Max Schleisner

deutscher Rechtsanwalt, Opfer des Holocaust

Max Schleisner[1] (auch: Max Schleissner;[2] * 10. November 1885 in Hannover; † 18. Juli 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt) war ein deutscher Rechtsanwalt und Notar, Offizier und Opfer des Holocaust.[1]

Leben Bearbeiten

Max Schleisner wurde in den Gründerjahren des Deutschen Kaiserreichs als Sohn des aus jüdischer Familie stammenden und in Linden tätigen Kaufmannes Isaak Schleisner geboren. Nach seinem Abitur am damaligen Lindener Kaiserin-Auguste-Viktoria Gymnasium studierte er ab 1904 Rechtswissenschaft an der Philipps-Universität in Marburg, an der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Georg-August-Universität in Göttingen. 1910 wurde er dort promoviert. Titel der Dissertation: "Der Erwerb eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft".

1913 ließ sich Schleisner als Rechtsanwalt in der damals noch selbständigen Industriestadt Linden[3] nieder[1] und diente im Ersten Weltkrieg zunächst als Unteroffizier, im Rang eines Feldwebels, später auch als Offizier.[1]

Zu Beginn der Weimarer Republik heiratete Schleisner am 14. Juli 1919 in Eschwege Gerda, geb. Weinstein (* 9. Januar 1895 in Eschwege; † 19. Oktober 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt, 1952 für tot erklärt).[4] Ab 1920 engagierte er sich im Vorstand der jüdischen Gemeinde Hannovers,[1] u. a. als deren ehrenamtlicher Justiziar.[5]

1921 wurde Schleisner zum Notar ernannt.[1] 1930 war er gewählter Abgeordneter des 6. Preußischen Landesverbandstages jüdischer Gemeinden, der im ehemaligen Preußischen Herrenhaus in Berlin am 30. und 31. März des Jahres tagte.[6] Zu dieser Zeit war die Familie in der Sophienstr. 1a ansässig.[7]

 
Von Joseph Berliner an Schleisner adressierter Brief, dessen Stempel für den Stahlhelmtag 1933 in Hannover wirbt
 
Das um 1620 erbaute Fachwerkhaus Knochenhauerstraße 61 (links) wurde eines der von Schleisner inspizierten „Judenhäuser“;
Foto von 1898, Bildarchiv Historisches Museum Hannover

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten übernahm Max Schleisner als Antwort auf den staatlicherseits forcierten Antisemitismus für den Hilfsverein der deutschen Juden die Aufgaben eines Beraters für Auswanderungswillige.[1]

1935 wurde Schleisner das Notariat entzogen, doch bis 1938 blieb der ehemalige Weltkriegsteilnehmer noch vom Berufsverbot verschont.[1]

Nach dem Tode von Joseph Berliner im Jahr 1938 übernahm Max Schleisner die Aufgaben des Vorstehers der jüdischen Gemeinde Hannovers. Zudem versuchte er – gemeinsam mit seinen Mitarbeitern – die noch nicht in andere Länder emigrierten Juden Hannovers zu betreuen und ihnen zu helfen.[1] Doch wie der Jurist Arthur Kaufmann und der Gemeindesekretär Samuel Herskovits stand er seitdem unter besonderer Beobachtung und Überwachung durch die hannoversche Gestapo.[8]

Nach den ebenfalls 1938 von der hannoverschen SS durchgeführten Plünderungen, Schändungen und Anschlägen im Rahmen der sogenannten „Reichskristallnacht[9] und der am 3./4. September 1941 von Gauleiter Hartmann Lauterbacher angeordneten Ghettoisierung der Juden durch die Aktion Lauterbacher[10] inspizierte Max Schleisner als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde einige der als sogenannte „Judenhäuser“ vorgesehenen Übergangs-Ghettos in Hannover, darunter das kleine, um 1620 entstandene damalige Fachwerkhaus Knochenhauerstr. 61. Über die unerträglichen Wohnverhältnisse dort schrieb er in einem Bericht vom 6. September 1941 an die Berliner Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD):

