Antiimperialistische Zellen

bewaffnete Organisation

Die Antiimperialistische Zellen (AIZ) war eine in den 1990er-Jahren aktive linksextreme Terrorgruppe in Deutschland[1][2][3], die sich in ihren Bekennerschreiben[4] positiv auf islamistische Organisationen bezog und dadurch in der linksextremen Szene umstritten und isoliert war.[5]

Anschläge Bearbeiten

Die AIZ sah sich selbst als Nachfolger der Rote Armee Fraktion, die kurz vor dem ersten schriftlichen Auftreten der AIZ einen Verzicht auf bewaffnete Anschläge verkündet hatte. In einer Erklärung formulierten sie ihre Ziele 1994 so: „Unsere Politik wird dahingehend orientiert sein, dort militant/bewaffnet anzugreifen, wo die BRD-Eliten ihre Arbeitsplätze bzw. ihre Wohnsitze haben.“[6]

In den Jahren 1992–1996 verübte die AIZ Brand- und Sprengstoffanschläge. Am 25. Februar 1996 wurden die beiden einzig bekannten Mitglieder Bernhard Falk und Michael Steinau festgenommen. Die Zerschlagung der AIZ gelang durch eine Zusammenarbeit von Polizei und NRW-Verfassungsschutz. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte am 1. September 1999 Falk und Steinau unter anderem wegen vierfachen versuchten Mordes zu 13 beziehungsweise 9 Jahren Haft.[5]

Während der Ermittlungen war die Polizei von einer weit größeren Zahl von Tatbeteiligten ausgegangen.[7]

Die „Antiimperialistische Zelle“ meldete sich erstmals mit einem Positionspapier vom 22. Mai 1992 zu Wort.[5]

Von 1992 bis 1995 verübte die AIZ neun Anschläge in Deutschland:[7][5]

  • 21. November 1992 – Brandanschlag auf die juristische Fakultät der Universität Hamburg
  • 18. August 1993 – Brandanschlag auf die Wohnung eines GSG-9-Mitgliedes in Solingen
  • 17. November 1993 – Schußwaffenanschlag auf den Sitz des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall in Köln
  • 5. Juli 1994 – Sprengstoffanschlag auf die Geschäftsstelle der CDU in Düsseldorf
  • 24./26. September 1994 – Versuchter Sprengstoffanschlag auf das Gebäude der Landesgeschäftsstelle der FDP in Bremen
  • 22. Januar 1995 – Sprengstoffanschlag gegen das Wohnhaus des ehemaligen parlamentarischen Staatssekretärs Volkmar Köhler in Wolfsburg
  • 23. April 1995 – Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des CDU-Bundestagsabgeordneten Joseph-Theodor Blank in Erkrath bei Düsseldorf
  • 17. September 1995 – Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des CDU-Bundestagsabgeordneten Paul Breuer in Siegen-Geisweid
  • 23. Dezember 1995 – Bombenanschlag auf das Konsulat des Staates Peru in Düsseldorf

Verurteilung und Haft Bearbeiten

Am 25. Februar 1996 wurden Falk und Steinau festgenommen und beim OLG Düsseldorf unter Vorsitz von Richter Ottmar Breidling vor Gericht gestellt.[8] Die beiden Angeklagten wurden im Jahr 1999 wegen versuchten Mordes und Sprengstoffverbrechen zu 13 bzw. 9 Jahren Gefängnis verurteilt. Eine Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung erfolgte nicht, da dies erst ab mindestens drei Personen möglich gewesen wäre. Im Januar 2001 wurde die Verurteilung vom Bundesgerichtshof bestätigt.[9][10]

Falk wandte sich wegen der GPS-Überwachung bei den Ermittlungen an höhere Gerichte. In Grundsatzurteilen bestätigten 2005 das Bundesverfassungsgericht[11][12] und 2010 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Rechtmäßigkeit der GPS-Überwachung.[13][14][15]

Vom 19. April 1996 bis zum 7. Mai 1996 unternahmen Bernhard Falk und Michael Steinau im Gefängnis einen Hungerstreik gegen die angeblich unmenschlichen U-Haftbedingungen. Der Hungerstreik blieb in der linken Szene ohne Widerhall.[7]

In der Jungle World wurde 1997 darüber berichtet, dass Michael Steinau in der Justizvollzugsanstalt Lübeck im ebenfalls dort einsitzenden Neonazi Kay Diesner einen neuen Freund gefunden habe.[16][17] Bernhard Falk wurde im Juli 2008 vorzeitig entlassen, er ist inzwischen Anhänger des Salafismus und nennt sich Muntasir bi-llah.[18][19]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Frank Jansen: Richter Zweifellos. pnn.de, 5. März 2010, archiviert vom Original am Oktober 2014; abgerufen am 5. Februar 2015. sowie
    Frank Jansen: Sauerland-Prozess – Richter Zweifellos. tagesspiegel.de, 4. März 2010, abgerufen am 5. Februar 2015.
  2. Jürgen Marks: AIZ – Bombige Kumpane. focus.de, 17. November 1997, abgerufen am 5. Februar 2015.
  3. AIZ-Umfeld überwachen. berliner-zeitung.de, 26. April 1995, archiviert vom Original am 23. Oktober 2014; abgerufen am 5. Februar 2015.
  4. Bekennerbrief des AIZ Duos bezüglich den Anschlag auf Paul Breuer
  5. a b c d Die Antiimperialistische Zelle. mik.nrw.de, archiviert vom Original am 7. Oktober 2014; abgerufen am 5. Februar 2015.
  6. radikal (Zeitschrift) Nr. 151, Dezember 1994, S. 28f
  7. a b c AIZ: Bombige Kumpane von Jürgen Marks, Focus, 17. November 1997
  8. Khomeinis Kinder vor dem Kadi (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive) Bericht über AIZ von Uli Dillmann, Jungle World 47/1999
  9. Urteil vom 24. Januar 2001 (BGH 3 StR 324/00), Bundesgerichtshof
  10. Observationen durch das Navigationssystem „Global Positioning System“ zulässig (Memento vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive) (PDF; 70 kB) Bundesgerichtshof Pressestelle zum BGH Urteil vom 24. Januar 2001 – 3 StR 324/00
  11. Urteil vom 12. April 2005 (2 BvR 581/01) (Memento vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive), Bundesverfassungsgericht
  12. Bundesverfassungsgericht: GPS-Überwachung Krimineller ist rechtens Stern, 12. April 2005
  13. Rechtssache U. gegen DEUTSCHLAND (Individualbeschwerde Nr. 35623/05) Urteil vom 2. September 2010, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
  14. Urteil aus Straßburg: Straftäter-Überwachung aus dem All Süddeutsche Zeitung, 2. September 2010
  15. Antiimperialistische Zellen: Überwachung mittels GPS ist erlaubt taz, 2. September 2010
  16. Neonazis – Stiefbrüder der Linken? Was hat Kay Diesner von der Linken gelernt?, Jungle World 28. August 1997
  17. Eine Zwei-Mann-Zelle, In Düsseldorf beginnt der Prozeß gegen die beiden mutmaßlichen AIZ-Mitglieder, von Uli Dillmann, Jungle World 13. November 1997
  18. Islamist aus Dortmund droht mit Glaubenskrieg WAZ, 9. Juni 2012
  19. Der Salafist, der das Kanzleramt fotografierte, Die Welt, 27. September 2013