Soddyit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Zusammensetzung (UO2)2(SiO4)·2H2O und damit ein wasserhaltiges Uranyl-Silikat. Strukturell gehört Soddyit zu den Inselsilikaten.

Soddyit
1 mm große Soddyit-Kristalle aus der Swambo Mine, Provinz Katanga, Demokratische Republik Kongo
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Sod[1]

Chemische Formel
  • (UO2)2(SiO4)·2H2O[2]
  • [(UO2)2|SiO4]·2H2O[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Inselsilikate (Nesosilikate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/A'.15 Anhang
VIII/B.36-010

9.AK.05
53.03.03.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m[4]
Raumgruppe Fddd (Nr. 70)Vorlage:Raumgruppe/70[3]
Gitterparameter a = 8,33 Å; b = 11,21 Å; c = 18,67 Å[3]
Formeleinheiten Z = 8[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5[5][6]
Dichte (g/cm3) gemessen: 4,63 bis 4,70; berechnet: 5,09[5]
Spaltbarkeit vollkommen nach {001}, gut nach {111}[5]
Bruch; Tenazität uneben
Farbe bernsteingelb, grünlichgelb[5]
Strichfarbe gelb
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend[5]
Glanz Glasglanz bis Diamantglanz; in erdiger Form auch matt[5]
Radioaktivität sehr stark[4]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,650 bis 1,654[7]
nβ = 1,685[7]
nγ = 1,699 bis 1,715[7]
Doppelbrechung δ = 0,049 bis 0,061[7]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Pleochroismus X = farblos; Y = sehr hellgelb; Z = hellgelbgrün[5]

Soddyit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und entwickelt pyramidale bis prismatische Kristalle bis etwa drei Zentimeter Größe mit einem glas- bis diamantähnlichen Glanz auf den Oberflächen, kommt aber auch in Form derber bis erdiger Aggregate vor. Das durchsichtige bis durchscheinende Mineral ist von bernsteingelber bis grünlichgelber Farbe und hinterlässt auf der Strichtafel einen gelben Strich.

Etymologie und Geschichte Bearbeiten

 
Namensgeber Frederick Soddy 1922

Soddyit wurde 1922 von Alfred Schoep erstmals beschrieben. Er fand an einer Stufe orangebrauner Curit-Kristalle aus der Kasolo Mine in Katanga (heute: Demokratische Republik Kongo) ein weiteres, gelbes Mineral, für das er den Namen „Soddite“ vorschlug, zu Ehren des Chemikers Frederick Soddy, der 1921 den Nobelpreis für seine Arbeit zu den radioaktiven Stoffen und der Natur der Isotopen erhielt.[8][9] Billiet änderte diesen Namen 1926 zu „Soddyit“, der auch von Schoep akzeptiert und schließlich in allen seinen weiteren Publikationen benutzt wurde.[10]

Das Typmaterial des Minerals wird in der Mineralogischen Sammlung des Naturhistorischen Museums in Paris, Frankreich unter der Katalog-Nr. 122.122/3 aufbewahrt.[11]

Klassifikation Bearbeiten

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Soddyit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Neso-Subsilikate“ (Familie der Uranyl-Silikate), wo er zusammen mit Calcioursilit und Ursilit den Anhang der „Weeksit-Gruppe (UO2 : SiO2 = 1 : 3)“ mit der System-Nr. VIII/A'.15 und den weiteren Mitgliedern Haiweeit und Weeksit bildete.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/B.36-010. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der neu definierten Abteilung „Inselsilikate mit tetraederfremden Anionen“, wobei in den Gruppen VIII/B.34 bis 38 die Uranyl-Inselsilikate mit [UO2]2+-[SiO4]4- und Verwandte einsortiert sind. Soddyit bildet hier zusammen mit Swamboit-(Nd) eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe (Stand 2018).[12]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[13] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Soddyit ebenfalls in die Abteilung der „Inselsilikate (Nesosilikate)“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen und der Koordination der beteiligten Kationen oder den in der Verbindung vorherrschenden Anionenkomplexen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Uranyl-Insel- und Polysilikate“ (mit U : Si = 2 : 1) zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 9.AK.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Soddyit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Inselsilikate: SiO4-Gruppen und andere Anionen komplexer Kationen“ ein. Hier ist er zusammen mit Uranosilit in der „Andere Uranylsilikate“ mit der System-Nr. 53.03.03 innerhalb der Unterabteilung „Inselsilikate: SiO4-Gruppen und andere Anionen komplexer Kationen mit (UO2)“ zu finden.

