Martin Fleischmann
Martin Fleischmann (* 29. März 1927 in Karlsbad, Tschechoslowakei; † 3. August 2012 in Tisbury)[1] war ein deutsch-britischer Chemiker und international anerkannter Experte für Elektrochemie, der durch den Bericht von vielversprechenden Ergebnissen bezüglich der kalten Fusion bekannt wurde, die aber durch Dritte nicht nachvollzogen werden konnten.
Leben
BearbeitenMartin Fleischmann wuchs in den 1930er Jahren im Sudetenland auf, das er wegen seiner jüdischen Abstammung 1939 im Alter von zwölf Jahren mit seiner Familie vor einer Bedrohung durch die deutschen Nationalsozialisten verließ. Fleischmann studierte am Imperial College London, wo er 1950 bei John Bockris mit der Arbeit Studies in Electrodiffusion promoviert wurde.[2] Danach lehrte er an der Newcastle University (damals King's College) und wurde 1967 Professor für Elektrochemie an der University of Southampton. 1982 ging er in den Ruhestand.
Fleischmann war einer der Entdecker der oberflächenverstärkten Raman-Streuung (englisch Surface Enhanced Raman Scattering, SERS) und Mitautor des 1974 veröffentlichten ersten Berichts zu diesem Thema.[3][4] Um 1980 entwickelte er die Ultramikroelektrode (UME).
Fleischmann, der an der Parkinson-Krankheit litt, lebte mit seiner Frau in Wiltshire, England.
1964 bis 1967 war er Generalsekretär und Schatzmeister, 1973 bis 1974 Präsident der International Society of Electrochemistry.[5] 1986 wurde Fleischmann als Fellow in die Royal Society aufgenommen und erhielt 1979 deren Medaille für Elektrochemie und Thermodynamik. 1985 erhielt er den Olin-Palladium-Preis der US Electrochemical Society.[6]
Kalte Fusion
Bearbeiten1989 forschte Fleischmann an der University of Utah. Am 23. März 1989 berichtete Fleischmann im Rahmen einer Pressekonferenz, zusammen mit seinem Kollegen und Schüler Stanley Pons, von Experimenten, bei denen kalte Kernfusion beobachtet worden sei, womit sie weltweit große Aufmerksamkeit erlangten, da zwei Chemikern mit einem relativ einfachen Elektrolyse-Experiment etwas gelungen zu sein schien, woran hunderte Physiker und Ingenieure mit Milliarden-Aufwand seit Jahrzehnten vergeblich geforscht hatten. Die Ankündigung auf einer Pressekonferenz vor der Veröffentlichung[7] in einer Fachzeitschrift erfolgte auf Druck der Universität, die sich die Patente sichern wollte, und brachte Fleischmann und Pons später viel Kritik von Fachkollegen ein. Aber auch das Experiment von Fleischmann und Pons, das sofort hundertfach in aller Welt wiederholt wurde, kam heftig in die Kritik, nachdem man die Ergebnisse zum Beispiel am Caltech mit erheblich höherem interdisziplinärem, experimentellem Aufwand nicht reproduzieren konnte (eine Gruppe von 22 Wissenschaftlern unter Nathan Lewis[8]). Als Lewis und Kollegen ihre negativen Resultate auf der Versammlung der Electrochemical Society in Los Angeles im Mai 1989 präsentierten, wendete sich das Blatt in den USA gegen die Vertreter der kalten Fusion.[9] Fleischmann und Pons konnten ihre Arbeit an der Universität von Utah nicht fortsetzen und führten sie stattdessen ab 1992 einige Jahre, finanziert durch Toyota, in einem Labor (IMRA-Labor) in Frankreich fort. Fleischmann zog sich 1995 wieder nach England zurück, publizierte aber auch später zur kalten Fusion mit Wissenschaftlern aus Italien und der US-Navy.
Weblinks
Bearbeiten- Ein Gespräch mit Martin Fleischmann bei Telepolis, 23. Januar 2005: „Warum wartet bei der Forschung jeder auf Amerika?“
- Nachruf von Brian Josephson in The Guardian vom 31. August 2012: Martin Fleischmann obituary. Distinguished electrochemist whose claims for cold fusion have yet to find widespread acceptance.
- Nachruf von Douglas Martin in der New York Times vom 11. August 2012: Martin Fleischmann, Seeker of Cold Fusion, Dies at 85.
Literatur
Bearbeiten- Philip Ball: Martin Fleischmann (1927–2012). In: Nature. Band 489, Nr. 7414, 2012, S. 34, doi:10.1038/489034a.
- David E. Williams: Martin Fleischmann. 29 March 1927—3 August 2012. In: Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society. Band 74, 2023, S. 161–184, doi:10.1098/rsbm.2022.0030.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Douglas Martin: Martin Fleischmann, Seeker of Cold Fusion, Dies at 85. In: The New York Times. 11. August 2012, abgerufen am 13. August 2012.
- ↑ Informationen zu und akademischer Stammbaum von Martin Fleischmann bei academictree.org, abgerufen am 6. Februar 2018.
- ↑ Martin Fleischmann, Patrick J. Hendra, A. James McQuillan: Raman Spectra of Pyridine Adsorbed at a Silver Electrode. In: Chemical Physics Letters. Band 26, Nr. 2. Elsevier, Mai 1974, S. 163–166, doi:10.1016/0009-2614(74)85388-1 (elsevier.com).
- ↑ Surface Enhanced Raman Spectroscopy Russell | Chemistry | University of Southampton. In: University of Southampton > Chemistry > Our Research > Projects. University of Southampton, abgerufen am 19. September 2020.
- ↑ Presidents, General Secretaries and Treasurers. In: International Society of Electrochemistry > About ISE. International Society of Electrochemistry, abgerufen am 19. September 2020 (englisch).
- ↑ Olin Palladium Award. In: ECS > Programs > Awards > Society Awards > Olin Palladium Award. The Electrochemical Society ECS, abgerufen am 19. September 2020 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Fleischmann, Pons Electrochemically Induced Nuclear Fusion of Deuterium. In: Journal of Electroanalytical Chemistry, Band 261, 1989, S. 309, Errata, Band 263, 1989, S. 197.
- ↑ Malcolm Browne Physicists Debunk Claim Of a New Kind of Fusion, New York Times, 3. Mai 1989, zu einer Tagung der American Physical Society in Baltimore. Erwähnt wird dort der Kernphysiker am Caltech Steven Koonin, der den Bericht von Fleischmann und Pons als getragen von Inkompetenz und Verblendung bezeichnete.
- ↑ Geist aus der Flasche, Der Spiegel, 22. Mai 1989.
Personendaten | |
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NAME | Fleischmann, Martin |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-britischer Chemiker und international anerkannter Experte für Elektrochemie |
GEBURTSDATUM | 29. März 1927 |
GEBURTSORT | Karlsbad, Tschechoslowakei |
STERBEDATUM | 3. August 2012 |
STERBEORT | Tisbury |