Oktaeder des Grauens

Mathematikaufgabe aus dem Bereich lineare Algebra und analytische Geometrie, die im Zentralabitur Nordrhein-Westfalens von 2008 gestellt wurde

Der Oktaeder des Grauens ist eine von den Medien popularisierte Bezeichnung für eine Mathematikaufgabe aus dem Bereich lineare Algebra und analytische Geometrie, die im Zentralabitur Nordrhein-Westfalens von 2008 gestellt wurde. Da sie von vielen Schülern als zu schwer empfunden wurde und zusammen mit der Nowitzki-Aufgabe (Stochastik) für das schlechte Abschneiden vieler Schüler im Bereich Mathematik verantwortlich gemacht wurde, fand sie einen größeren Widerhall in den Medien und entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem Sinnbild für die Probleme des neu eingeführten Zentralabiturs von Nordrhein-Westfalen.

Hintergrund und Rezeption

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Nachdem es bei dem im Vorjahr neu eingeführten Zentralabitur zu vergleichsweise wenig Problemen gekommen war, traten 2008 insbesondere im Bereich Mathematik größere Probleme auf, die zu Protesten von Schülern und Lehrern führten und nationale Aufmerksamkeit erregten. Die Mathematikaufgaben, die vielen Schülern unerwartet starke Schwierigkeiten bereiteten, waren die Oktaeder-Aufgabe und eine Aufgabe aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu Würfen des Basketballspielers Dirk Nowitzki, die seitdem auch als Nowitzki-Aufgabe[1] bezeichnet wird.[2]

Die Oktaeder-Aufgabe wurde zunächst von Schülern in internen Diskussionen als Oktaeder des Grauens bezeichnet. Diese Bezeichnung wurde dann schnell von den Medien übernommen[3] und fand sich auch in diversen Überschriften von Pressepublikationen wieder. So betitelte zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung ihren Bericht zum Abitur in Nordrhein-Westfalen mit „Oktaeder des Grauens“.[4] Später wurde diese Bezeichnung auch von der Fachliteratur übernommen und oft auch als exemplarisches Beispiel für Probleme beim Zentralabitur Nordrhein-Westfalens zitiert.[5]

Erste Rückmeldungen über die Schwierigkeiten wurden über spickmich, einem Internetportal für Schüler, bekannt. In einer (nicht repräsentativen) Umfrage des Portals unter 1000 Schülern, die die umstrittenen Mathematikaufgaben bearbeitet hatten, gaben 50 % an, dass sie in Nach- oder Abweichungsprüfungen müssten. Auch über eine weitere Internetplattform organisierte sich Protest, die Initiative Mathe-Boykott sammelte 2778 Unterschriften von Eltern, Lehrern und Schülern für die Forderung, die Mathematiknoten pauschal anzuheben.[2] Kritik kam auch vom Philologenverband Nordrhein-Westfalens und mehrere Mathematikprofessoren kritisierten insbesondere die Formulierung der Nowitzki-Aufgabe. Große Teile der Presse äußerten sich ebenfalls kritisch zu Aufgaben, Ablauf und Krisenmanagement des Abiturs durch die Regierung Nordrhein-Westfalens, es war von einem „Abi-Chaos“ und „Mathe-Chaos“ die Rede.[6][7][8]

Aufgrund des zunehmenden öffentlichen Drucks setzte die Kultusministerin Barbara Sommer (CDU) anstatt der sonst üblichen Nachprüfungen für Einzelfälle schließlich einen allgemeinen Wiederholungstermin für den 17. Juni an, der allen Schülern, die die Oktaeder- oder Nowitzki-Aufgabe bearbeitet hatten, offen stand.[2][9] Zudem setzte sie eine neue an der TU Dortmund beheimatete Kommission unter Leitung von Wilfried Bos ein, deren Aufgabe es ist, zukünftige Abituraufgaben zu begutachten.[10][11][12]

