Margarete Mengel

deutsche Kontoristin und ehemalige Bauhaus-Chefsekretärin

Margarete Mengel (* 12. Mai 1901 in Düsseldorf; † 20. August 1938 in Butowo) war eine deutsche Kontoristin und ehemalige Bauhaus-Chefsekretärin[1], die in der Sowjetunion Opfer der Stalinschen Säuberungen wurde.

Leben Bearbeiten

Mengel war Jüdin.[2] Im Alter von 25 Jahren gebar sie im Januar 1927 den Sohn Johannes Mengel.[3][4] Vater des Kindes war der Schweizer Architekt Hannes Meyer.[5]

Mengel trat 1931 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei und arbeitete für sie als Kurierin. Ebenfalls im Jahr 1931 folgte sie Meyer mit dem gemeinsamen Sohn sowie der Bauhaus-Stoßbrigade Rot Front[6] und einer Gruppe deutscher Architekten, darunter der Bauhausschüler Peer Bücking[7][8], in die Sowjetunion, um dort beim Aufbau der neuen Gesellschaft im Sozialismus[9] zu helfen.[4] Im Januar 1933 erreichten sie Moskau.[8] Zunächst war sie in der Komintern beschäftigt, später arbeitete sie in der Briefabteilung der Deutschen Zentral-Zeitung in Moskau. Als Meyer 1936 in die Schweiz zurückkehrte, blieben Mengel und ihr Sohn dort zurück: Mengel erhielt kein Schweizer Einreisevisum, konnte aber auch nicht nach Nazideutschland zurück.[10] Als Deutsche durfte sie das Land nicht verlassen.[11]

Am 14. Februar 1938 wurde Mengel vom Innenministerium der UdSSR (NKWD) wegen angeblicher Spionage für das faschistische Deutschland verhaftet und am 29. Juli 1938 ohne Prozess zum Tode verurteilt.[12][13] Krank und unter Folter gestand sie die Vorwürfe.[8] Am 20. August 1938 wurden sie und ihr neuer Partner Alois Ketzlik in Butowo durch Erschießen hingerichtet.[14][15]

Sohn Bearbeiten

Ihr Sohn Johannes Mengel (* 4. Januar 1927; † 2003) wanderte von Kinderheim zu Kinderheim[16] und wuchs ab seinem zehnten Lebensjahr unter dem falschen Namen Iwan Iwanowitsch Mengel[17][18] in einem Heim für kriminelle Jugendliche in der Ukraine auf.[9] Noch minderjährig kam er zur Arbeitsarmee und wurde in den Ural deportiert.[9] Mit 15 Jahren wurde er im Gebiet Tscheljabinsk[19] als Berg- und Grubenarbeiter unter Tage eingesetzt.[20] Bis 1956 wurde er von Schulbildung ausgeschlossen.[21][9] Dann wurde er Bauingenieur.[19] Er erfuhr erst 1993 vom gewaltsamen Tod seiner Mutter und kam im Juli 1994 als Spätaussiedler nach Deutschland.[1][8] Über seine tragischen Kindheitserlebnisse berichtete er in einem inzwischen veröffentlichten Brief vom 6. April 1998.[8] Im Jahr 2003 verstarb Johannes Mengel.[9][19]

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Bettina Maria Brosowsky: Vergessenes Bauhaus | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 15. Februar 2017, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 25. November 2018]).
  2. Jana Revedin: Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus: Das Leben der Ise Frank. Ein biografischer Roman. DUMONT Buchverlag, 2018, ISBN 978-3-8321-8435-3 (google.ch [abgerufen am 25. November 2018]).
  3. Ursula Muscheler: Das rote Bauhaus. Eine Geschichte von Hoffnung und Scheitern. Berenberg Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-946334-10-1, S. 118.
  4. a b Natalja Mussienko, Alexander Ju Watlin: Schule der Träume: die Karl-Liebknecht-Schule in Moskau (1924–1938). Julius Klinkhardt, Kempten 2005, ISBN 978-3-7815-1368-6, S. 193.
  5. Hannes Meyer – Personenlexikon BL. Abgerufen am 25. November 2018.
  6. Noemi Smolik: Bild der Sowjetunion in Dessau: Wie das Bauhaus Malewitschs Erfahrungen schönfärbte. 1. Juli 2019, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 1. September 2019]).
  7. „Bücking, Peer“ aus der Datenbank der Forschungsstelle für Biografien ehemaliger Bauhaus-Angehöriger (BeBA). URL: https://bauhaus.community/gnd/124472605 (Abrufdatum: 9. Januar 2020)
  8. a b c d e Natalja Mussienko, Alexander Ju Watlin: Schule der Träume: die Karl-Liebknecht-Schule in Moskau (1924–1938). Julius Klinkhardt, Kempten 2005, ISBN 978-3-7815-1368-6, S. 472–475.
  9. a b c d e Andreas Petersen: Die Moskauer: Wie das Stalintrauma die DDR prägte. FISCHER E-Books, 2019, ISBN 978-3-10-491045-1.
  10. Thomas Huonker: Hannes Meyers genossenschaftliches Kinderheim Mümliswil (1939). Ein ehemaliger Waisenhauszögling und Bauhausdirektor baut ein Kinderheim. (PDF) Abgerufen am 25. November 2018.
  11. Von Petra Krimphove, Dessau, swissinfo.ch: Der Rebell ohne Ruhm. In: SWI swissinfo.ch. 15. Juni 2015 (swissinfo.ch [abgerufen am 25. November 2018]).
  12. Don Alphonso: Druck auf das Bauhaus – Stalin und Ulbricht gefällt das - WELT. 4. Januar 2019, abgerufen am 9. Dezember 2023.
  13. Ursula Muscheler: Das rote Bauhaus. Eine Geschichte von Hoffnung und Scheitern. Berenberg Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-946334-10-1.
  14. Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Biographische Datenbanken: MENGEL, MARGARETE. 2018, abgerufen am 25. November 2018.
  15. DÖW - Erinnern - Biographien - Österreichische Stalin-Opfer bis 1945 - Stalin-Opfer: K - Ketzlik, Alois. Abgerufen am 25. November 2018.
  16. Natalja Mussienko, Alexander Ju Watlin: Schule der Träume: die Karl-Liebknecht-Schule in Moskau (1924–1938). Julius Klinkhardt, Kempten 2005, ISBN 978-3-7815-1368-6, S. 193.
  17. Gintersdorfer/Klaßen. Abgerufen am 25. November 2018.
  18. Natalja Mussienko, Alexander Ju Watlin: Schule der Träume: die Karl-Liebknecht-Schule in Moskau (1924–1938). Julius Klinkhardt, Kempten 2005, ISBN 978-3-7815-1368-6, S. 175.
  19. a b c When Bauhaus architects moved to work in the early Soviet Union, they left a fascinating legacy — and paid a steep price. 27. April 2019, abgerufen am 29. Mai 2019 (englisch).
  20. Natalja Mussienko, Alexander Ju Watlin: Schule der Träume: die Karl-Liebknecht-Schule in Moskau (1924–1938). Julius Klinkhardt, Kempten 2005, ISBN 978-3-7815-1368-6, S. 426.
  21. Sybille Fuchs: 100 Jahre Bauhaus: Von Dessau nach Moskau. Abgerufen am 29. Mai 2019.