Siegmund Seligmann

deutscher Kaufmann und Unternehmer

Siegmund Seligmann (geboren 19. August 1853 in Verden (Aller); gestorben 12. Oktober 1925 in Hannover) war ein deutscher Kaufmann und Unternehmer, erster Generaldirektor der Gummiwerke Continental AG in Hannover.

Büste Siegmund Seligmanns

Leben Bearbeiten

 
1910 durch Max Liebermann gemaltes Porträt Siegmund Seligmanns, davor Andor Izsák in der Villa Seligmann

Siegmund Seligmann wurde als Sohn eines jüdischen Lederhändlers in Verden geboren, wo er aufwuchs und das Domgymnasium besuchte. Anschließend absolvierte er in Harburg eine kaufmännische Lehre im Manufakturwarengeschäft von Moritz Meyer. Dann siedelte er nach Hannover über, um im Bankhaus Moritz Magnus seine erste Stelle als Kassenbeamter anzutreten. Im Jahre 1876 wurde er von seinem Chef Magnus mit der Prüfung der Finanzlage der 1871 gegründeten, jetzt angeschlagenen „Continental Caoutchouc & Gutta-Percha-Compagnie“, dem Vorläufer der Continental AG, in Hannover beauftragt. Seligmann befand die Firma lebensfähig und wurde quasi als Lohn für seine solide Arbeit vom Aufsichtsrat der Firma, dem auch Magnus angehörte, gebeten, in die Leitung der Firma einzutreten. Dies geschah am 7. April 1876, und schon im September desselben Jahres wurde Seligmann Prokurist und 1879 – im Alter von 26 Jahren – kaufmännischer Direktor sowie Vorstandsmitglied.

Damit begann der Aufstieg der Continental AG, die zu dieser Zeit etwa 250 Beschäftigte zählte, zu einem der größten Gummi- und Reifenproduzenten Deutschlands (1914: 13.000 Beschäftigte). Gemeinsam mit dem Chemiker Adolf Prinzhorn sorgte Seligmann für den nötigen Innovationsschub. So stellte die Continental AG seit 1892 als erste deutsche Firma Fahrrad-Luftreifen (sogenannte „Pneumatics“) her, 1898 begann sie mit der Produktion von profillosen Automobil-Luftreifen. Der Beginn des Automobilzeitalters zu Anfang des 20. Jahrhunderts war die große Stunde der Continental AG: 1904 entwickelte die Firma als erste in der Welt Profilreifen für Automobile. Der Export konnte stark gesteigert werden, vielenorts entstanden werkseigene Niederlassungen. Das Werk in Hannover-Vahrenwald wurde stark ausgebaut, 1912 entwarf der Architekt Peter Behrens den Bau eines repräsentativen Verwaltungsgebäudes an der Vahrenwalder Straße (heute Technologiezentrum der Stadt Hannover).

Seligmann und der Bettfedernfabrikant August Werner, ebenfalls Kommerzienrat, schenkten der Stadt Hannover die beiden Kaiserstatuen: Die mehr als 3 Meter hohen bronzenen Standbilder Kaiser Wilhelms I. und Wilhelms II. hatte der Berliner Bildhauer und Professor Adolf Brütt geschaffen. Sie wurden seitlich der großen Treppe in der Zentralhalle des Neuen Rathauses aufgestellt[1][2] aber im Zweiten Weltkrieg für die Rüstungsproduktion eingeschmolzen.[3]

 
Grabstätte auf dem Stadtfriedhof Engesohde

Siegmund Seligmann weigerte sich zeitlebens, den Titel eines Generaldirektors zu tragen, andere Ehrungen dagegen lehnte er nicht ab. 1905 wurde er zum Kommerzienrat ernannt, 1914 zum Geheimen Kommerzienrat, 1921 wurde er Ehrendoktor der Technischen Hochschule Hannover und 1923 (anlässlich seines 70. Geburtstags) Ehrenbürger der Stadt Hannover. Von 1919 bis zu seinem Tod 1925 war er Mitglied des Senats der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.

Seit 1883 war er mit Johanna Coppel (1861–1949), Tochter von Gustav Coppel, einem Industriellen aus Solingen, verheiratet. 1903/1906 ließ er sich von dem Architekten Hermann Schaedtler eine Jugendstilvilla in der Hohenzollernstraße 39, direkt am Stadtwald Eilenriede, erbauen (Villa Seligmann). Hannovers Stadtdirektor Heinrich Tramm, der hannoversche Industrielle Fritz Beindorff und der Harburger Gummiindustrielle Calmon gehörten zu seinem Freundeskreis, von Max Liebermann ließ Siegmund Seligmann sich in Öl porträtieren.[4]

Sein Führungsstil in der Continental AG galt als patriarchalisch, aber menschlich. Da er das Büro auch am Sonntag zu besuchen pflegte, mussten es die leitenden Angestellten ebenfalls tun. Noch zu Lebzeiten kümmerte Seligmann sich um seine repräsentative Grabstelle auf dem Stadtfriedhof Engesohde, wie es einem Angehörigen des höheren Bürgertums und Ehrenbürger zustand. Sein Hausarchitekt Hermann Schaedtler entwarf einen hohen Obelisk als Grabmal, das innerhalb einer größeren Gräberabteilung (Abt. 28) noch durch eine symmetrische Wegzuführung herausgehoben wird.

