Shapley-Wert

punktwertiges Lösungs-Konzept aus der kooperativen Spieltheorie

Der Shapley-Wert (benannt nach Lloyd Shapley) ist ein punktwertiges Lösungs-Konzept aus der kooperativen Spieltheorie. Er gibt an, welche Auszahlung die Spieler in Abhängigkeit von einer Koalitionsfunktion erwarten können (positive Interpretation) oder erhalten sollten (normative Interpretation). Dem marginalen Beitrag kommt eine besondere Bedeutung zu. Dieser misst den Wertbeitrag eines Spielers zu einer Koalition, durch seinen Beitritt.

Beispiel Bearbeiten

Gegeben seien drei Spieler, welche mit den Kürzeln   und   bezeichnet werden, d. h.  , und die folgende Werte erzielen können:

     
   
     

Dabei steht beispielsweise   dafür, dass die „Koalition“ bestehend nur aus Spieler   allein den Wert   erreichen kann;   bedeutet, dass eine Koalition aus Spieler   zusammen mit   den Wert   erschaffen kann; wegen   können alle Spieler gemeinsam den Wert   erzeugen.

Der Shapley-Wert dient der Aufteilung des Wertes  . Folgendes Verfahren ist möglich, um den Shapley-Wert eines Spielers   zu bestimmen: Man notiert sämtliche Reihenfolgen, in denen die Spieler angeordnet werden können. Für jede Reihenfolge ermittelt man den Wert der Koalition, die aus jenen Spielern besteht, die vor dem betrachteten Spieler   gelistet sind. Man notiert den Wert, den diese Koalition gemeinsam mit dem Spieler   hat, und bildet die Differenz, also den sogenannten marginalen Beitrag von Spieler   in der betrachteten Reihenfolge. Schließlich nimmt man den Durchschnitt von diesen marginalen Beiträgen und erhält den Shapley-Wert des Spielers  . Die folgende Tabelle gibt diese Überlegungen für Spieler   wieder:

Reihenfolge  Spieler vor b   Spieler vor b plus b   marginaler Beitrag von Spieler b
       
       
       
       
       
       

Der Durchschnitt der marginalen Beiträge ergibt für Spieler   den Shapley-Wert

 

Analog bestimmt man die Shapley-Werte der Spieler   und   und erhält

       und       

Allgemeine Definition Bearbeiten

Gegeben sei ein kooperatives Spiel mit transferierbarem Nutzen, das heißt gegeben sei

  • eine endliche Spielermenge   mit   Elementen und
  • eine Koalitionsfunktion  , die jeder Teilmenge von   eine reelle Zahl zuweist und insbesondere der leeren Koalition den Wert   gibt:
 

wobei   die Potenzmenge von   bezeichnet, also die Menge aller Teilmengen. Eine Teilmenge der Spieler   heißt Koalition. Den Ausdruck   nennt man den Wert der Koalition  .

Der Shapley-Wert ordnet nun jedem Spieler aus   eine Auszahlung für das Spiel   zu. Hierzu gibt es unterschiedliche Formeln, die zum gleichen Ergebnis führen.

Reihenfolgendefinition Bearbeiten

Zunächst wird der marginale Beitrag eines Spielers   für eine gegebene Reihenfolge der Spieler definiert. Sei   eine Reihenfolge der Spielermenge mit der Interpretation, dass Spieler   an Position   in   gelistet ist. Für einen Spieler  , der vor Spieler   in   aufgelistet ist, gilt  . Die Vorgänger von   in   befinden sich also in der Menge

 .

Werden die Spieler gemäß der Reihenfolge   nacheinander zu einer Koalition hinzugefügt, so trägt der Spieler   folgenden marginalen Beitrag in   bei:

 .

Der Shapley-Wert eines Spielers   errechnet sich als der Durchschnitt der marginalen Beiträge über alle möglichen   Reihenfolgen:

 

wobei   die Menge aller möglicher Reihenfolgen der Spieler bezeichnet.

Hinweis: Obiges Beispiel ist gemäß dieser Definition berechnet. Für   ist z. B.   und  

Teilmengendefinition Bearbeiten

Der marginale Beitrag eines Spielers   zu einer gegebenen Koalition   ist

 

Der Shapley-Wert eines Spielers   errechnet sich als das gewichtete Mittel der marginalen Beiträge zu allen möglichen Koalitionen:

 

Ausgehend von der Reihenfolgendefinition des Shapley-Wertes lässt sich diese Formel nun wie folgt verstehen: Für jedes   gibt es

 

Reihenfolgen, so dass   gilt, denn es gibt   Möglichkeiten, die Spieler aus   vor dem Spieler   anzuordnen und   Möglichkeiten, die Spieler aus   hinter dem Spieler   anzuordnen (siehe auch Multinomialkoeffizienten).

Der Shapley-Wert eines Spielers   lässt sich alternativ berechnen mit:

  .

