Malbergische Glossen sind altniederländische[1][2][3][4][5][6][7][8][9][10] Zusätze zu einem lateinischen Gesetzestext. Die Sprache ist nicht volkstümlich, sondern betrifft Einschübe der fränkischen Gerichtssprache im lateinischen Textumfeld in den ältesten Fassungen der Lex Salica, des salfränkischen Stammesrechts.[11][12] Der Name ist neuzeitlich und wurde von den Einleitungen dieser Einschübe entlehnt, die durch ein (in) malobergo = „im Gericht“ oder „in der Gerichtssprache“ beginnen.[13]

Bei den malbergischen Glossen handelt es sich nicht um herkömmliche Glossen im Sinne des Begriffs als Interpretationen einzelner Lemmata oder knappe Erläuterungen. Sie sind Zusätze zum lateinischen Gesetzestext, die zu diesem in relativer Unabhängigkeit stehen. Die Konzeption als Funktionsliteratur bestimmt sich daher durch ihren Zweck. Die Glossen beginnen mit „in malobergo“, enden meistens mit einem „hoc est“ und beziehen sich auf die Stellen der in den Satzungen enthaltenen Verfahrengliederungen der Klage, der Verteidigung, des Reinigungseides, des Urteils und der Urteilsschelte.

Die Gesetzestexte im „Pactus legis Salicae“ (6. Jahrhundert) und in der „Lex Salica“ (8. Jahrhundert) enthalten diese volkssprachigen Wörter, Redeteile und Sätze der malbergischen Glossen als Bußweistümer, die der Spruchpraxis der Satzungen entstammen, und greifen Begrifflichkeiten der Verhandlungssprache auf als Zeugnisse einer Mündlichkeit. Sie stehen dabei den fränkisch-lateinischen Mischwörtern in den Satzungen gegenüber, wie beispielsweise mittellateinisch malus = „Gericht“, das aus westgermanisch mahal < germanisch *maþla = „Gericht, Versammlungsplatz“ entlehnt ist.

In ihrer Art stehen sie ohne Vergleich zu den weiteren Zeugnissen der frühmittelalterlich überlieferten germanischen Rechtstexte (Leges Barbarorum).

Überlieferung

Die Malbergischen Glossen sind in folgenden Handschriften überliefert:

Ausgaben

  • K. A. Eckardt: Pactus legis Salicae. In: Monumenta Germaniae Historica. Leges nat. Germ. IV, I. 1962.
  • K. A. Eckardt: Lex Salica. In: Monumenta Germaniae Historica. Leges nat. Germ. IV, II. 1969.

Einzelnachweise

  1. Jelle Stegeman: Grote geschiedenis van de Nederlandse taal, Amsterdam University Press, 2021. (Link)
  2. Frits van Oostrom: Stemmen op schrift. Geschiedenis van de Nederlandse literatuur vanaf het begin tot 1300. 7. Aufl., Bert Bakker, Amsterdam 2016, S. 55–6 (online)
  3. Riemer Reinsma: Hoe zongen ‘olla vogala’? Frits van Oostrom over het oudste Nederlands, in: Onze Taal. Jahrgang 75. Genootschap Onze Taal, Den Haag 2006 (online)
  4. Nicoline van der Sijs: Chronologisch woordenboek. De ouderdom en herkomst van onze woorden en betekenissen. 2. Aufl., Veen, Amsterdam / Antwerpen 2002, S. 107 (online)
  5. Otto Jänicke: Französische Etymologie: Einführung und Überblick, Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, 2012, S. 57.
  6. Wilhelm Streitberg: Die Erforschung der indogermanischen Sprachen, Walter de Gruyter GmbH, Berlin, 1936, S. 126.
  7. Michiel de Vaan: The Dawn of Dutch: Language contact in the Western Low Countries before 1200, John Benjamins Publishing Company, 2017, S. 9
  8. Frank van Gestel, Fred Weerman, Jan Nijen Twilhaar & Tineke Rinkel: Oude zinnen. Grammaticale analyse van het Nederlands tussen 1200-1700. Martinus Nijhoff Uitgevers, Leiden/Antwerpen, 1992, S. 3–4.
  9. Gustav Ehrismann: Die Althochdeutsche Literatur, BoD Verlag, 2017, S. 254.
  10. Ernst Taayke: Essays on the Early Franks, Barkuis Verlag, Eelde, 2003, S. 74.
  11. Karl Ubl: Eine Verdichtung der Lex Salica: Die Septinas septem der Handschrift Paris, BN, lat. 4411. In: Stephan Dusil, Gerald Schwedler, Raphael Schwitter (Hrsgg.): Exzerpieren - Kompilieren - Tradieren: Transformationen des Wissens zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, 2017. Zitat: „Zunächst ist festzuhalten, dass am Anfang des Textes [der Septinas septem] die malbergischen Glossen in altfränkischer Sprache bewahrt sind[.] [...] Die Glossen wurden in den Fassungen aus der Zeit Karls des Großen konsequent aus dem Text der Lex Salica beseitigt, da sie kaum noch verständlich waren. Nur die D-Fassung Pippins bewahrte diese Reste der altfränkischen Rechtssprache.“ (Vorschau bei Google Books)
  12. Rembert Eufe: Die Personennamen auf den merowingischen Monetarmünzen als Spiegel der romanisch-germanischen Sprachsynthese im Frankeneich. In: Wolfgang Haubrichs, Christa Jochum-Godglück (Hrsgg.): Kulturelle Integration und Personennamen im Mittelalter. Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, 2019, S. 80. Zitat: „Die dürftigen Belege für das vorkarolingische Altfränkische, wie sie in den malbergischen Glossen als Elementen einer „vermutlich ins 6. Jahrhundert zurückreichende[n] Fachsprache“ und einigen wenigen Runeninschriften und frühen Glossen vorliegen, deuten darauf hin, dass dieses nicht in großem Umfang schriftlich zur Verwendung kam.“
  13. Ulrike Köbler: Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, 2010, S. 20

Literatur

  • Ruth Schmidt-WiegandMalbergische Glossen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 19, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2001, ISBN 3-11-017163-5, S. 184–186.
  • Elmar Seebold: Der germanische Rechtsterminus texaca und die Entführung von Sklaven in der ›Lex Salica‹ (Untersuchungen zu den malbergischen Glossen II). In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (PBB) 130, 3 (2008), S. 438–458.
  • Elmar Seebold: Frauenraub, Unzucht und Heirat mit Unfreien in der ›Lex Burgundionum‹ und der ›Lex Salica‹ (Untersuchungen zu den malbergischen Glossen III). In: PBB 132, 3 (2010), S. 366–377.
  • Elmar Seebold: Der Schutz unmündiger Kinder in der ›Lex Salica‹ (Untersuchungen zu den malbergischen Glossen IV). In: PBB 133, 3–4 (2011), S. 413–420.
  • Elmar Seebold: Titel I der ›Lex Salica‹ und seine Weiterungen (Untersuchungen zu den malbergischen Glossen VI). In: PBB 136, 1 (2014), S. 66–75.
  • Claudia Wich-Reif: Malbergische Glossen und althochdeutsches Lex Salica-Fragment: Rechts-/Fach- und Allgemeinsprache. In: Sprachwissenschaft 39, 3 (2014), S. 283–296.