Raphael Chamizer

Arzt, Illustrator und Bildhauer

Raphael Chamizer (hebräisch: רפאל חמיצר) (* 10. März 1882 in Leipzig; † 28. Oktober 1957 in Tel Aviv) war ein deutsch-israelischer Arzt, Illustrator und Bildhauer.

Raphael Chamizer, um 1935

Leben und Werk Bearbeiten

Raphael Chamizer wurde am 10. März 1882 als Sohn des Orientalisten Moritz Chamizer (1847–1917) und dessen Ehefrau Agnes, geborene Schwarz (1855–1916), in eine Leipziger jüdische Familie geboren. Er war der Bruder des Juristen und Chemiefabrikanten Erwin Chamizer (1878–1916) und der in der Shoah ermordeten Lucie Löbl.

Chamizer studierte nach dem Besuch des städtischen Realgymnasiums ab 1902 an der Universität Leipzig Medizin. Er wurde 1908 zum Thema Über den physiologischen und pathologischen Zusammenhang zwischen den weiblichen Brustdrüsen und der Genitalsphäre promoviert und eröffnete im selben Jahr seine Praxis in der damaligen Zöllnerstraße 4 (heute: Emil-Fuchs-Straße) in Leipzig. Später erfolgte eine Facharztausbildung zum Internisten.

Er war Mitglied im Zionistischen Verein in Leipzig und 1909 Delegierter des 9. Zionistenkongresses in Hamburg. 1910 heiratete er die aus Eberswalde stammende Ella Hadassah Schwarz, aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Raphael Chamizer hatte auch künstlerisch gewirkt. Gemeinsam mit dem Hebraisten Mojzis Woskin-Nahartabi brachte er das Lesebuch Liladenu für Kinder heraus, welches er im orientalisierenden Jugendstil illustrierte und in der Tradition der vom Leipziger Lehrerverein herausgegebenen Fibel Guck in die Welt stand.[1] 1921 gab er einen Almanach und Kalender mit selbst gestalteten Vignetten für das jüdische Jahr 5682 heraus, Vorbild war hier der Jüdische Almanach von Berthold Feiwel.[2]

Von einer Reise nach Florenz 1924 kehrte er beeindruckt von den dortigen Skulpturen Michelangelos zurück und beschloss, Bildhauer zu werden. Er richtete in seiner Villa Najork in der Bismarckstraße 22 (heute: Ferdinand-Lassalle-Straße) ein Atelier ein[3] und schuf als Autodidakt vor allem Büsten aus Bronze, Gips und Marmor. Mit dem Leipziger Kunstverein, in dem er auch Mitglied war,[4] stellte er seine Werke trotz anfänglicher Zweifel aus, so im April 1927 im Rahmen der Gedächtnisausstellung für Lovis Corinth im Museum der bildenden Künste. 1931 bezog er für seine bildhauerische Arbeiten das ehemalige Atelier von Max Klinger in der Karl-Heine-Straße 6.

Im Dritten Reich verlor 1935 Chamizer die kassenärztliche Zulassung. 1938 gelang die Auswanderung der Familie nach Palästina, sie ließ sich in Tel Aviv nieder. Sein in Leipzig verbliebenes Eigentum wurde noch im selben Jahr versteigert. In Tel Aviv erwarb Chamizer eine ärztliche Zulassung und eröffnete 1940 eine internistische Praxis. Ein Jahr später wurden im Tel Aviv Museum of Art Werke von ihm ausgestellt.[5] In den frühen 1950er Jahren erkrankte Chamizer schwer und musste seine medizinische und künstlerische Arbeit aufgeben. Raphael Chamizer starb 1957 in Tel Aviv (laut dem Rechtshistoriker Hubert Lang in Haifa[6]).

Von den größeren bildhauerischen Arbeiten Chamizers sind nur zwei erhalten: die Bronzeplastik Hiob (1936, Tel Aviv Museum of Art) und die Skulptur Trauer (viele Jahre in der Trauerhalle des Neuen Israelitischen Friedhofs in Leipzig aufgestellt, heute in Privatbesitz eines Enkels).