Beispiel Bearbeiten

Man betrachte erneut obiges Beispiel und nehme den Fall  . Es ist dann   genau für die beiden Reihenfolgen   und  . Es gilt also  . Anstatt über alle Reihenfolgen zu gehen, könne man also auch folgende Tabelle aufstellen:

Koalition Häufigkeit marginaler Beitrag
     
     
     
     
     

Der Durchschnitt der marginalen Beiträge (mit  ) ergibt für Spieler   in der Menge   den Shapley-Wert

 

Definition via Harsanyi-Dividenden Bearbeiten

Eine weitere Berechnungsmöglichkeit liefert zugleich eine bessere Einsicht in die Struktur einer Koalitionsfunktion.

Harsanyi-Dividenden Bearbeiten

Folgendes Argument wird häufig auf John Harsanyi zurückgeführt. Man betrachte eine Koalition   und ihren Wert  . Welcher Anteil von   entsteht wirklich durch die Kombination von allen Mitgliedern aus  , und nicht schon durch die Kombination der in   enthaltenen Untergruppierungen? Das heißt, welcher Teil von   ist nicht bereits auf die Errungenschaft irgendeiner Untergruppierung zurückzuführen? Zur Beantwortung wird rekursiv vorgegangen. Zunächst ist die tatsächliche Leistung einer leeren Koalition nichts,  . Die weiteren tatsächlichen Leistungen ergeben sich rekursiv als der Wert einer Koalition abzüglich der Leistungen, die durch enthaltene Koalitionen bereits erbracht werden:

 
 

Diese Ausdrücke werden als Harsanyi-Dividenden bezeichnet. Man beachte: Anstelle von   schreibe man einfach   oder lediglich  .

Beispiel Bearbeiten

Man betrachte erneut obiges Beispiel und stelle fest, dass   tatsächlich vom Spieler   erbracht wird. Die tatsächliche Leistung vom Spieler   allein ist also  . Genauso lassen sich die genuinen Leistungen der anderen Einzelkoalitionen bestimmen,

 
 .

Für die Koalition   muss nun die bereits durch die enthaltenen Koalitionen erbrachten Leistungen abgezogen werden:

 .

Analog gelten:

 
 
 

Shapley-Wert als geteilte Harsanyi-Dividenden Bearbeiten

Die Harsanyi-Dividende einer Koalition wird genau dann erbracht, wenn alle Spieler vorhanden sind. Es ist also plausibel, diese Leistung auf alle Spieler der Koalition zu gleichen Teilen aufzuteilen. Dies ergibt eine weitere Formel für den Shapley-Wert:

 

Beispiel Bearbeiten

Man betrachte erneut obiges Beispiel mit Spielermenge   und stelle fest, dass Spieler   in den Koalitionen

 

enthalten ist. Daher bekommt er

 

Charakterisierung Bearbeiten

Der Shapley-Wert ist die einzige Auszahlungsfunktion, welche die folgenden vier Axiome erfüllt:

  • (Pareto-)Effizienz: Der Wert der großen Koalition wird an die Spieler verteilt:
 
  • Symmetrie: Spieler, die die gleichen marginalen Beiträgen zu jeder Koalition haben, die sie nicht enthalten, erhalten das Gleiche:
 
  • Null-Spieler-Eigenschaft bzw. Dummy-Spieler-Eigenschaft: Ein Spieler der zu jeder Koalition nichts bzw. den Wert seiner Einer-Koalition beiträgt, erhält null bzw. den Wert seiner Einer-Koalition:
 
  • Additivität: Wenn das Spiel in zwei unabhängige Spiele zerlegt werden kann, dann ist die Auszahlung jedes Spielers im zusammengesetzten Spiel die Summe der Auszahlungen in den aufgeteilten Spielen:
 

Neben diesen Axiomen existiert der Shapley-Wert für alle kooperativen Spiele und ist eindeutig definiert. Außerdem erfüllt der Shapley-Wert:

  • Strenge Monotonie: Höhere marginale Beiträge eines Spielers, bzgl. zweier Koalitionsfunktionen, sind mit höheren Ergebnis-Anteilen verbunden:
 

Literatur Bearbeiten

  • Michael Maschler, Eilon Solan, Shmuel Zamir: Game Theory, 2nd Edition. Cambridge University Press, Cambridge 2020, ISBN 978-1-108-49345-1.
  • David Müller: Investitionscontrolling: Entscheidungsfindung bei Investitionen II: Entscheidungstheorie. 3. Aufl. Springer Gabler, Berlin u. a. 2022, ISBN 978-3-658-36596-7.
  • Hans Peters: Game Theory, A Multi-Leveled Approach, Second Edition. Springer, Berlin u. a. 2015, ISBN 3-662-46949-9.
  • Lloyd S. Shapley: A Value for n-person Games. In: H.W. Kuhn und A.W. Tucker (Hrsg.): Contributions to the Theory of Games, volume II. (Annals of Mathematics Studies v. 28), Princeton University Press, Princeton 1953, ISBN 0-691-07935-8, S. 307–317.
  • Harald Wiese: Kooperative Spieltheorie. Oldenbourg, München 2005, ISBN 3-486-57745-X, doi:10.1524/9783486837469.
  • H. Peyton Young: Monotonic solutions of cooperative games. In: International Journal of Game Theory, Volume 14, Issue 2, 1985, doi:10.1007/BF01769885, S. 65–72.