Siegmund Seligmann starb 1925 im Alter von 72 Jahren. Seine Witwe Johanna siedelte in die Schweiz über und starb 1949 in Luzern. Sein Sohn Edgar, der noch unter der Ägide des Vaters 1921 in den Aufsichtsrat der Continental eingetreten war, verkaufte die Villa 1931 aus finanziellen Gründen und schied 1932 auch aus der Firma aus. Er wurde am 9. November 1938 verhaftet, enteignet und wenige Wochen später in die Schweiz gebracht, wo er kurz danach starb.

In Hannover wurde die Seligmannallee nach ihm benannt.

Siegmund Seligmann-Stiftung Bearbeiten

 
Die Villa Seligmann, gesehen von der Eilenriede

Siegmund Seligmann wurde als Namenspatron für die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts gewählt, die von Andor Izsák initiiert wurde, um die Erforschung der jüdischen Musik und Musikgeschichte zu fördern. Sie unterstützt damit die Arbeit des Europäischen Zentrums für jüdische Musik, seit 1992 ein Institut der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Zu diesem Zweck erwarb sie 2006 die Villa Seligmann in der Hohenzollernstraße 39, 2008 konnte das Gebäude nach Umbauten bezogen werden.

Literatur Bearbeiten

  • Alexander Engel: Seligmann, Siegmund. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 222 f. (Digitalisat).
  • Hans Theodor Schmidt in: Leben und Schicksal. Zur Einweihung der Synagoge in Hannover. Hrsg. von der Landeshauptstadt Hannover, Presseamt, in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde Hannover. Buchdruckwerkstätten Hannover, Hannover 1963, S. 102–110.
  • Hans Theodor Schmidt: Continental. Ein Jahrhundert Fortschritt und Leistung 1871–1971. Hrsg. von der Continental-Gummi-Werke-Aktiengesellschaft. Hannover 1971.
  • Walter Tetzlaff: 2000 Kurzbiographien bedeutender deutscher Juden des 20. Jahrhunderts. Askania-Verlag, Lindhorst 1982, ISBN 3-921730-10-4.
  • Waldemar R. Röhrbein: Seligmann, Siegmund. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 331f, 332. (online über Google-Bücher)
  • Peter Schulze: Siegmund Seligman (1853–1925). In: Andor Izsák (Hrsg.): Geschichte und Vision. 100 Jahre Villa Seligmann. hrsg. von der Siegmund Seligmann Stiftung. gutenberg beuys, Hannover 2006, S. 17–25.
  • Waldemar R. Röhrbein: Seligmann, Siegmund. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 562f.
  • Hugo Thielen (Bearb.): Seligmann, Siegmund. In: Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen (Hrsg.): Jüdische Persönlichkeiten in Hannovers Geschichte. Vollständig überarbeitete, erweiterte und aktualisierte Neuauflage. Lutherisches Verlagshaus, Hannover 2013, ISBN 978-3-7859-1163-1, S. 11, 93–96, 124, 158.
  • Berthold Burkhardt: Instandsetzung und neue Nutzung der Villa Seligmann in Hannover. In: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, Heft 2/2013, Hannover.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Siegmund Seligmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten

  1. Petra Spona: „Die Ausstattung eines Rathauses ist ein Gebiet, auf dem sich der Gemeinsinn der Bürgerschaft betätigen kann“. In: Cornelia Regin (Hrsg.): Pracht und Macht. Festschrift zum 100. Jahrestag der Einweihung des Neuen Rathauses in Hannover (Hannoversche Studien, Band 14). Hahn, Hannover 2013, ISBN 978-3-7752-4964-5, S. 227–248, hier: S. 229f, 238f.
  2. Anmerkung: Davon abweichend wird im Artikel zu August Werner im Hannoverschen Biographischen Lexikon sowie im Stadtlexikon Hannover der Bettfedernfabrikant als alleiniger Schenker genannt.
  3. Waldemar R. Röhrbein: Werner, (1) August. In: Stadtlexikon Hannover. S. 672.
  4. Das Gemälde ist im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover als Leihgabe der Nachfahren Siegmund Seligmanns ausgestellt.