„[…] Wanzen, Ratten. Toiletten vom hygienischen Standpunkt aus unmöglich. In einem nur 15 qm großen Raum 4 Personen und ein Kind. Unter der Belegschaft ein schwer gelähmter Mann.“[11]

Die von den „Judenhäusern“ aus vorgenommenen Deportationen hannoverscher Juden in die Vernichtungslager bedeuteten schließlich das Scheitern der Bemühungen Schleisners.[1]

Bereits 1936/73 konnten der Sohn Justus Joseph und die Tochter Karla mit einem Kindertransport in die USA ausreisen. Max Schleisner selbst, die Ehefrau Gerda und die Tochter Eva wurden am 17. März 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, von wo aus Ehefrau und Tochter in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und ermordet wurden, während Schleisner selbst bereits in Theresienstadt zu Tode kam.[1]

Gedenken Bearbeiten

Seit 1994 finden sich auf einer Schrifttafel des Mahnmals für die ermordeten Juden Hannovers am Opernhaus die Namen und Schicksale der Familie eingraviert.[1]

Siehe auch Bearbeiten

Archivalien Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Ernst Gottfried Lowenthal: Bewährung im Untergang. Ein Gedenkbuch. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1965, S. 151 f.
  • Ernst Gottfried Lowenthal: Juden in Preussen. Biographisches Verzeichnis. Ein repräsentativer Querschnitt. Berlin, Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz, 1981, ISBN 3-496-01012-6, S. 201.
  • Joseph Walk (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. Hrsg. vom Leo Baeck Institute, Jerusalem. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4, S. 330.
  • Hans Joachim Brand: Vergangenes heute. Historische Persönlichkeiten aus der Rechtsanwaltskammer Celle. 2., durchges. und erw. Aufl. Rechtsanwaltskammer, Celle 2004, ISBN 3-00-007147-4, S. 192–193.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Max Schleisner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f g h i j k l Peter Schulze: Schleisner, Max. In: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 316.
  2. Vgl. die Aufschrift des von Joseph Berliner an „Herrn Dr. jur. Max Schleissner“ maschinenschriftlich beschriebenen Briefumschlages.
  3. Klaus Mlynek: Linden. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein u. a. (Hrsg.): Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 406 ff.
  4. Karl Kollmann, York-Egbert König: Weinstein, Cappel. In: Nicolas-Benzin-Stiftung (Hrsg.) Namen und Schicksale der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Eschwege. Ein Gedenkbuch. Lulu Enterprises, Raleigh, North Carolina, 2012, ISBN 978-1-4709-7182-3, S. 239 f.
  5. Peter Schulze: Synagogen. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein u. a. (Hrsg.): Stadtlexikon Hannover, S. 614.
  6. a b Max P. Birnbaum: Staat und Synagoge. 1918–1938. Eine Geschichte des Preussischen Landesverbandes jüdischer Gemeinden (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo-Baeck-Instituts, Band 38). Mohr, Tübingen, 1981, ISBN 978-3-16-743772-8 und ISBN 3-16-743772-3, S. 95, 148.
  7. Preußischer Landesverband jüdischer Gemeinden. In: Jüdisches Adressbuch für Gross-Berlin, 1931, S. 32.
  8. Peter Schulze: The Deportation from Hanover on 15 December 1941. In: Wolfgang Scheffler und Diana Schulle (Bearb.): Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden. Band 1. hrsg. vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. K. G. Saur Verl., München 2003, ISBN 3-598-11618-7, S. 771.
  9. Peter Schulze: Reichskristallnacht. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein u. a. (Hrsg.): Stadtlexikon Hannover, S. 520.
  10. Peter Schulze: Aktion Lauterbacher. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein u. a. (Hrsg.): Stadtlexikon Hannover, S. 17.
  11. "Judenhaus" Knochenhauerstraße auf der Seite des Stadtjugendrings Hannover e. V., Arbeitskreis Erinnerungsarbeit, zuletzt abgerufen am 1. März 2019