eine total neue Phrase. Das wäre ähnlich innovativ wie eine Kooperationszusammenarbeit (Kotzi), Kooperationskoitus (Ko-Opi) oder die berühmte Kooperationsvermählung (Kohl).“).
  8. Politikforscher im Gespräch: Die Koko könnte die SPD retten. In: faz.net. 12. Dezember 2017, abgerufen am 13. Dezember 2017.
  9. SPÖ-Minister scheiden in Sorge. In: Wiener Zeitung. 8. Februar 2000, aktualisiert am 7. April 2005, abgerufen am 10. Februar 2018.
  10. a b Patrick Horvath: Der Bundespräsident und sein Einfluß auf die Regierungsbildung 1999 / 2000. In: 1012.at, abgerufen am 10. Februar 2018 (Seminararbeit).
  11. a b Fischer: „Wir waren schlicht zu naiv“. In: Der Standard. 12. Februar 2001, abgerufen am 10. Februar 2018.
  12. „Union und SPD müssten gut erklären, wofür sie uns brauchen“. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt im Interview mit Tobias Schmidt. In: Rhein-Neckar-Zeitung. 25. November 2017, abgerufen am 11. Februar 2018.
  13. Die Grünen schließen die Beteiligung an einer schwarz-grünen Minderheitsregierung nicht aus. In: welt.de. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 21. November 2018 (ursprünglich abgerufen am 11. Februar 2018, keine Mementos).@2Vorlage:Toter Link/www.welt.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  14. Christoph Franceschini: Grünes No Go! In: salto.bz. 20. November 2018, abgerufen am 21. November 2018.

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Kategorie:Parteienkoalition (Deutschland)