MV Agusta Corse 175

Rennmotorräder des italienischen Herstellers MV Agusta

Die MV Agusta Corse 175 waren Rennmotorräder des italienischen Herstellers MV Agusta, die zwischen 1954 und 1960 mit verschiedenen Motor-Versionen (SOHC und DOHC) und dem (namensgebenden) Hubraum von 175 cm³ sowohl vom Werksteam „Reparto corse“ als auch von Privatfahrern eingesetzt wurden.

MV Agusta 175 CSS Squalo Bialbero – der CSS-Motor mit dem Bialbero-Kopf (1955)
Die MV Agusta 175 CSS-5V war die Variante mit einer Nockenwelle
Der ursprüngliche MV 125er-Bial­bero-Motor, der durch Vergrößer­ung der Bohrung auf 63 mm (bei gleich­bleibendem Hub von 56 mm) auf 175 cm³ gebracht wurde
MV Agusta 175 CSS Squalo in der straßenzulassungsfähigen Form (1954)
Die MV 175 CSS „Disco Volante“, Die Basismaschine der Monoalbero-Version

Hintergrund Bearbeiten

In der italienischen Motorrad-Straßenmeisterschaft (ital.: Campionato Italiano Velocità) erfreute sich die 175-cm³-Klasse Mitte der 1950er Jahre großer Beliebtheit. Um gegenüber den direkten Marktkonkurrenten Moto Morini und F.B Mondial, die im Championato ebenfalls in dieser Klasse erfolgreich antraten, nicht ins Hintertreffen zu geraten, wurden ab 1954 bestehende MV-Modelle auf ihre Tauglichkeit für diese Kategorie geprüft und dann aufgerüstet bzw. weiterentwickelt.[1]

In der Rückschau war die 175er-Modellserie für MV Agusta in technischer, sportlicher und kommerzieller Hinsicht ein wichtiger Schritt. Technisch gesehen hatten damit Viertaktmotoren von MV Agusta die Reife zur Serienproduktion erreicht, nachdem die vorherigen Versuche mit 250er- und 500er-Modellen nicht über das Prototypen-Stadium hinaus gelangt waren. Im motorsportlichen Bereich – speziell bei den Rennen für seriennahe Motorräder – steigerten die zahlreichen Varianten dieser Baureihe die Anzahl der Siege und dadurch, kommerziell betrachtet, den Bekanntheitsgrad des Unternehmens bei einer breiten Käuferschicht.[2]

Typen Bearbeiten

Die 175er „Bialbero“ Bearbeiten

Typ A: Ab 1954 wurde aus der MV Agusta 125 Bialbero Werksrennmaschine, also dem DOHC-Motor, eine Version mit 175 cm³ entwickelt.

Die Bohrung wurde bei beibehaltenem Hub von 56 mm auf 63 mm vergrößert, um einen Hubraum von 174 cm³ zu erreichen. In dieser Auslegung erreichte die Maschine eine Leistung von 25 PS (18,3 kW) bei 11.500/min.[3][4] Statt der Teleskopgabel hatte das Motorrad vorn eine Langarmschwinge. Die MV Agusta Corse 175 Bialbero wurde von 1954 bis 1958 gebaut und eingesetzt.[5][4]

Typ B: Eine in besonderer Weise überarbeitete MV Corse 175 wurde unter der Typenbezeichnung MV Agusta 175 CSS Squalo Bialbero angeboten. Ihr lag der SOHC-Serienmotor, also die Version mit nur einer Nockenwelle der MV Agusta 175 CSS zu Grunde, auf die ein DOHC-Kopf angepasst wurde. Dieses Motorrad wurde nur von 1954 bis 1955 gebaut und eingesetzt. Die Version mit dem „Kombi-Motor“ ist sehr selten, es wird geschätzt, dass nur etwa zehn Stück hergestellt wurden.[6]

Die 175er „Monoalbero“ Bearbeiten

Die Monoalbero-Version mit der Typenbezeichnung MV Agusta 175 CSS-5V („V“ für Velocita) übernahm komplett den Motor der MV Agusta 175 CSS, deren bekanntere Bezeichnung Disco Volante („Fliegende Untertasse“) lautete.

