Reibschwinger

schwingfähiges System

Der Reibschwinger ist ein schwingfähiges System, das ohne materiell ausgebildete Feder auskommt und mit dem der Reibungskoeffizient gemessen werden kann.[1]

Funktionsprinzip des Reibschwingers

Der Reibschwinger (englisch friction oscillator) setzt sich zusammen aus dem Stab (blau im Bild) mit Schwerpunkt S, der frei beweglich auf zwei gegeneinander rotierenden Rollen (grau schwarz) liegt, die an den Kontaktstellen entgegengesetzte Reibungskräfte auf den Stab ausüben. Befindet sich der Schwerpunkt wie im Bild genau in der Mitte zwischen den Kontaktstellen und ist der Stab in Ruhe, neutralisieren sich die Reibungskräfte und der Stab bleibt in Ruhe.

Simulation eines Reibschwingers
Simulation eines Reibschwingers mit Normalkräften (gelb), Reibkräften (grün) und Gewichtskraft (rot).

Wenn der Schwerpunkt zwar in Ruhe, aber nicht mittig zwischen den Kontaktstellen ist, dann lastet auf der Rolle, die näher am Schwerpunkt ist, beispielsweise auf der Rolle A, ein größeres Gewicht als auf der anderen Rolle B. Die Reibungskraft nimmt mit der Kontaktkraft zu, sodass der Stab in Richtung Rolle B beschleunigt wird. Wegen seines Beharrungsvermögens wird der Stabschwerpunkt in der Mitte zwischen den Rollen nicht anhalten, sondern darüber hinausschießen. Nun lastet auf der anderen Rolle B mehr Gewicht, und der Stab wird in entgegengesetzte Richtung beschleunigt, irgendwann zur Ruhe kommen und sich wieder in Richtung Rolle A in Bewegung setzen, sodass sich der Vorgang wiederholt. Eine genauere Analyse zeigt, dass der Reibschwinger ein Harmonischer Oszillator ist.

Analytische Beschreibung

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Die Masse des Stabes sei m und seine Gewichtskraft G=mg mit Schwerebeschleunigung g. Die Reibung habe den Gleitreibungskoeffizient μ, sodass zwischen Reibkraft RA und Kontaktkraft NA an der Rolle A bei vorhandenem Schlupf der Zusammenhang RA=μNA gilt und entsprechend für Rolle B.

Schwerpunkt auf der Kontaktfläche

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Der Schwerpunkt des Stabes liege zunächst wie im Bild auf der Kontaktfläche und befinde sich an der Stelle x. Dann liefert das Momentengleichgewicht an den Kontaktstellen der Rollen A und B:

 

Newtons zweites Gesetz Kraft gleich Masse mal Beschleunigung, F=m·a, hier in x-Richtung angeschrieben, liefert mit der zweiten Zeitableitung  :

 

woraus sich die Schwingungsgleichung

 

ergibt. Darin ist   die Eigenkreisfrequenz des Systems. Diese Lineare gewöhnliche Differentialgleichung wird durch den Sinus und Cosinus erfüllt, deren zweite Ableitungsfunktionen dieselbe Funktion aber mit umgekehrtem Vorzeichen sind, beispielsweise  . Die Kettenregel zeigt, dass die Schwingungsgleichung von   erfüllt wird, sodass die allgemeine Lösung

 

lautet, wo die Amplituden C1,2 der Anpassung an die Anfangsbedingungen dienen. Mit den Additionstheoremen kann das auch als reine Sinusschwingung dargestellt werden:

 

wo nun C und der Nullphasenwinkel φ0 an die Anfangsbedingungen anzupassen sind.

Wenn der Stab zur Zeit t=0 die Auslenkung x0 und die Geschwindigkeit v0 hat, berechnen sich die Konstanten zu

 

und die Bewegungsfunktion

 

Darin ist Arctan die Umkehrfunktion des Tangens. Die Bewegungsgleichung trifft nur bei Gleitreibung zu. Damit immer Schlupf auftritt und niemals Haftreibung, darf die Geschwindigkeit des Stabes niemals die Umfangsgeschwindigkeit Ωr der Rollen erreichen:

 

d. h. in einem rechtwinkligen Dreieck mit den Katheten ω0x0 und v0 muss die Hypotenuse kleiner als Ωr sein. Wenn der Stab aus der Ruhe losgelassen wird (v0=0,) muss

 

eingehalten werden.

Schwerpunkt über der Kontaktfläche

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Der Schwerpunkt des Stabes liege nun im Abstand h über der Kontaktfläche, sodass die Reibkräfte Drehmomente am Schwerpunkt aufbringen, bzw. die D’Alembertsche Trägheitskraft ein Drehmoment an den Kontaktflächen bewirkt, siehe auch Dynamisches Gleichgewicht. Das Momentengleichgewicht an den Kontaktstellen der Rollen A und B liefert nun:

 

Newtons zweites Gesetz liefert hier:

 

woraus die Modifikationen

 

resultieren. Wenn der Stab aus der Ruhe losgelassen wird (v0=0,) muss hier

 

eingehalten werden. Bei b < μh verliert die Lösung ihre Gültigkeit.

Messung der Reibzahl

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Wird die Eigenkreisfrequenz ω0 oder die Periodendauer   gemessen, kann die Reibzahl berechnet werden:

 
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Literatur

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  1. H. Jäger, R.d Mastel, M. Knaebel: Technische Schwingungslehre. Grundlagen – Modellbildung – Anwendungen. Springer Vieweg, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-13792-2, S. 42 ff., doi:10.1007/978-3-658-13793-9.