Kristallstruktur Bearbeiten

Soddyit kristallisiert in der orthorhombischen Raumgruppe Fddd (Raumgruppen-Nr. 70)Vorlage:Raumgruppe/70 mit den Gitterparametern a = 8,33 Å; b = 11,21 Å und c = 18,67 Å sowie acht Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Soddyit ist das bisher einzig bekannte Uranylmineral, dass ein Uran-Silicium Verhältnis von 2:1 aufweist.[14] In der Kristallstruktur verknüpft ein tetraedrisches Silikat-Anion sechs pentagonal-bipyramidale Uranyl-Ionen. Die Uranyl-Polyeder sind dabei kantenverknüpft. Die fünfte äquatoriale Koordinationsstelle wird dabei von einem Wassermolekül besetzt, dessen Wasserstoffatome Wasserstoffbrückenbindungen zu den Uranyl-Sauerstoffatomen aufbauen. Durch dieses Verknüpfungsschema entsteht ein dreidimensionales Netzwerk.

Eigenschaften Bearbeiten

Das Mineral ist durch seinen Urangehalt von 71,25 % sehr stark radioaktiv. Unter Berücksichtigung der Mengenanteile der radioaktiven Elemente in der idealisierten Summenformel sowie der Folgezerfälle der natürlichen Zerfallsreihen wird für das Mineral eine spezifische Aktivität von etwa 127,5 kBq/g[4] angegeben (zum Vergleich: natürliches Kalium 0,0312 kBq/g). Der zitierte Wert kann je nach Mineralgehalt und Zusammensetzung der Stufen deutlich abweichen, auch sind selektive An- oder Abreicherungen der radioaktiven Zerfallsprodukte möglich und ändern die Aktivität.

Bildung und Fundorte Bearbeiten

 
Paragenese von Soddyit (gelb) mit Rutherfordin (braun) aus der Kolwezi Mine, Demokratische Republik Kongo
 
Paragenese von Soddyit (gelb) mit Swamboit-(Nd) (blassgelb) aus der Swambo Mine, Demokratische Republik Kongo
 
Paragenese von Soddyit (gelb) und Curit (orange) auf Heterogenit (schwarz) aus der Kasolo Mine, Demokratische Republik Kongo

Soddyit bildet sich als sekundäres Uranmineral in der Oxidationszone primärer Uranerze. Es findet sich als Silikatmineral vergesellschaftet mit den weiteren Uranylsilikaten Kasolit, Sklodowskit und Uranophan. Des Weiteren findet es sich in der klassischen Vergesellschaftung mit dem basischen Blei-Uranyl-Oxid Curit, wie auch mit dem Kupfer-Uranyl-Phosphat Torbernit und sehr selten mit dem kalium- und bleihaltigen Uranyl-Oxid-Hydroxid Gauthierit.[15]

Als seltene Mineralbildung konnte Soddyit nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei bisher weltweit rund 40 Fundstellen dokumentiert sind (Stand 2020).[16] Außer an seiner Typlokalität in Shinkolobwe (Kasolo Mine) trat das Mineral in der Demokratischen Republik Kongo noch in der nahe gelegenen Kambove Principal Mine, am Swambo Hill und in der Luiswishi Mine bei Lubumbashi in der Provinz Haut-Katanga sowie in mehreren Gruben wie z. B. der Musonoi Mine im Bergbaubezirk Kolwezi in der Provinz Lualaba auf.

In Deutschland fand sich Soddyit bisher nur im Krunkelbachtal nahe Menzenschwand in Baden-Württemberg sowie in der Grube Uranus bei Kleinrückerswalde und in der Umgebung von Johanngeorgenstadt und Tirpersdorf in Sachsen.