Im Unterschied zur Straßenversion hatte die Squalo („Hai“) – so ein weit verbreiteter Name – ein Fünfganggetriebe, eine „schärfere“ Nockenwelle (mit höheren und breiteren Nocken, die einen größeren Ventilhub und längere Öffnungsdauer bewirken) und einen geschlossenen Rahmen mit leichterer Langarmschwinge. Dieser Rahmen war von dem der in der Rennabteilung eingesetzten 125er-Typen abgeleitet.[7] Außerdem hatte diese Version größere Bremsen, Magnetzündung, und eine dem Einsatzzweck angepasste längere und schmalere Form des Tanks, die wohl auch zu der neuen Bezeichnung „Hai“ statt „fliegende Untertasse“ führte.

Dieses Modell wurde auch von privaten Teams eingesetzt, die im Laufe der Jahre die Leistung weiter steigerten. Mike Hailwood gewann 1957 sein erstes Rennen auf einer dieser inzwischen auf 196 cm³ aufgebohrten Maschinen bei einem Rennen der 200-cm³-Klasse. Zwischen 1954 und 1957 wurden etwa 200 MV 175 CSS-5V hergestellt.

Eine für den europäischen Markt produzierte Straßenversion der Squalo war mit Scheinwerfern und schallgedämpftem Auspuff ausgestattet.[2]

Das Modell blieb bis 1958 unter der Bezeichnung MV Agusta 175 Squalo im Programm.[8]

175 CSS-5V „Regolarità (Monoalbero)“ Bearbeiten

Es gab 1954 auch eine Enduro-Version, die ursprünglich mit dem serienmäßigen 175er „CSS“-Motor ausgestattet war, der 1955 durch die Version „175 CSS-5V“, also mit gesteigerter Motor-Leistung und Fünfganggetriebe, ersetzt wurde. Der Rahmen basierte auf der Serienversion der Straßen-CSS, allerdings mit modifizierten geschlossenen Unterzugrohren beim Doppelschleifenrahmen. Die Regolarità hatte als Vorderradaufhängung eine Teleskopgabel mit langem Federweg und einen nach oben verlegten Auspuff. Zuerst wurde sie nur an das offizielle MV-Werksteam abgegeben, ab 1956 konnten aber auch einige Händler die Maschinen in ihren Privat-Teams einsetzen.[9]

Sportliche Erfolge Bearbeiten

175er „Bialbero“ Bearbeiten

Das erste Rennen mit der DOHC-Maschine fuhr Carlo Ubbiali am 22. August 1954 auf dem Autodromo dell’Umbria. Die Corse 175 Bi gewann die meisten Rennen, an denen sie teilnahm (insgesamt 12 Siege). Umberto Masetti gewann 1955 auf einer Bialbero die italienische 175-cm³-Meisterschaft. Ein bedeutender Erfolg war der Sieg von Remo Venturi und der zweite Platz beim Motogiro d’Italia im Jahr 1957.[10][4]

175er „Monoalbero“ Bearbeiten

Am 27. Juni 1954 debütierte die „Monoalbero“ mit einem Sieg in Trient (Fortunato Libanori). Mike Hailwood errang seine ersten Siege mit der 175 CSS-5V. Die Briten Bob Keeler und Derek Minter setzten die Squalo bei nationalen Wettbewerben ein.[11][12]

  • 1 Italienische Meisterschaft 3. Kategorie (F. Libanori)
  • 1 Italienische Meisterschaft Kadetten (A. Balboni)
  • Siege insgesamt: 91[12]

175er „CSS-5V Regolarità“ Monoalbero Bearbeiten

Technische Daten Bearbeiten

Anmerkung: Bei abweichenden Informationen im Internet wurden die Daten aus der vorliegenden Literatur eingesetzt.

