Justizvollzugsanstalt Düsseldorf

Justizvollzugsanstalt in Ratingen im Kreis Mettmann
(Weitergeleitet von Ulmer Höh)

Die Justizvollzugsanstalt Düsseldorf ist eine in Ratingen im Kreis Mettmann angesiedelte Justizvollzugsanstalt für erwachsene männliche Gefangene sowie Arrestanten. Von 1893 bis zum Februar 2012 befand sich das Gefängnis in Düsseldorf-Derendorf. In der Häftlings- und Umgangssprache wurde der alte Standort aufgrund der Postadresse Ulmenstraße 95 und der leicht erhöhten Lage als „Ulmer Höh’“ oder auch kurz als „die Ulm“ bezeichnet.

Justizvollzugsanstalt Düsseldorf
Informationen zur Anstalt
Name Justizvollzugsanstalt Düsseldorf
Bezugsjahr 1893
Haftplätze 850[1]
Anstaltsleitung Charlotte Narjes (LRD'in)

Geschichte Bearbeiten

 
Altes Stadtgefängnis („Kriminalgefängnis“) Düsseldorf
 
Lageplan Königliches Zellengefängnis, 1893
 
Peter Ludwigs, Mutter B. Zeigt eine alte Frau, die anklagend auf drei Leichen weist. Im Hintergrund das Gefängnis Ulmer Höh, 1937

Mehr als 100 Jahre war die Justizvollzugsanstalt (JVA) Ulmer Höh’ im Stadtteil Derendorf ansässig. Die Strafanstalt löste das alte, um 1780 eingerichtete Stadtgefängnis an der Akademiestraße 1 ab.[2][3] Am Zugang Schulstraße, ehemalig Nr. 2a, sind noch die Mauerreste der alten Königlichen „Arrest- und Correktionsanstalt“ vor dem Düsseldorfer Filmmuseum vorhanden.

Das etwa 3,2 Hektar[4] große Areal lag Ende des 19. Jahrhunderts noch außerhalb einer dichten Besiedelung. Das Gefängnis mit Gefängniskrankenhaus wurde ab 1889 nach Plänen von Emil Hasenjäger auf einer Anhöhe errichtet und 1893 eröffnet. Schon vor der Gesamtfertigstellung war in 1891 das sogenannte „Weiberhaus“ fertiggestellt worden. Ob es sich bei der Anhöhe um einen ehemaligen Hinrichtungsplatz handelt, ist nicht belegt. Der letzte öffentliche Richtplatz auf dem Geisterberg in Derendorf wurde 1803 aufgegeben. Diese Hügelkuppe lag 350 Meter entfernt von dem Neubau der JVA an der Ulmenstraße.

Das Zuchthaus wurde nach damals modernen Gesichtspunkten im Kreuzbau als preußisches Zellengefängnis errichtet. Der preußische Bauboom von Gefängnissen hatte schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit den Anstalten Köln-Klingelpütz (1834), Berlin-Moabit (1842) und Münster (1853) begonnen. Im heutigen Nordrhein-Westfalen gehören hierzu die Gefängnisse Herford (1882), Siegburg (1893), Willich-Anrath (1900), Remscheid-Lüttringhausen (1902) und Werl (1905).

In der Zeit von 1892 bis 1934 sollen acht Hinrichtungen wegen Mordes erfolgt sein. Eine Reihe historischer Rechtsfälle und viele Begebenheiten der Geschichte der Stadt Düsseldorf sind mit der „Ulmer Höh'“ verknüpft, wie etwa die Separatistenaufstände von 1919 und 1923, der Schlageter-Anschlag, die Mordserie von Peter Kürten, die Majdanek-Prozesse oder die RAF-Prozesse der 1970er Jahre.

Die Ulmer Höh’ gehörte bis 1933 zum Sprengel des Strafvollzugsamts Düsseldorf, danach war der Generalstaatsanwalt für den dortigen Strafvollzug zuständig. Während der gesamten Zeit des Nationalsozialismus war die staatliche Gefangenenanstalt ein Ort politischer Haft, Willkür und Misshandlungen. Hierher wurden bereits nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 mehr als 300 „verdächtige“ Düsseldorfer in Schutzhaft genommen und inhaftiert. Die meisten davon waren politische Gegner, wie Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Kommunisten. Mehrere jüdische Bürger, in die Ulmer Höh’ verschleppt, kamen dort unter ungeklärten oder offensichtlich verschleierten Umständen ums Leben. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges wurden auch verstärkt ausländische Fremd- oder Zwangsarbeiter inhaftiert. Am 28. April 1944 traf ein alliierter Luftschlag die Haftanstalt. Die Gefangenen waren zu der Zeit im Luftschutzkeller des im Areal befindlichen Bezirkskrankenhauses untergebracht. Aber auch dieses wurde getroffen. Der Angriff forderte 36 Todesopfer. Am 2. November 1944 starben 12 Gefangene im Bombenhagel. Anfang 1945 wurden die noch lebenden Gefangenen nach Wuppertal, Lüttringhausen und zu anderen Haftstätten evakuiert. Für die politischen Häftlinge ist das Kriegsende am 8. Mai 1945 die Befreiung. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aus dem „Weiberhaus“ ein Jugendhaus für männliche jugendliche Untersuchungsgefangene.