Notenstatistik

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Rund 34.000 Schüler legten eine schriftliche Prüfung im Fach Mathematik ab, und etwa 20.000 von ihnen (60 %) bearbeiteten die Oktaeder-Aufgabe. Die Nowitzki-Aufgabe wurden hingegen nur von etwa 900 Schülern bearbeitet und spielte damit bei den Schwierigkeiten eine eher untergeordnete Rolle. Zudem ergab eine vom Ministerium durchgeführte Stichprobe anders als bei der Oktaeder-Aufgabe keine Hinweise darauf, dass die Nowitzki-Aufgabe den Schülern besondere Probleme bereitete. An Gymnasien wurde in Klausuren ein Notendurchschnitt von 8,2 Punkten (mögliche Notenpunkte: 0 bis 15) erreicht, der exakt der durchschnittlichen Vornote entsprach. An Gesamtschulen jedoch wurde nur ein Notendurchschnitt von 4,6 Punkten erreicht, der zudem auch 2,3 Punkte unter der durchschnittlichen Vornote von 6,9 Punkten lag. Bei den Leistungskursen wiesen an Gymnasien 11,7 % und an Gesamtschulen 40,2 % der Schüler in der Klausur eine negative Abweichung von drei oder mehr Notenpunkten gegenüber der Vornote auf. Die Anzahl der Schüler, die in der Leistungskursklausur eine Minderleistung (weniger als 5 Punkte) erbrachten, lag an Gymnasien bei 16,8 % und an Gesamtschulen bei 54,5 %, was eine Zunahme von 5 % für Gymnasien und 10,6 % für Gesamtschulen gegenüber dem Vorjahr bedeutete. 1801 Schüler nahmen an der angebotenen Wiederholungsklausur am 17. Juni teil; dabei verbesserten die Leistungskursschüler ihre Klausurnote im Schnitt um 1,8 Punkte und die Grundkursschüler um 2,7 Punkte.[13]

Fachdidaktische Sicht

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Der leitende Regierungsschuldirektor Norbert Stirba äußerte sich im Herbst 2008 in einem Interview zu der Oktaeder-Aufgabe. Ihm zufolge bestand ein Unterschied zum Abitur des vorangegangenen Jahres darin, dass diesmal auch in größerem Umfang leistungsstarke Schüler Schwierigkeiten mit der Aufgabenstellung hatten. Dies lag zum einen daran, dass sie vermutlich zu zeitaufwendig war, und zum anderen, dass sie einen Schwerpunkt auf die geometrische Anschauung legte, während im Unterricht vieler Schüler der Fokus auf analytischen Rechenverfahren gelegen hatte.[14]

Der Mathematiker Hans Niels Jahnke beschrieb die Oktaeder-Aufgabe als mathematisch reizvoll, wies aber darauf hin, dass ihre Lösung Kreativität und viel Rechenarbeit benötigte.[15]

Die Bewertung der Oktaeder-Aufgabe durch Fachleute fiel insgesamt weniger kritisch aus als bei der Nowitzki-Aufgabe. Während Letztere von Mathematikprofessoren als "unlösbar" und "unsinnig" ohne zusätzliche Annahmen durch den Schüler bewertet und für das Fehlen eines expliziten Hinweises zu diesen kritisiert wurde,[16] wurde Erstere sowohl als lösbar als auch vom Schwierigkeitsgrad der einzelnen Teilaufgaben her als angemessen betrachtet. Allerdings wurde sie als zu umfangreich für die zur Verfügung stehende Zeit angesehen und zudem aus Sicht der Mathematikdidaktik kritisiert.[17][18] So argumentiert zum Beispiel der Mathematikdidaktiker Rainer Kaenders, dass sich eine mathematische Kompetenz gerade dadurch auszeichne, eine möglichst einfache Darstellung für eine mathematische Modellierung zu wählen. Dementsprechend würde man für Untersuchungen an einem Oktaeder diesen so in einem Koordinatensystem platzieren, dass sein Mittelpunkt im Ursprung des Koordinatensystems liegt und auch für Schnittebenen eine einfachere Darstellung wählen. Die für die Oktaeder-Aufgabe gewählte Darstellung sei daher mathematisch unsinnig, nicht authentisch und diente vermutlich allein dazu, den (technischen) Schwierigkeitsgrad der Aufgabe künstlich zu erhöhen.[19]