MV Corse 175 “Bialbero” (1954–1958)[4] MV Corse 175 (CSS-5V) “Monoalbero” (1954–1960)[12]
Motor
Bauart 1-Zylinder-Viertaktmotor; luftgekühlt – DOHC 1-Zylinder-Viertaktmotor; luftgekühlt – SOHC
Hubraum 174,5 cm³ 172,3 cm³
Bohrung und Hub 63 × 56 mm 59,5 × 62 mm
Verdichtung 9,5 : 1 9 : 1
Zylinderkopf Leichtmetall
Zylinder Leichtmetall
Ventile – Anordnung geneigt, hängend geneigt, hängend
Ventile – Steuerung zwei obenliegende Nockenwellen eine obenliegende Nockenwelle
Vergaser Dell’Orto SS 25 A Dell’Orto SS 25 A
Antrieb
Kupplung Ölbadlamellenkupplung Ölbadlamellenkupplung
Getriebe angeblockt, 5 Gänge angeblockt, 5 Gänge
Antrieb primär/sekundär Zahnräder/Kette Zahnräder/Kette
Elektrik
Zündung Spulenzündung Magnetzündung
Spannung k. A. k. A.
Lichtmaschine k. A. k. A.
Leistung
Leistung 25 PS (18 kW) bei 11.500/min 16 PS (11,7 kW) bei 8800/min
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h 150 km/h
Rahmen und Maße
Rahmen Rohr, geschlossene Doppelschleife Rohr, geschlossene Doppelschleife
Radstand 1235 mm 1230 mm
Länge k. A. 1900 mm
Breite k. A. 610 mm
Gewicht 103 kg (trocken) 95 kg (trocken)
Inhalt Kraftstofftank 18 Liter 20 Liter
Inhalt Ölbehälter 3,3 Liter k. A.
Mittlerer Verbrauch k. A. k. A.
Federung, Reifen und Bremsen
Radaufhängung vorne Teleskopgabel Langarmschwinge
Radaufhängung hinten Schwinge, Ölstoßdämpfer Schwinge, Ölstoßdämpfer
Räder (vorne/hinten) Leichtmetall, Speichen 2,25 × 19″ Leichtmetall, Speichen 2,25 × 19″
Reifen (vorne/hinten) 2,50 × 19″ / 2,75 × 19″ 2,50 × 19″ / 2,75 × 19″
Bremsen (vorne/hinten) Trommel/Trommel vorne 180/200 mm; hinten 150 mm Trommel/Trommel vorne 180 mm; hinten 150 mm

Quelle:[1]

Literatur Bearbeiten

  • Mario Colombo, Roberto Patrignani: MV Agusta. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-613-01416-5.

Weblinks Bearbeiten

Commons: MV Agusta 175 CSS – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Mario Colombo, Roberto Patrignani: MV Agusta. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-613-01416-5, S. 232–233.
  2. a b Mario Colombo/Roberto Patrignani: MV Agusta. S. 144.
  3. Mario Colombo, Roberto Patrignani: MV Agusta. Motorbuch-Verlag, 2000, ISBN 3-613-01416-5, S. 232.
  4. a b c d Gruppo Lavoratori Agusta Seniores: MV 175 Bialbero
  5. Mario Colombo/Roberto Patrignani: MV Agusta. S. 232.
  6. Bonhams Cars : 1954 MV Agusta 175 CSS Squalo Bialbero Racing Motorcycle Frame no. 409924/5V Engine no. 401250 SS. Abgerufen am 26. April 2024 (englisch).
  7. Mario Colombo/Roberto Patrignani: MV Agusta. S. 147.
  8. Mario Colombo / Roberto Patrignani: MV Agusta. 1. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-613-01416-5, S. 232.
  9. Gruppo Lavoratori Agusta Seniores: MV 175 CSS-5V Regolarità
  10. Motogiro d’Italia. Abgerufen am 26. April 2024 (italienisch).
  11. Phillip Tooth: MV Agusta 175 CSS. S. 38.
  12. a b c Gruppo Lavoratori Agusta Seniores: MV 175 Monoalbero