St. Georg (Niederwerth)

Kirchengebäude in Niederwerth

Die katholische Filialkirche St. Georg in Niederwerth, einer Inselgemeinde im Landkreis Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz, wurde im 15. Jahrhundert als Augustiner-Chorherrenkirche im Stil der Gotik errichtet. Die Kirche besitzt eine reiche Ausstattung an Skulpturen. Im Jahr 1972 wurden Wand- und Gewölbemalereien aus dem frühen 16. Jahrhundert entdeckt und wieder freigelegt.

Filialkirche St. Georg in Niederwerth
St. Georg, Luftaufnahme (2016)
Fenster mit Fischblasenmaßwerk

Die Filialkirche St. Georg ist ein geschütztes Kulturdenkmal nach dem Denkmalschutzgesetz (DSchG) und steht auf der Denkmalliste des Landes Rheinland-Pfalz.[1]

Geschichte Bearbeiten

Wie aus Gräberfunden hervorgeht war die Insel Niederwerth bereits in fränkischer Zeit besiedelt. Erstmals schriftlich erwähnt ist die Insel im 13. Jahrhundert. Der Erzbischof von Trier hatte dort neben anderen Besitzungen einen Hof, den Hasenkammerhof, in dem er wohnte, wenn er sich zur Jagd und zum Fischfang in Niederwerth aufhielt. Hier übernachtete 1338 der englische König Eduard III., als er auf Einladung des Kaisers Ludwig des Bayern beim Koblenzer Fürstentag zu Gast war.

In einer Urkunde aus dem Jahr 1275 ist eine dem heiligen Georg geweihte Klause in der Nähe des bischöflichen Hofgutes überliefert, bei der es sich wahrscheinlich um die Ansiedlung einer Beginengemeinschaft handelte. Nach Unstimmigkeiten mit dem Trierer Erzbischof Otto von Ziegenhain siedelten die Beginen um 1428 nach Besselich bei Urbar über. Neben den Klausnereigebäuden übergab Otto von Ziegenhain das erzbischöfliche Hofgut in Niederwerth den Augustinerchorherren im niederländischen Zwolle, die sich der Windesheimer Kongregation angeschlossen hatten. Die Augustiner weihten das Kloster Unserer Lieben Frau und begannen mit dem Bau der heutigen Kirche, die 1474 geweiht wurde.

Das Kloster brachte es zu erheblichem Reichtum, wozu auch die Fälschungen von Schenkungs- und Kaufurkunden beitrugen. In der Folge der Reformation lebten 1580 nur noch zwei Chorherren in Niederwerth. Auf Anordnung des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Jakob von Eltz mussten sie das Kloster verlassen, damit dort Zisterzienserinnen aus Koblenz – gegen ihren Widerstand – einziehen konnten. Deren Gebäude stellte der Bischof den Jesuiten zur Verfügung, die in Koblenz eine neue Niederlassung gründen und die Gegenreformation auf seinem Territorium vorantreiben sollten.

Um 1600 ließen die Zisterzienserinnen neue Klosterbauten errichten. Die wenigen, heute noch erhaltenen Gebäudereste stammen aus den Bauphasen von 1658 bis 1744. Sie sind heute zu Wohnungen umgebaut. Im Norden des Langhauses sind drei Joche des ehemaligen Kreuzganges erhalten.

Liste der Äbtissinnen:

  • Gutta Bolen von Mertloch (gest. 22. September 1580), letzte Äbtissin vor der Umsiedlung auf die Insel
  • Anna I. Meser von Horchheim (* ca. 1517, gest. 10. Dezember 1607), amtierte 1580–1607, erste Äbtissin nach der Umsiedlung
  • Katharina Gergon (* ca. 1574, gest. 22. Februar 1658), amtierte 1612–1658
  • Maria von Ufflingen (gest. 22. Januar 1669) wurde am 21. März 1658 zur Äbtissin gewählt, amtierte 1658–1669
  • Anna Renata von Ufflingen (* ca. 1635, gest. 25. August 1703), Schwester der vorigen, amtierte 1669–1703
  • Maria Catharina von Sinneren (* ca. 1638, gest. 5. Februar 1716), amtierte 1703–1716

Nach der Besetzung das Kurfürstentums Trier durch französische Revolutionstruppen fiel Niederwerth mit den rechtsrheinischen Gebieten an Nassau-Weilburg und wurde 1811 säkularisiert. Gebäude und Ländereien wurden verkauft, die ehemalige Klosterkirche wurde als Schenkung der Gemeinde Niederwerth übertragen. 1954 wurde die Kirche der Pfarrei übereignet. St. Georg ist eine Filiale von Vallendar und gehört zur Pfarreiengemeinschaft Vallendar-Urbar. Von 1968 bis 1974 wurde die Kirche grundlegend restauriert.