Weitere bekannte Fundorte sind unter anderem Radium Ridge in Australien, Lodève in Frankreich, Capoterra in Italien, Eger und Karlsbad in der Tschechischen Republik, Lake George in Kanada, Peña Blanca in Mexiko, Ust'-Uyuk in Russland sowie Nevada und Wyoming in den USA.[17]

Vorsichtsmaßnahmen Bearbeiten

Aufgrund der starken Radioaktivität des Minerals sollten Mineralproben vom Soddyit nur in staub- und strahlungsdichten Behältern, vor allem aber niemals in Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen aufbewahrt werden. Ebenso sollte wegen der hohen Toxizität und Radioaktivität von Uranylverbindungen eine Aufnahme in den Körper (Inkorporation, Ingestion) auf jeden Fall verhindert und zur Sicherheit direkter Körperkontakt vermieden sowie beim Umgang mit dem Mineral Mundschutz und Handschuhe getragen werden.

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Alfred Schoep: La soddite, nouveau minéral radioactif. In: Comptes Rendus Hebdomadaires des Séances de l’Académie des Sciences. Band 174, 1922, S. 1066–1067 (französisch, rruff.info [PDF; 110 kB; abgerufen am 19. September 2020]).
  • E. T. Wherry, E. F. Holden: New minerals – new species. In: American Mineralogist. Band 7, 1922, S. 178–180 (englisch, rruff.info [PDF; 202 kB; abgerufen am 19. September 2020]).

Weblinks Bearbeiten

Commons: Soddyit – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: May 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Mai 2023, abgerufen am 13. Juli 2023 (englisch).
  3. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 564 (englisch).
  4. a b c David Barthelmy: Soddyite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 19. September 2020 (englisch).
  5. a b c d e f g Soddyite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 74 kB; abgerufen am 19. September 2020]).
  6. Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 688 (Erstausgabe: 1891).
  7. a b c d Soddyite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 19. September 2020 (englisch).
  8. Alfred Schoep: La soddite, nouveau minéral radioactif. In: Comptes Rendus Hebdomadaires des Séances de l’Académie des Sciences. Band 174, 1922, S. 1066–1067 (französisch, rruff.info [PDF; 110 kB; abgerufen am 19. September 2020]).
  9. E. T. Wherry, E. F. Holden: New minerals – new species. In: American Mineralogist. Band 7, 1922, S. 178–180 (englisch, rruff.info [PDF; 202 kB; abgerufen am 19. September 2020]).
  10. D. H. Gorman: Studies of radioactive compounds: V – soddyite. In: American Mineralogist. Band 37, 1952, S. 386–393 (englisch, rruff.info [PDF; 524 kB; abgerufen am 19. September 2020]).
  11. Catalogue of Type Mineral Specimens – S. (PDF 143 kB) In: docs.wixstatic.com. Commission on Museums (IMA), 12. Dezember 2018, abgerufen am 19. September 2020.
  12. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  13. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 19. September 2020 (englisch).
  14. Frances V. Stohl, Deane K. Smith: The crystal chemistry of the uranyl silicate minerals. In: American Mineralogist. Band 66, 1981, S. 610–625 (englisch, rruff.info [PDF; 1,7 MB; abgerufen am 19. September 2020]).
  15. Travis A. Olds, Jakub Plášil, Anthony R. Kampf, Radek Škoda, Peter C. Burns, Jiří Čejka, Vincent Bourgoin and Jean-Claude Boulliard: Gauthierite, KPb[(UO2)7O5(OH)7]·8H2O, a new uranyl-oxide hydroxy-hydrate mineral from Shinkolobwe with a novel uranyl-anion sheet-topology. In: European Journal of Mineralogy. Band 29, 2017, S. 129–141, doi:10.1127/ejm/2017/0029-2586 (englisch).
  16. Localities for Soddyite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 19. September 2020 (englisch).
  17. Fundortliste für Soddyit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 19. September 2020.