Ursachenforschung

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Ozon: NASA 2006: https://earthobservatory.nasa.gov/images/7122/chilly-temperatures-during-the-maunder-minimum. Dazu zuletzt 2018:[1]: Implications of potential future grand solar minimum for ozone layer and climate. Atmos. Chem. Phys., 18, 3469–3483, 2018 https://doi.org/10.5194/acp-18-3469-2018 https://www.atmos-chem-phys.net/18/3469/2018/acp-18-3469-2018.pdf


Klimatische Auswirkungen

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Der an den Universitäten St. Andrews, British Columbia (UBC), Yale und Ohio State (OSU) lehrende Historiker Geoffrey Parker hat die klimatischen Auswirkungen des Maunders-Minimum beschrieben. In Global Crisis stellt er sie in einen Zusammenhang zu den Wirren und Kriegen des 17. Jahrhunderts.[2][3][4] Zusätzlich zu historischen Nachrichten, archäologischen und instrumentellen Daten (human archive) nennt Parker vier klimageschichtliche Quellen (natural archive) als Klimaproxys: Eisbohrungen geben Hinweise auf vulkanische Ereignisse, Niederschlagshäufigkeit, Lufttemperatur und atmospärische Zusammensetzungen. Die Palynologie lässt über größere Zeiträume klimatypische Pflanzengesellschaften erkennen, während die Dendrochronologie jahrindividuelle Gegebenheiten reflektiert. Speläotheme (Höhlenminerale)zeigen schließlich Grundwasserzyklen oder Permafrostzeiten an.[5] In jüngerer Zeit ist die Coralline Rotalge als sensibles Klimaproxy für arktische Gebiete hinzugekommen.[6] Seine Beschreibungen sind im Folgenden um jüngere Forschungsergebnisse ergänzt.

Mitteleuropa

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1620-21 war ein ungewöhnlich kalter Winter, die Zuiderzee und viele Flüsse waren zugefroren. Der Sommer 1627 gerite zum feuchtesten Sommer der vergangenen 500 Jahre. 1628 war das Jahr ohne Sommer, sodass kaum eine Ernte reifte. Zwischen 1629 und 1632 litt der größte Teil Europas unter schweren Regenfällen, gefolgt von Trockenheiten. Im Frühling 1640 erlebte Katalonien eine schwere Trockenheit. Dagegen durchbrach im Frühjahr 1642 der Guadalquivir die Dämme und überflutete Sevilla. Die Jahre 1640 bis 1643 waren wiederum die trockensten je berichteten Jahre in Andalusien. In Böhmen vernichteten wiederholte Sommerfröste die Ernte. In den Alpen legten während der 1640er Jahre die Bäume ungewöhnlich enge Jahrringe an; die Gletscher stießen 2000 Meter weiter als zuvor vor und ließen Felder, Höfe und ganze Ortschaften verschwinden. Im östlichen Frankreich begann zwischen 1640 und 1643 die Weinernte einen vollen Monat später als üblich und die Getreidepreise stiegen wegen schlechter Ernten. In den Niederlanden sorgten Überflutungen der Maas in der Folge der Schneeeschmelze im Frühjahr 1643 für schwerste Überschwemmungen. Häuser wurden weggeschwemmt, in den Hecken hingen Menschen- und Tierleichen, in den Ästen sogar der höchsten Bäume sah man tote Kühe, Schafe und Hühner. Ungarn sah trockenes und kaltes Wetter zwischen 1638 und 1641. Der Söldner Peter Hagendorf, Verfasser des einzigen Berichtes aus dem Söldnerleben des Dreißigjährigen Krieges, teilt darin mit, dass am 7. August (!) 1640 drei Menschen auf der Straße erfroren seien, ein Reiter, eine Frau und ein Kind; in den Quartieren hätten sich die Soldaten fast zu Tode gefroren.[7]< Im Juni 1643 hatte seiner Truppe bei Sigmaringen das Wasser bis zu den Knien gestanden, weil es so regnete; zwei Soldaten wurden vom Blitz erschlagen. In Mühlhausen (Thüringen) erlebte er im Jahre 1641 einen so starken Sturm, dass es die Wagen auf freiem Feld umgeworfen habe. 1645 habe ein Unwetter bei Würzburg „alle Früchte, Wein und Bäume“ vernichtet.[8]

England, Schottland, Irland

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Vergleich von Sonnenzyklen (oben), den von 1650 an registrierten Central England Temperature (CET) (unter den 17 kältesten Jahren gehören 11 dem Maunder-Minimum an) und (unten) Anomalien der NHT (Nordatlantischen Oszillation) </ref>

In England wurden im August 1640 ungewöhnlich kalte Temperaturen sowie Stürme und Trockenheit vermerkt. In Irland begannen Frost und Schneefall 1641 bereits im Oktober als Start in den bittersten Winter jemals gesehen. Ein Landeigner auf der Isle of Wight beklagte 1648, es habe zwischen Mai und dem 15. September kaum drei trockene Tage gegeben.