Nach dem Verbot der FDJ 1951 wurden Kinder von Antifaschisten, die zwischen 1933 und 1945 dort eingekerkert waren, im selben Gefängnis inhaftiert. waren – mehrheitlich Mitglieder der FDJ, viele auch der KPD. Ihr „Vergehen“ war das Eintreten für ein einiges Deutschland und ihr Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands. Sie wurden deshalb wegen „Hochverrats“ oder „Geheimbündelei“ verurteilt.[5]

Mit der Eröffnung des Justizvollzugskrankenhauses Nordrhein-Westfalen wurde das chirurgische Gefängniskrankenhaus in der JVA Düsseldorf 1986 geschlossen. Mit einer Behördenreform von 1970 wurden die Justizvollzugseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen nach dem Vorbild der heutigen Landschaftsverbände auf zwei Mittelbehörden (Justizvollzugsämter) aufgeteilt, die eine im Rheinland, mit Sitz in Köln, und die andere in Westfalen-Lippe, mit Sitz in Hamm. Die Ulmer Höh’ gehörte, bis zu dessen Auflösung, dem Justizvollzugsamt Rheinland an. Bis auf die Kapelle, die umgebaut werden soll, wurden die Gebäude für Wohnungen abgerissen.[6]

Männerhaus Bearbeiten

Im Männerhaus, dem größten und ältesten Bautrakt, wurden überwiegend Freiheitsstrafen zwischen mindestens drei und maximal 48 Monaten sowie Untersuchungshaften vollstreckt. Es konnte bis zu 529 Gefangene aufnehmen. Strafgefangene und Untersuchungsgefangene saßen in getrennten Abteilungen. Bereits verurteilte Personen sollten während ihrer Inhaftierung auf ein straffreies Leben vorbereitet werden. Weitere Abteilungen waren die Aufnahmeabteilung, die alle Untersuchungsgefangene durchliefen, und die Abstinenzorientierte Abteilung, in der Gefangene auf eine Drogentherapie außerhalb des Vollzuges vorbereitet wurden.

Neubau in Ratingen Bearbeiten

 
Justizvollzugsanstalt hinter dem Erholungspark Volkardey in Ratingen

Der Neubau der Justizvollzugsanstalt liegt an der Oberhausener Straße in Ratingen auf einem Grundstück direkt an der Stadtgrenze zu Düsseldorf. Die Eröffnung war 2012. Er hat über 125.000 Quadratmeter Gesamtfläche und seine Erstellung kostete 180 Millionen Euro. Es bestehen 855 statt bisher 470 Haftplätze.[7] Bis Ende 2011 gehörten zum Gesamtkomplex noch das Hafthaus Neuss und ein Jugendhaus. Abgesehen von wenigen Gemeinschaftszellen werden die Gefangenen überwiegend in Einzelzellen mit einer Fläche von 10,5 Quadratmetern und angeschlossener Nasszelle untergebracht. Fünf Hafträume verfügen über eine barrierefreie Ausstattung. Auf ca. 26.000 Quadratmetern Hauptnutzfläche der neuen JVA ist auch für die Freizeitgestaltung ausreichend Platz vorhanden: Ein Fußballfeld mit Kunstrasen sowie eine unterteilbare Sporthalle ermöglichen zahlreiche sportliche Aktivitäten. Ein Freizeitzentrum mit einem großen Raum für kulturelle Veranstaltungen, einer Kapelle und einem „multireligiösen Raum“ trägt sozialen, kulturellen und religiösen Bedürfnissen Rechnung.[8]

Übergangshaus Bearbeiten

Das Übergangshaus in Düsseldorf-Gerresheim (Heyestr. 63, 40625 Düsseldorf) ist eine Einrichtung des offenen Vollzugs und kann 34 Inhaftierte aufnehmen.[9] Im Gegensatz zum geschlossenen Vollzug können die Inhaftierten außerhalb der Justizvollzugsanstalt einer Arbeit, Ausbildung oder Weiterbildung nachgehen. An Wochenenden besteht für sie zusätzlich die Möglichkeit auf Ausgang oder Urlaub. Für Unterkunft und Verpflegung zahlt der Inhaftierte einen Haftkostenbeitrag. Über das restliche Einkommen darf frei verfügt werden. Die Mitarbeiter des Allgemeinen Vollzugsdienstes helfen unter anderem bei der Arbeitsplatzsuche sowie Schuldenregulierung und halten Kontakt zum Arbeitgeber.

Zuständigkeit Bearbeiten

Die JVA Düsseldorf ist zuständig für die Vollstreckung von:

Die Zuständigkeiten der Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen sind im Vollstreckungsplan des Landes NRW geregelt (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28 -).[11]

Freizeit der Gefangenen Bearbeiten

Ulmer Echo

Seit 1975 ist die Gefangenenzeitung „Ulmer Echo“ das zentrale Medium im Gefängnis und nach außen. 1400 Menschen außerhalb der Mauern lesen das Magazin, das in der Regel vier Mal im Jahr erscheint. Herausgeber ist der Gefängnisseelsorger Dominikanerpater Wolfgang Sieffert. Zwei Gefangene werden als Redakteure von der Anstalt bezahlt.

