Der Begriff Narco-Staat (von Spanisch narcotráfico: Drogenhandel) ist ein umstrittener Neologismus, der ein Land bezeichnet, dessen politische Institutionen in illegalen Drogenhandel verstrickt oder an diesem aktiv beteiligt sind und damit die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Drogenhandel sich zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor des Landes entwickelt. Dabei sind Mitglieder und Beamte der Regierung ein Teil des Netzwerkes des Drogenhandels und können durch ihre rechtlichen Befugnisse geschützt sein.[1]

Die Verwendung des Begriffs begann in den späten 1980er Jahren, als man die inneren Konflikte und politischen Unruhen in den Kokain-Produzentenländern Peru, Kolumbien und Bolivien untersuchte und beschrieb.[1] Heutzutage betreibt Kolumbien eine restriktivere Drogenpolitik.

Nach Ansicht des Geowissenschaftlers Pierre-Arnaud Chouvy vom Centre national de la recherche scientifique ist der Begriff „Narco-Staat“ eine unbrauchbare Vereinfachung, die den komplexen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umständen der einzelnen Staaten nicht gerecht wird.[2]

Beispiele

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Im Jahr 2006 wurde Afghanistan vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung als potenzieller „Narco-Staat“ eingeschätzt.[3] Das Regime des syrischen Diktators Baschar al-Assad erwirtschaftet mit der Produktion und dem Schmuggel der synthetischen Droge Captagon jährlich über eine Milliarde US-Dollar. Dies entspricht einem großen Teil des offiziellen Staatshaushaltes von 2021.[4]

Der US-amerikanische Sicherheitsforscher Paul Rexton Kan vom United States Army War College stufte im Jahr 2016 folgende Staaten als „Narco-Staaten“ ein:[1]

Land Drogen Art Zustand
Afghanistan Opium, Heroin, Haschisch Produzent fortgeschritten
Bahamas Marihuana, Kokain Umschlagsplatz beginnend
Belize Marihuana, Kokain Umschlagsplatz ernst
Birma Opium, Heroin, Methamphetamin Produzent fortgeschritten
Bolivien Kokain Produzent kritisch
Kambodscha Opium, Heroin, Methamphetamin beides ernst
Kolumbien Kokain, Heroin, Marihuana Produzent kritisch
Ecuador Kokain Umschlagsplatz in Entwicklung
El Salvador Kokain, Heroin Umschlagsplatz ernst
Guatemala Kokain, Heroin Umschlagsplatz kritisch
Guinea Kokain Umschlagsplatz kritisch
Guinea-Bissau Kokain Umschlagsplatz fortgeschritten
Haiti Kokain, Heroin Umschlagsplatz ernst
Honduras Kokain, Heroin Umschlagsplatz kritisch
Iran Heroin, Haschisch Umschlagsplatz beginnend
Jamaika Marihuana, Kokain beides ernst
Laos Opium, Heroin, Methamphetamin beides ernst
Libanon Marihuana, Heroin, Kokain,
amphetaminartige Drogen
beides in Entwicklung
Mali Marihuana, Kokain, Heroin beides ernst
Mexiko Marihuana, Kokain, Heroin,
amphetaminartige Drogen
beides ernst
Nigeria Kokain, Heroin Umschlagsplatz ernst
Nordkorea Heroin, Metamphetamin Produzent fortgeschritten
Pakistan Opium, Heroin Umschlagsplatz ernst
Panama Kokain, Heroin Umschlagsplatz beginnend
Papua-Neuguinea Marihuana Produzent beginnend
Peru Kokain Produzent kritisch
Senegal Kokain, Heroin Umschlagsplatz in Entwicklung
Thailand Heroin, amphetaminartige Drogen Umschlagsplatz in Entwicklung
Tadschikistan Heroin Umschlagsplatz kritisch
Usbekistan Opium, Heroin, Marihuana, Haschisch Umschlagsplatz ernst
Vietnam Heroin, amphetaminartige Drogen Umschlagsplatz in Entwicklung

Literatur

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  • Paul Rexton Kan: Drug Trafficking and International Security. Rowman & Littlefield 2016, S. 48–69. (Online)
  • Pierre-Arnauld Chouvy: The myth of the narco-state. In: Stewart Williams, Barney Warf (Hrsg.): Drugs, Laws, People, Place and the State. Routledge, 2017. (Online)
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Einzelnachweise

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  1. a b c Paul Rexton Kan: Drug Trafficking and International Security. Rowman and Littlefield, 2016, S. 51. (Online)
  2. Pierre-Arnauld Chouvy: The myth of the narco-state. In: Stewart Williams, Barney Warf (Hrsg.): Drugs, Laws, People, Place and the State. Routledge, 2017. (Online)
  3. Afghanistan Risks Becoming a Narco-State, UNODC Executive Director Warns. Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, 28. Juni 2006.
  4. Christoph Ehrhardt: Syrien, ein Narco-Staat: Wie Arabiens Machthaber den Drogenhandel der Assads belohnen. Frankfurter Allgemeine, 8. Mai 2023