Island, Grönland, Skandinavien

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In Island ruinierte 1640 das schlechte Wetter die Heuernte, und die Bauern begannen die Kühe mit getrocknetem Fisch zu füttern.

In der Sahelzone gab es 1614-1619 große Trockenheit. 1641 fiel der Nil auf den niedrigsten je gemessenen Pegel. Die Regionen Senegambia und Oberer Niger sahen zwischen 1640 und 1644 schwerlastende Trockenheiten. Angolanische Berichte weisen auf anhaltende Dürren, Heuschreckenplagen und Epidemien durch das zweite Viertel des 17. Jahrhunderts mit Trockenheit und Hunger in den Jahren 1639 bis 1645.

Kleinasien

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Der Bosporus war 1621-22 zugefroren. Im März 1640 reichte der Schnee Pferden bis zu den Knien. 1641 überflutete Regen die Gebiete um die Hagia Sophia.

Nordamerika

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Von 1616 bis 1621 bedrohten Trockenheiten das Hochlandgebiet Valle de México sowie das Chesapeake Becken. Von 1640 bis 1644 beeinträchtigten Frost und Trockenheit das Baumwachstum der gesamten westlichen Vereinigten Staaten. Die kanadischen Rockies erlebten schwere Trockenheiten von 1641 bis 1653. 1640, 1641 und 1642 erlebte das Valle de México weitere extreme Trockenheiten. Im Jahre 1642 war die 100 km lange und 40 km breite Massachusetts Bay vollständig gefroren; die südlich gelegene Chesapeake Bay war fast völlig gefroren, ebenso ihre großen Zuflüsse. Englische Siedler an der Küste von Main beklagten den unerträglich beißenden Winter.

Südamerika

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In Chile herrschte in den 1630er Jahren eine große Dürre. Gletscherwachstum, enge Baumjahrringe und C14- Anomalien zeigen für das Patagonien der 1640er Jahre ein signifikant kälteres Wetter.

1641 fiel der erste Schnee in Edo (Tokio) am 28. November anstelle des 5. Januar wie im langjährigen Durchschnitt.

1618 fielen im subtropischen Fujian große Schneemengen. Für vier Provinzen wird ein strenger Winter für das Jahr 1620 berichtet. 1640 und 1641 war der nördliche Teil des Kaiserkanals wegen Regenmangels ausgetrocknet. Im unteren Yangtsetal wurden dagegen im Frühling 1642 unnormale Regenmengen und Kälte berichtet.

In Nordindien folgten zwischen 1629 und 1632 einer vollständigen Trockenheit Monsunzeiten mit katastrophalen Überflutungen.

Zu den Monsunüberflutungen gibt es speleotheme Untersuchungen: Der indische Sommermonsun kennt zeitweiliges Auftreten von verstärkten (active) und schwachen (break) Niederschlägen, und zwar in einer Ost-West gerichteten und gegensätzlichen, quasi dipolischen Weise. Aus Höhlen Zentral- (= West) und Nordostindiens (= Ost) wurden Stalakatitenproben untersucht, deren absolut datierte Sauerstoffisotope eine entsprechende Antwort auf active- und break- Zustände zeigten. Es wurde eine break-dominierte Zeit zwischen ~ 1400 und 1700 und eine active-dominierte Periode zwischen ~ 1700 und 2007 erkannt. Das Umschwenken vom einen zum anderen Monsunregime geschah in der Zeit zwischen ~ 1650 und 1700, der Zeit des Maunder-Minimums. Es wurde durch ein abruptes Ansteigen der Monsunwinde aus dem Arabischen Meer hervorgerufen. [9]

Indonesien

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1641 und 1642 fiel in Indonesien die Reisernte aus. Zwischen 1643 und 1671 erlebte Java die längste Trockenperiode der letzten vier Jahrhunderte.

Philippinen

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1642 bis 1644 führte eine große Trockenheit auf dem ganzen Archipel zu Hungersnöten.