Aufgabenstellung

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Abbildung 1
 
Abbildung 2

Sowohl die Grund- als auch die Leistungskursaufgabe beginnen mit derselben weiter unten wiedergegebenen Definition eines Oktaeders und den beiden rechts gezeigten Abbildungen. Zudem waren für beide dieselben Hilfsmittel zugelassen, nämlich ein wissenschaftlicher Taschenrechner (WTR oder GTR), eine mathematische Formelsammlung und ein Wörterbuch der deutschen Rechtschreibung.[20][21]

Ein Oktaeder ist ein regelmäßiges Polyeder, dessen Oberfläche aus acht kongruenten gleichseitigen Dreiecken besteht. Jedes Oktaeder kann einem Würfel so einbeschrieben werden, dass die Eckpunkte des Oktaeders in den Mittelpunkten der Seitenflächen des Würfels liegen.[20][21]

Leistungskurs

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Von dem in der Abbildung 1 dargestellten Oktaeder   sind die Eckpunkte   und   gegeben. Dieses Oktaeder ist auf die oben genannte Art in den abgebildeten Würfel mit den Ecken   bis   einbeschrieben.[21]

Den Abstand zweier paralleler Seitenflächen eines Oktaeders nennt man „Dicke des Oktaeders“. Berechnen Sie die Dicke des abgebildeten Oktaeders als Abstand des Punktes   von der Ebene  . (8 Punkte)

Bestimmen Sie die Koordinaten der Eckpunkte   und   des abgebildeten Würfels. (8 Punkte)

Der Mittelpunkt der Strecke   sei  , der Mittelpunkt der Strecke   sei  ;   sei die Gerade, die durch diese Punkte   und   verläuft. Das Oktaeder wird um die Gerade   als Drehachse so gedreht, dass sich der Punkt   in die neue Position   bewegt. Zeigen Sie, dass der zugehörige Drehwinkel   beträgt. Ermitteln Sie die Koordinaten des Punktes   als neue Position des Eckpunktes   nach der Drehung. (11 Punkte)

Durch   sei eine Schar von Ebenen   gegeben;   sei die Gerade, die durch die Punkte   und   verläuft. Zeigen Sie, dass jede Ebene   der Schar orthogonal zur Geraden   verläuft. Bestimmen Sie den Schnittpunkt   der Ebene   mit der Geraden  . [Zur Kontrolle:  ] Für   schneidet die Ebene   von dem abgebildeten Oktaeder eine Pyramide mit der Spitze   ab (siehe Abbildung 2). Ermitteln Sie das Volumen   der abgeschnittenen Pyramide. (15 Punkte)

Von dem Oktaeder werden sechs Pyramiden mit dem gleichen Volumen   so abgeschnitten, dass jede Ecke des Oktaeders die Spitze einer Pyramide und die Grundfläche jeder abgeschnittenen Pyramide parallel zur gegenüberliegenden Würfelseite ist (vgl. Aufgabenteil d)). Es entsteht ein Restkörper  . Beschreiben Sie die Eigenschaften dieses Restkörpers   für   und   hinsichtlich der Anzahl und Eigenschaften seiner Seitenflächen. (8 Punkte)

Grundkurs

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Gegeben sind die Punkte   und  .[20]

Begründen Sie: Die Punkte   und   sind die Eckpunkte eines rechtwinkligen und gleichschenkligen Dreiecks. Berechnen Sie die Koordinaten des Punktes   so, dass die Punkte   und   ein Quadrat bilden. (8 Punkte)

Die Ebene   enthält das Quadrat  . Ermitteln Sie eine Gleichung der Ebene   in Parameterform und in Koordinatenform. [Zur Kontrolle:  ] (11 Punkte)