Sein Sohn Immanuel Chamizer (1913–1948), der 35-jährig im Palästinakrieg fiel, war ebenfalls Künstler.[7] Ein Enkel ist der in Israel sehr populäre Konzeptkünstler, Radio- und Fernsehmoderator, Journalist und Quizmaster Dan Chamizer (* 1947).[8]

 
Titelblatt und Frontispiz von Liladenu, 1921

Werke (als Illustrator) Bearbeiten

  • (als Hrsg. und Illustrator): Jüdischer Almanach. 5682. Moses Wolf Kaufmann, Leipzig 1921, DNB 010133259 (online beim Center for Jewish History).
  • Mojzis Woskin-Nahartabi: Liladenu. Sefer-miḳra ʿivri. [לילדינו ספר-מקרא עברי. Für unsere Kinder]. Moses Wolf Kaufmann, Leipzig 1921, DNB 1004383584.

Ausstellungen (Auswahl) Bearbeiten

  • 1927 in Leipzig: Museum der bildenden Künste, Leipziger Kunstverein (Plastiken von Raphael Chamizer)[9]
  • 1941 in Tel Aviv: Tel Aviv Museum of Art (Gruppenausstellung zusammen mit Ludwig Schwerin und Joseph Kossonogi)[5]
  • 1990 in Herzlia: Herzliya Museum of Contemporary Art (Early Eretz Israeli Sculpture 1906–1939, Gruppenausstellung)[5]
  • 1993 in Leipzig: Krochhochhaus, Universität Leipzig und Ephraim Carlebach Stiftung (Leipziger jüdische bildende Künstler, Gruppenausstellung)[10]
  • 2019 in Leipzig: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (L'dor v'dor. Von Generation zu Generation. Familie Chamizer aus Leipzig, Gruppenausstellung)[11]

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Barbara Kowalzik: Lehrerbuch. Die Lehrer und Lehrerinnen des Leipziger jüdischen Schulwerks 1912–1942, vorgestellt in Biogrammen (= Leipziger Kalender. Sonderband 2006/1), Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2006, ISBN 978-3-86583-117-0, S. 258.
  2. Rachel Heuberger, Hans Otto Horch, Gabriele von Glasenapp: Deutsch-Jüdische Periodika. In: Hans Otto Horch (Hrsg.): Handbuch der deutsch-jüdischen Literatur. De Gruyter, Berlin und Boston 2016, ISBN 978-3-11-028081-4, S. 500–526, hier S. 521.
  3. Wolfgang Hocquél: Villa Najork. Architektur und Geschichte einer Leipziger Unternehmervilla. In: Leipziger Blätter 71 (2017), S. 10–12, hier S. 11.
  4. Leipziger Kunstverein.Verzeichnis der Mitglieder 1930. Herfurth & Co., Leipzig 1930, ZDB-ID 1469912-6, S. 7.
  5. a b c Raphael Chamizer. Group Exhibitions. In: Information Center for Israeli Art. The Israel Museum, Jerusalem, abgerufen am 20. Oktober 2023 (englisch).
  6. Hubert Lang: Raphael Chamizer, Arzt und Bildhauer. In: Dr. Iur. Hubert Lang, Rechtshistoriker. Juden in Leipzig. Abgerufen am 21. Oktober 2023.
  7. Von Leipzig nach Paris mit Immanuel Chamizer. Kalender 2022/2023 | 5783/5784 mit jüdischen und gesetzlichen Feiertagen. Hentrich & Hentrich, Berlin und Leipzig 2022, ISBN 978-3-95565-550-1, Bl. [17].
  8. Stadtgeschichtliches Museum beleuchtet die Geschichte der jüdischen Familie Chamizer aus Leipzig. In: Stadt Leipzig. 14. Juli 2019, abgerufen am 19. Oktober 2023.
  9. Plastiken eines Leipziger Künstlers. In: Leipziger Konzert-, Theater- und Verkehrsblatt 3 (1927), Nr. 27, ZDB-ID 1405226-X, S. 425–426.
  10. Hubert Lang: Leipziger jüdische bildende Künstler. Ausstellung der Ephraim Carlebach Stiftung und der Leipziger Universität im Krochhochhaus,1993. In: Dr. Iur. Hubert Lang, Rechtshistoriker. Juden in Leipzig. Abgerufen am 19. Oktober 2023.
  11. L'dor v'dor. Von Generation zu Generation. Familie Chamizer aus Leipzig. Ausstellungen: Ausstellungsarchiv. In: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig. Abgerufen am 18. Oktober 2023.