Antarktis

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Steinhilber et al. haben aus der holozänen Fraktion der antarktischen Eisbohrkerne South Pole (1.107 bis 32 BP) und Dome Fuji (1.255 bis 75 BP) den Isotopenanteil Beryllium 10 mit BE-10 Daten aus den grönländischen Bohrkernen North-Grip (561 bis 44 BP), Dye-3 (526 bis 35 BP) und Milcent (769 bis 148 BP) verglichen.[10] In allen Dataplots zeigt sich das Maunder-Minimum deutlich. In den antarktischen Kernen spiegelt sich das Spohrer-Minimum stärker wider als das Maunder-Minimum. Die Kleine Eiszeit (1420-1820/50) zeigte sich im US-amerikanischen Bohrprojekt West Antarctic Ice Sheet Divide mit im Duchschnitt 0.52 ± 0.28°C kälter als der Schnitt der vergangenen hundert Jahre, der Hälfte der Temperaturamplitude des Greenland Ice Core Project (GRIP).[11]

Einzelnachweise

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  1. Pavle Arsenovic et al.: Implications of potential future grand solar minimum for ozone layer and climate. In: Ulrich Pöschl, Ken Carslaw, Maria Cristina Facchini, Thomas Koop, Rolf Sander (Hrsg.): Atmos. Chem. Phys. Band 18. Copernicus Publications, im Auftrag der European Geosciences Union (Deutschland), 2018, ISSN 1680-7316, S. 3469–3483 (atmos-chem-phys.net [PDF]).
  2. Geoffrey Parker: Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century. Yale University Press, New Haven, London 2013.
  3. Geoffrey Parker: Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century. Abridged and Revised Eidtion. 2. gekürzt und überarbeitete Auflage. Yale University Press, New Haven 2017, ISBN 978-0-300-15323-1.
  4. Rezensionen zu Global Crisis: Adrianna Catena, Guido van Meersbergen: Geoffrey Parker, Global Crisis (2017) – Global History Reading Group. Global History and Culture Centre, Department of History, University of Warwick, United Kingdom, 11. Dezember 2017, abgerufen am 30. Januar 2019 (englisch): „stands in need of being widely heard;Christopher Booker: Global Crisis, by Geoffrey Parker - review. In: The Spectator. Fraser Nelson, 1. Juni 2013, abgerufen am 1. Februar 2019 (englisch).; Anke Fischer-Kattner: Geoffrey Parker: Global Crisis. In: Sehepunkte, Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften. Jürgen Dendorfer, Andreas Fahrmeir, Peter Helmberger, Hubertus Kohle, Mischa Meier, Matthias Schnettger, in Verbindung mit dem Herder-Institut, Marburg, und dem Institut für Zeitgeschichte, München-Berlin, 2013, abgerufen am 1. Februar 2019.; Markus Vink: Geoffrey Parker, Global Crisis: War, Climate Change, and Catastrophe in the Seventeenth Century. In: John W. Boyer, Jan E. Goldstein University of Chicago (Hrsg.): The Journal of Modern History. Band 86, Nr. 3, September 2014, S. 640–642, doi:10.1086/676693 (englisch).
  5. Geoffrey Parker: Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century. Abridged and Revised Eidtion. 2. gekürzt und überarbeitete Auflage. Yale University Press, New Haven 2017, ISBN 978-0-300-15323-1, S. XIV-XV.
  6. Jochen Halfar et al.: Arctic sea-ice decline archived by multicentury annual-resolution record from crustose coralline algal proxy. In: National Academy of Sciences (Hrsg.): Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 110, Nr. 49, 3. Dezember 2013, S. 19737–19741.
  7. Jan Peters (Hrsg.): Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte. Band 1. Akademie Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-05-001008-8, S. 108–109.; Marco von Müller: Das Leben eines Söldners im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648). Magisterarbeit am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin am Friedrich-Meinecke-Institut. 2005, S. 21, abgerufen am 5. Februar 2019.
  8. Jan Peters (Hrsg.): Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte. Band 1. Akademie Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-05-001008-8, S. 158.
  9. Ashish Sinha et al.: A 900-year (600 to 1500 A.D.) record of the Indian summer monsoon precipitation from the core monsoon zone of India. In: American Geophysical Union (Hrsg.): Geophysical Research Letters. Band 34, L16707. Washington DC 21. August 2007, doi:10.1029/2007GL030431 (englisch).
  10. Friedhelm Steinhilber et al.: 9,400 years of cosmic radiation and solar activity from ice cores and tree rings. In: Timothy Patterson, Carleton University (Ottawa), und National Academy of Sciences (Hrsg.): Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 109, 17. April 2012, ISSN 0027-8424, S. 5967–5971 u. Fig. 2, doi:10.1073/pnas.1118965109 (als PDF verfügbar: https://www.pnas.org/content/pnas/109/16/5967.full.pdf).
  11. Anais J. Orsi: Little Ice Age cold interval in West Antarctica: Evidence from borehole temperature at the West Antarctic Ice Sheet (WAIS) Divide. In: American Geophysical Union (Hrsg.): Geophysical Research Letters Volume. Band 39, Nr. 9. Washington DC 9. Mai 2012, S. Fig. 3–4, doi:10.1029/2012GL051260.