Der Punkt  , der nicht in der Ebene   liegt, wird an der Ebene   gespiegelt, so dass der zu   symmetrisch liegende Spiegelpunkt   entsteht. Bestimmen Sie die Koordinaten des Punktes  . Begründen Sie: Der Körper mit den Eckpunkten   und   ist ein Oktaeder (7 Punkte)

Das Oktaeder   ist gemäß Abbildung 1 einem Würfel so einbeschrieben, dass die Eckpunkte des Oktaeders in den Mittelpunkten der Seitenflächen dieses Würfels liegen. Bestimmen Sie die Koordinaten der Eckpunkte   und   des Würfels (10 Punkte)

Von dem Oktaeder   wird ein pyramidenförmiges Stück so abgeschnitten, dass die Pyramidenspitze der Punkt   ist und die von   ausgehenden Kanten der abgeschnittenen Pyramide die gleiche Länge   haben (siehe Abbildung 2). Ermitteln Sie das Volumen der abgeschnittenen Pyramide für den Fall, dass ihre Kantenlänge   ein Drittel der Länge der Oktaederkante   beträgt. Nun werden von allen weiteren Ecken des Oktaeders   gleich große Pyramiden mit der Kantenlänge   abgeschnitten, so dass ein Restkörper   entsteht. Beschreiben Sie diesen Restkörper   für den Fall   hinsichtlich der Anzahl und Eigenschaften seiner Seitenflächen (Anzahl der Ecken, Seitenlängen). Beschreiben Sie den Restkörper   für den Fall   hinsichtlich der Anzahl und Eigenschaften seiner Seitenflächen. (14 Punkte)

Im Folgenden bezeichnen   die Ortsvektoren,   den Verbindungsvektor,   die Verbindungsstrecke und   die Länge der Verbindungsstrecke beziehungsweise den Abstand zweier Punkte  .

Leistungskurs

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Oktaeder mit Dicke  
 
Querschnitt mit Dicke  
 
 
 
 
 
 
 

Das Dreieck   liegt in der folgenden Ebene in Parameterform:

 

Die die Ebene aufspannenden Vektoren und den Ortsvektor den Punktes   kann man in die Abstandsformel eines Punktes von einer Ebene einsetzen und somit ergibt sich:

 
 

Alternativ kann man auch den Schnittpunkt der Ebene mit der durch   verlaufenden Geraden, die als Richtungsvektor einen Normalenvektor der Ebene (z. B.  ) besitzt, berechnen und dann die Abstandsformel für Punkte auf   und den Schnittpunkt anwenden.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin die Symmetrie des Oktaeder auszunutzen, aufgrund der die Schnittpunkte der Seitenhalbierenden der beiden gleichseitigen Dreiecke   und   durch eine Strecke verbunden sind, die senkrecht auf ihren Flächen steht und damit der Dicke entspricht. Nutzt man noch, dass sich die Seitenhalbierenden im Verhältnis 2:1 schneiden, so kann man die Schnittpunkte   und   mit Hilfe der Mittelpunkte   und   der Seiten   und   wie folgt berechnen:

 
 

Die Dicke erhält man nun, indem man den Abstand der beiden Punkte   und   berechnet:

 

Es ist auch eine elementargeometrische Herleitung möglich, die nur die Kantenlängen des Oktaeders verwendet. Betrachtet man die Ebene, die durch   und die Seitenmitten   der Seiten   verläuft, so erhält man in dieser eine Raute mit den Eckpunkten  . Die Dicke des Oktaeders entspricht dann der Höhe in dieser Raute. Von der Raute kennt man nun ihre Seitenlänge   und ihre Diagonalen   und   beziehungsweise kann diese aus den gegebenen Eckenpunkten des Oktaeders berechnen. Die Höhe erhält man nun, indem man erst mit Hilfe des Kosinussatzes einen Innenwinkel berechnet und mit diesem die Höhe. Wenn man zunächst die Fläche der Raute anhand ihrer Diagonalen   und   oder der Formel von Heron bestimmt, so kann man die Höhe auch ohne Trigonometrie bestimmen, indem man die Fläche durch die Seitenlänge   teilt.