Architektur Bearbeiten

Außenbau Bearbeiten

Das Langhaus wird von einem kleinen barocken Dachreiter bekrönt. Ein zweiter, gotischer Dachreiter sitzt auf dem Chor. Auf den weißen Außenmauern heben sich die rot gefassten Fensterumrahmungen ab. Zwischen den Fenstern der Langhaussüdwand sind Rosetten gemalt. Chor und Westfassade werden durch stark hervortretende, einmal abgetreppte Strebepfeiler gestützt, die mit Pultdächern gedeckt sind. Das südliche Langhaus, die Westfassade und der Chor sind von dreibahnigen Spitzbogenfenstern mit Fischblasenmaßwerk durchbrochen. Die Fenster der Nordwand sind zugemauert.

Innenraum Bearbeiten

 
Innenraum

Die Kirche ist ein dreijochiger Saalbau, an den sich im Osten ein eingezogener, dreijochiger Chor mit Fünfachtelschluss anschließt. Den westlichen Abschluss des Langhauses bildet eine vierjochige Empore, deren Brüstung aus kunstvollen Maßwerkfeldern besteht.

Die Kreuzrippengewölbe von Langhaus und Chor sind mit aufwändig gestalteten Schlusssteinen verziert, auf denen Wappen und figürliche Szenen zu erkennen sind. Auf den Schlusssteinen im Chor werden Gottvater, die Hand Gottes, das Lamm Gottes und der heilige Augustinus dargestellt. Zwei Schlusssteine, links der Engel, rechts Maria, geben die Verkündigungsszene wieder. Auf einem anderen Stein steht ein Chorknabe hinter einem knienden Bischof, der sich durch sein Wappen als Johann II. von Baden (1434–1503) ausweist. Im Langhaus sind der Schmerzensmann, Maria auf der Mondsichel und ein Christuskopf mit Dornenkrone zu sehen.

Auch die Konsolen sind mit Figuren skulptiert. Neben den zwölf Aposteln stellen sie Propheten und biblische Könige dar.

Wandmalereien Bearbeiten

Die spätgotischen Fresken stellen die vier Kirchenväter mit den Symbolen der Evangelisten dar. Ambrosius ist der geflügelte Mensch des Matthäus zugeordnet, Augustinus der Adler des Johannes, Hieronymus der Löwe des Markus und Gregor der Stier des Lukas. Im östlichen Joch tragen vier Engel die Leidenswerkzeuge Jesu. Auch an anderen Stellen wie in der Sakristei wurden Reste von Ranken- und Architekturmalerei wiederentdeckt.

 
Bernhardfenster von 1480

Bleiglasfenster Bearbeiten

In ein Fenster des südlichen Langhauses wurden Fragmente eines Grisaillefensters von 1480 wieder eingefügt. Unter einem gotischen Baldachin ist eine Figur dargestellt, die als Bernhard von Clairvaux gedeutet wird. Auch in das große Fenster der Westfassade sind Fragmente mittelalterlicher Scheiben integriert.

Die neugotischen Chorfenster sind mit der Jahreszahl 1873 bezeichnet. Auf dem linken Fenster werden die heilige Katharina von Alexandrien, Maria und die heilige Elisabeth von Thüringen, in deren Gewand Rosen eingeschlungen sind, dargestellt. Das rechte Fenster zeigt den heiligen Georg, Jesus, der auf sein Herz weist, und den heiligen Nikolaus, zu dessen Füßen das Pökelfass mit den drei Scholaren steht.