Kirchenchor

Seit 1984 existiert ein durch Lioba Lichtschlag geleiteter Chor, der die Sonntagsmesse musikalisch begleitet.[12][13][14]

Berühmte Häftlinge Bearbeiten

Weihnachtskonzert Bearbeiten

Im Dezember 1995 gab die Punk-Rock-Band Die Toten Hosen kurz vor Heiligabend ein Weihnachtskonzert in der JVA Düsseldorf für die Inhaftierten.[16]

Projekt „Knastmasche“ Bearbeiten

Unter dem Label „Knastmasche“ produzieren Häftlinge in der Arbeitstherapie selbstgehäkelte Mützen (Boshis), die über das Portal knastladen.de zum Verkauf angeboten werden. Als Markenzeichen weisen die Mützen zum Gitter gekreuzte Wollfäden auf.[17][18][19]

Weblinks Bearbeiten

Commons: Justizvollzugsanstalt Düsseldorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur Bearbeiten

  • Hanna Eggerath: Politisch Inhaftierte in der Nachkriegszeit „auf der Ulm“, Hrsg. VVN-BdA Düsseldorf, 2022.[20][21]
  • Bastian Fleermann: Ulmer Höh'. Das Gefängnis in Düsseldorf-Derendorf im Nationalsozialismus, Düsseldorf 2021.
  • Herbert Schmidt: „Beabsichtige ich, die Todesstrafe zu beantragen“. Die nationalsozialistische Sondergerichtsbarkeit im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf 1933 bis 1945. (= Düsseldorfer Schriften zur neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens. 49). Essen 1998.
  • Frank Troschitz: Die handschriftlichen Erinnerungen des Düsseldorfer Justizwachtmeisters Albert Baruth an die Zeit des Nationalsozialismus. In: Düsseldorfer Jahrbuch. 65, 1994, S. 185–216.
  • Peter Baumöller, Andreas Kussmann: Verfolgung und Widerstand in Düsseldorf 1933–1945. Ein Stadtführer. Hg. vom Deutschen Gewerkschaftsbund, Kreis Düsseldorf. Düsseldorf 1989
  • Peter Hüttenberger: Düsseldorf in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Hugo Weidenhaupt (Hrsg.): Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Band 3: Die Industrie und Verwaltungsstadt. Düsseldorf 1989, S. 421–657.
  • Wolfgang Funken: Düsseldorfer Galgenplätze. Historische Richtstätten in der Landeshauptstadt 1371–1803, Düsseldorf 2022

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. http://www.jva-duesseldorf.nrw.de/wir/behoerdenpraes/maennerhaus/index.php
  2. Königliche Arrest- und Correktionsanstalt (Akademiestraße 1); Königliches Zellengefängnis (Ulmenstraße 143), in Adressbuch der Stadt Düsseldorf für das Jahr 1893, S. 745
  3. Königliche Straf- und Untersuchungsgefängnis: Königliche Strafanstalt "Zellengefängnis" (Ulmenstraße 143); Königliche Arrest- und Correktionsanstalt (Akademiestraße 1), in Adressbuch der Stadt Düsseldorf für das Jahr 1894, S. 760, 761
  4. wz-newsline.de
  5. „Auf der Ulm“, Unsere Zeit, 13. Mai 2022
  6. Marc Ingel: Endlich geht es los an der Ulmer Höh’ in Düsseldorf. Rheinische Post, 30. Dezember 2019, abgerufen am 22. Januar 2020.
  7. wz-newsline.de
  8. blb.nrw.de
  9. Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen, Herausgeber: Justizministerium NRW, 2006, S. 56.
  10. Justizportal Nordrhein-Westfalen (Memento vom 28. Juli 2014 im Internet Archive)
  11. Vollstreckungsplan für das Land Nordrhein-Westfalen, (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28 -). (PDF 1,2MB) Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. April 2010, abgerufen am 7. März 2016.
  12. „Ersatzmama von der Ulmer Höh`“. Abgerufen am 24. August 2019.
  13. Düsseldorferin erhält Bundesverdienstkreuz. Abgerufen am 24. August 2019.
  14. 14 Bürgerinnen und Bürger mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Abgerufen am 24. August 2019.
  15. wz-newsline.de
  16. Konzert der Toten Hosen, Dezember 1995 auf www.dth.de
  17. Ulrike Hofsähs: Die häkelnden Häftlinge aus Düsseldorf. auf: stern.de, 23. Januar 2014, abgerufen am 24. Januar 2014.
  18. Webseite im Portal knastladen.de. abgerufen am 24. Januar 2014.
  19. Erfolgreiche „Knastmasche“ – Häftlinge häkeln Mützen. auf: rp-online.de, 23. Januar 2014, abgerufen am 24. Januar 2014.
  20. Vorstellung der Broschüre
  21. »Diese Menschen sind noch einmal bestraft worden«

Koordinaten: 51° 16′ 32″ N, 6° 49′ 28″ O