 
Berechnung von   und  

Um   und   aus den gegebenen Punkten beziehungsweise den Ortsvektoren des Oktaeders zu berechnen, sucht man, wie man diese aus den gegebenen Ortsvektoren zusammensetzen kann. Eine Möglichkeit ist die folgende:

 
 

Zunächst benötigt man den Punkt auf der Rotationsgeraden der in der Rotationsebene liegt, dieser ist der Mittelpunkt   der Strecke  . Der Winkel zwischen den Vektoren   und   ist der Drehwinkel. Da man nur einen   beziehungsweise Orthogonalität nachweisen will, reicht es zu zeigen, dass das Skalarprodukt der beiden Vektoren 0 ist.

 
 
 

Da eine Drehung die relative Lage von   und   zueinander unverändert lässt, liegen   und   auf einer gemeinsamen Geraden (siehe Zeichnung), daher lässt sich   wie folgt berechnen:

 

Aus der Ebenengleichung   kann man ihren Normalenvektor   ablesen. Um nachzuweisen, dass die Gerade   senkrecht auf allen Ebenen   steht, muss man zeigen, dass ihr Richtungsvektor ein Vielfaches des Normalenvektors   ist bzw. von diesem linear abhängig ist. Wählt man   als Richtungsvektor der Geraden  , dann sieht man sofort:

 

Alternativ kann man die lineare Abhängigkeit zweier Vektoren auch nachweisen, indem man zeigt, dass ihr Kreuzprodukt den Nullvektor ergibt:

 

Mit dem oben gewählten Richtungsvektor hat man die folgende vektorielle Darstellung der Geraden  :

 

Um den Schnittpunkt der Geraden mit der Ebene zu berechnen, setzt man die Koordinaten die man aus der Geradendarstellung erhält in der Ebenengleichung ein und erhält so eine lineare Gleichung für  , aus der man   in Abhängigkeit von   bestimmen kann:

 

Den so gefundenen Parameter   setzt man nun in die Geradengleichung ein und erhält so den Ortsvektor des gesuchen Schnittpunkts  

 

Schaut man sich die Berechnung des Punktes an, so sieht man, dass   den Verbindungsvektor   um den Faktor   skaliert:

 

Die abgeschnittene Pyramide ist also eine um den Faktor   skalierte beziehungsweise zentrisch gestreckte Version der Pyramide  . Somit muss man deren Volumen   nur mit dem Faktor   multiplizieren, um das Volumen   der abgeschnittenen Pyramide zu erhalten.

Es gilt:

 

Zusammen mit der allgemeinen Formel   für das Volumen von Pyramiden ergibt sich dann für das gesuchte Volumen   der abgeschnittenen Pyramide:

 

Möchte man nicht auf zentrischer Streckungen (im Raum) und deren Eigenschaften zurückgreifen, so kann man stattdessen auch die sich aus den Strahlensätzen ergebenden Seitenverhältnisse in der Pyramide verwenden (siehe Grundkursaufgabe e)).

Schneidet man an den Ecken des Oktaeders relative kleine Pyramiden ab, so entsteht ein Polyeder, dessen Oberfläche aus sechs Quadraten und acht Sechsecken besteht. Hierbei entstehen die Sechsecke aus Dreiecken des Oktaeders, die jeweils drei zusätzliche Seiten erhalten. Vergrößert man die Pyramiden nun immer weiter, so schrumpfen die drei auf den Oktaederkanten liegenden Seiten der Sechsecke immer weiter, bis sie verschwunden sind und die Schnittkanten der Pyramiden direkt aufeinander treffen. In diesem Fall entsteht dann ein Polyeder, der aus 6 Quadraten und 8 gleichseitigen Dreiecken besteht. Die Frage ist nun für welches   dieser Fall eintritt. Da die abgeschnittene Pyramide die um den Faktor   gestreckte Pyramide   ist tritt der gesuchte Fall für   ein und wegen   erhält man für   den Polyeder mit Quadraten und Sechsecken.