 
Hochaltar mit Holzreliefs von 1520

Ausstattung Bearbeiten

 
Unsere Liebe Frau vom Werth, um 1490/1500
  • Der neugotische Altaraufbau umrahmt in drei Reihen angeordnete Relieftafeln, auf denen Szenen aus dem Leben Jesu dargestellt sind. Die untere Reihe erinnert an die Verkündigung, die Heimsuchung, die Tötung der Unschuldigen Kinder und die Flucht nach Ägypten. Themen der mittleren Reihe sind die Geburt Christi, die Präsentation im Tempel und die Anbetung der Heiligen Drei Könige, die zwei Tafeln einnimmt. Die obere Reihe ist Gottvater, der Auferstehung, der Himmelfahrt und der Grablegung Christi gewidmet. Die Holzreliefs, die ehemals die Flügel eines Flügelaltares bildeten, werden in die Zeit um 1520 datiert und der Werkstatt des in Trier und Koblenz tätigen Bildschnitzers Meister Jakob (auch Jakob Kerre) zugeordnet. Dieser orientierte sich bei der Gestaltung an druckgraphischen Vorlagen von Albrecht Altdorfer.[2]
  • Die Sakramentsnische im Chor, links vom Hochaltar, besitzt zwei Holztüren mit Malereien auf der Innen- und Außenseite, die vermutlich aus der Zeit um 1520 stammen. Im geschlossenen Zustand ist die Verkündigungsszene zu sehen. Auf den Innenseiten ist links Maria auf der Mondsichel dargestellt und rechts die heilige Hildegundis mit Hirtenstab und Buch.
  • In einer anderen Nische der Apsis wird in einem Holzkästchen eine Reliquie aufbewahrt, die als Mütze des heiligen Bernhard von Clairvaux verehrt wird. Angeblich gelangte sie durch Benigna von Helfenstein nach Niederwerth, die die Mütze anlässlich seines Besuchs in Deutschland von Bernhard als Geschenk erhalten hatte.
  • Die stehende Madonnenfigur mit Jesuskind und Traube, Unsere Liebe Frau vom Werth genannt, wird um 1490/1500 datiert und Tilman van der Burch zugeschrieben.
  • Die beiden lebensgroßen Figuren an der Stirnseite der Empore stammen aus dem 18. Jahrhundert. Sie stellen bedeutende Zisterzienser dar, links Bernhard von Clairvaux und rechts Robert von Molesme, den Gründer des Ordens.
  • Zwei Wappen an der Empore mit der Jahreszahl 1663 erinnern an Heinrich von Ufflingen und seine Gemahlin Barbara, die Stifter der barocken Erweiterung der Empore.

Literatur Bearbeiten

  • Heinrich Oidtmann: Alte Glasmalereien eines spätgotischen Portaloberlichtes in der ehemaligen Klosterkirche zu Niederwerth bei Coblenz am Rhein. In: Zeitschrift für christliche Kunst 30 (1917), S. 144–146.
  • Gunnar und Rüdiger Mertens: Das ehemalige Kloster Niederwerth bei Koblenz. Kirchenverwaltungsrat Niederwerth (Hrsg.), 3. verbesserte Auflage mit Textergänzungen, Niederwerth 2012 (Texte aus: Rheinische Kunststätten, Heft 223, 2. verbesserte Auflage 1987, ISBN 3-88094-572-1).
  • Mechthild Flreuy-Lemberg: Notizen zur Reliquie des heiligen Bernhard von Clairvaux in der ehemaligen Klosterkirche von Niederwerth. In: Michael Embach (Hrsg.): Sancta Treveris. Beiträge zu Kirchenbau und bildender Kunst im alten Erzbistum Trier. Festschrift für Franz J. Roning zum 70. Geburtstag. Trier 1999, S. 127–136.
  • Werner Schäfke: Der Rhein von Mainz bis Köln. Eine Reise durch das romantische Rheintal. DuMont Reiseverlag, 4. Auflage, Ostfildern 2006, ISBN 3-7701-4799-5, S. 328–329.
  • Susanne Kern: Wandmalereien des 13. bis 16. Jahrhunderts am Mittelrhein. Regensburg 2015, S. 155–159.
  • Rainer Kobe: "Und das Wort ward Fleisch...". Die 'Verkündigung mit Inkarnation' in der spätmittelalterlichen Bauplastik von St. Georg auf Niederwerth bei Koblenz. In: Kurtrierisches Jahrbuch 55 (2015), S. 143–159.

Weblinks Bearbeiten

Commons: St. Georg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler – Kreis Mayen-Koblenz. Mainz 2021[Version 2023 liegt vor.], S. 76 (PDF; 5,8 MB).
  2. Stefan Heinz: Copy and paste? Zur Rezeption von Altdorfers Druckgrafik in der Reliefskulptur des Mittelrheins. In: Christoph Wagner, Oliver Jehle (Hrsg.): Albrecht Altdorfer. Kunst als zweite Natur (= Regensburger Studien zur Kunstgeschichte. Band 17). Schnell & Steiner, Regensburg 2012, ISBN 978-3-7954-2619-4, S. 189–197.

Koordinaten: 50° 23′ 33,8″ N, 7° 36′ 47,6″ O