Grundkurs

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Ein rechter Winkel in   lässt sich nachweisen, indem man zeigt, dass das Skalarprodukt der zugehörigen Verbindungsvektoren Null ist, also   gilt. Die Gleichschenkligkeit des Dreiecks   weist man durch die Berechnung der Länge der Verbindungsvektoren   und   nach. Es gilt:

 
 
 
 
 

Der rechte Winkel in   lässt sich auch zeigen, indem man die Umkehrung des Satzes des Pythagoras anwendet, das heißt man zeigt, dass   gilt.

 

Die Darstellung der Ebene in Parameterform lautet:

 

Die Koordinatenform erhält man aus der Parameterform, indem sie mit einem Normalenvektor duchmultipliziert. Einen Normalenvektor erhält man zum Beispiel aus dem Kreuzprodukt der beiden Vektoren   und  .

 

Gegebenenfalls ist es sinnvoll nicht das Ergebnis des Kreuzproduktes direkt als Normalenvektor zu verwenden, sondern ein Vielfaches von ihm, was eine einfachere Darstellung bietet. Hier bietet sich die folgende Wahl an:

 

Multipliziert man die Parameterform der Ebene nun mit  , so erhält man:

 
 
Spiegelung von  

Um den Punkt   an der Ebene   benötigt man zunächst die Gerade  , die durch   verläuft und auf   senkrecht steht. Mit dem in b) berechnetem Normalenvektor   als Richtungsvektor besitzt   die Darstellung:

 

Setzt man die Koordinaten der Geraden in der Koordinatenform der Ebene ein, so erhält man eine Gleichung für den Geradenparameter  :

 

Setzt man den für   erhaltenen Wert in der Parameterdarstellung der Geraden ein, so erhält man den Punkt  . Dieser ist der Schnittpunkt von Gerade und Ebene und zudem der Punkt an dem   gespiegelt wird (als Punktspiegelung aufgefasst).

 

Den Spiegelpunkt   erhält man nun, indem man zu   den Verbindungsvektor   addiert oder den Parameterwert in der Geradendarstellung verdoppelt:

 

Nach der in der Aufgabenstellung angegebenen Definition des Oktaeders muss man zeigen, dass die acht Außenflächen von   gleichseitige Dreiecke sind. Da die Figur durch eine Spiegelung entstanden ist, reicht es dies für die Dreiecke  ,  ,   und   nachzuweisen. Aus a) weiß man bereits, dass die Länge von  ,  ,   und     beträgt, damit bleibt noch zu berechnen:

 
 
 
 
 
O ist der Koordinatenursprung
 
 
 
 

Es handelt sich also um gleichseitige Dreiecke und dementsprechend ist   ein Oktaeder.

Alternativ kann man auch zeigen, dass   der Mittelpunkt des Quadrates   ist. Damit ist dann   eine quadratische Pyramide mit vier gleich langen Kanten. Somit muss man dann nur eine Kantenlänge, zum Beispiel   berechnen und mit der Seitenlänge des Quadrates   zu vergleichen. Für den Nachweis der Mittelpunkteigenschaft von   kann man zum Beispiel zeigen, dass   eine der folgenden Gleichungen erfüllt:

 
 
 

Aufgabe und damit auch die Lösung ist identisch mit der Leistungskursaufgabe b) (siehe dort)

 
Strahlensatz:
 

Das Volumen einer quadratischen Pyramide lässt sich mittels der Formel   berechnen, wobei   die Höhe der Pyramide und   Seite des Basisquadrats bezeichnet. Diese beiden Größen lassen sich zum Beispiel mit Hilfe des Strahlensatzes berechnen, da man das Streckenverhältnis auf der Kante   kennt. Es gilt:

 

Mit   (aus a)) und   (aus b)) erhält man schließlich für das Volumen:

 

Die Frage nach den entstehenden Polyedern entspricht der Leistungskursaufgabe e), wobei   dem Fall   und   dem Fall   entspricht (siehe dort).

Literatur

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  • Hans-Wolfgang Henn, Andreas Filler: Didaktik der Analytischen Geometrie und Linearen Algebra: Algebraisch verstehen – Geometrisch veranschaulichen und anwenden. Springer, 2015, ISBN 9783662434352, S. 233–234
  • Wolfgang Alvermann: The Octrahedron of Horror. The Derive Newsletter #77, März 2010, ISSN 1990-7079, S. 35–39
  • Maximilian Selinka, Jörg Stark: Mathematik 2009. Klett, 2008, ISBN 978-3129298657 (Abiturvorbereitung, enthält die Abi-Aufgaben 2007 und 2008 inklusive Lösungen)
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Commons: Oktaeder des Grauens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Ute Sproesser, Silvia Wessolowski, Claudia Wörn: Daten, Zufall und der Rest der Welt: Didaktische Perspektiven zur anwendungsbezogenen Mathematik. Springer, 2015, ISBN 9783658046699, S. 15
  2. a b c Peter V. Brinkemper: Schöne Neue Mathematik und der Oktaeder des Grauens. Telepolis, 22. Juni 2008
  3. Jens Stubbe, Volker Schulte: Das "Oktaeder der Grauens". Westfalenpost, 5. Juni 2008
  4. Tanyev Schultz: "Oktaeder des Grauens". Süddeutsche Zeitung, 7. Juni 2008
  5. siehe z. B. Drossel/Strietholt, Henn/Filler oder Stender
  6. Kristian Frugelj: Skandal um Abitur-Aufgaben?. Die Welt, 7. Juni 2008
  7. "Aufgabe unlösbar, Lösung unsinnig". Westfalenpost, 22. Juni 2008
  8. Christoph Lumme: Abitur 2008: Der Würfel des Grauens. Westdeutsche Zeitung, 22. Mai 2008
  9. Markus Flohr, Jochen Leffers: "Oktaeder des Grauens" - Mathe-Opfer in NRW erhalten zweite Chance. Spiegel Online, 9. Juni 2008
  10. Theo Schumacher: Abi-Pannenserie trotz teurer Experten - Ministerium will 'Abi-Tüv' überprüfen. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 26. Juni 2011
  11. Pannenfreies Zentralabitur. Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 2010 (online)
  12. Arno Heissmeyer: ZentralabiturEine zweite Chance. Focus, 9. Juni 2008
  13. Evaluation Zentralabitur 2008 an Gymnasien und Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen (abgerufen, 26. März 2019)
  14. Zentrale Prüfungen 2008. Newsletter vom 25. September 2008 (Interview mit dem Leitenden Regierungsschuldirektor Norbert Stirba)
  15. Stephan Hermsen: Die Chaostheorie als Zugabe. Neue Ruhr Zeitung, 10. Juni 2008
  16. Franz-Reinhold Diepenbrock: Basketballaufgabe aus dem Zentralabitur Nordrhein-Westfalen (abgerufen am 22. August 2020)
  17. Franz-Reinhold Diepenbrock: Pannen, Beinahe-Pannen und nur vermeintliche Pannen beim Mathematik-Zentralabitur NRW in den Jahren 2008 , 2010 und 2011 (abgerufen am 24. März 2019)
  18. Peter Stender: Lehrerinterventionen bei der Betreuung von Modellierungsfragestellungen auf Basis von heuristischen Strategien. In: Rita Borromeo Ferri (Hrsg.), Werner Blum (Hrsg.): Lehrerkompetenzen zum Unterrichten mathematischer Modellierung: Konzepte und Transfer. Springer, 2018, ISBN 9783658226169, S. 122
  19. Rainer Kaenders: Begeisterung für Mathematik. Antrittsvorlesung an der Uni Köln, 24. Oktober 2008, S. 10–13 (Online-Kopien: [1], [2])
  20. a b c M GK HT 6, Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Abiturprüfung 2008, Grundkurs) (Online-Kopie, pdf, S. 205-214 (archived))
  21. a b c M LK HT 6, Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Abiturprüfung 2008, Leistungskurs) (Online-Kopie (archived); Online-Kopie, pdf, S. 301-313 (archived))