Lorenz Meyer (Reformator)

Schweizer Reformator

Lorenz Meyer (~ 14971564), auch bekannt als Laurentius Agricola[1] Laurentius Marius und Lorenz Meyger[2] oder auch Keller,[3] war ein Schweizer Reformator. Er war zur Zeit der Zürcher Reformation aktiv und wirkte an dieser mit. Meyer kann dabei nicht zur „ersten Reihe“ der Reformation gezählt werden, sondern ist ein Beispiel für die zahlreichen weniger prominenten Geistlichen, die am Gelingen der Reformation beteiligt waren. In die Zeit seines Wirkens fallen mehrere bedeutsame Ereignisse der schweizerischen Reformation, darunter beide Kappelerkriege und der Ittingersturm.

Dieser Wikipedia-Eintrag entstand im Rahmen eines Kirchengeschichtsseminars der Universität Zürich. Er basiert auf dem Artikel zu Lorenz Meyer, der ebenfalls in diesem Rahmen entstand und in der Zwingliana veröffentlicht wurde.

Kirchengeschichtliche Einordnung Bearbeiten

Lorenz Meyer lebte in einer Zeit, in der eine polemische Stimmung „nicht nur in den oberen, sondern […] auch in den unteren Rängen der reformierten Theologen“[1] der Schweiz herrschte, die im Gegensatz zu den deutschen Kollegen keinerlei Rücksicht auf Kaiser und Reich zu nehmen brauchten. Allerdings war auch auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft das Anliegen der Reformation ständig in Bedrängnis, insbesondere durch den Einsatz der Alten Orte für den Katholizismus.

Leben Bearbeiten

Lorenz Meyer kam wahrscheinlich um 1497 als illegitimer Sohn des gleichnamigen Winterthurer Chorherren Laurenz Meyer († um 1537) und dessen Dienstmagd Margreth Laufer († vor 1537) zur Welt.[1] zur Welt. Die städtischen Ratsprotokolle von Winterthur bezeugen 1501 eine Zinsregelung für die Dienstmagd Margreth und ihre zwei Kinder. Die Geburt kann also vor 1501 angenommen werden. Vater Laurenz hat 1487 die Niklauspfrund in der Stadtkirche Winterthur erhalten und ist 1499 als Chorherr auf dem Heiligenberg (Winterthur) bezeugt. Eine Geburt vor 1487 kann damit ausgeschlossen werden. Damit ergibt sich für den möglichen Geburtstermin ein Bereich von 1487 bis 1499.[4]

1520 studierte Lorenz Meyer an der Universität Basel[5] und begann seine Laufbahn 1523 als Helfer Leo Juds an der Kirche St. Peter in Zürich. 1524 wurde er Pfarrer in Stammheim, einem Aussenposten der Zürcher Reformation, der stark unter dem Ittingersturm gelitten hatte. Während seiner Zeit in Stammheim erstellte Meyer das erste Eheregister. Ausserdem zeugen seine Briefe davon, dass er sich in der Nachbearbeitung des Ittingersturms, dem Ittinger Handel, gegen Kompromisse mit den Alten Orten stark machte. Konkret heisst das, dass er sich gegen die Wiedereinführung von Messe und Kirchenschmuck wehrte, wie sie als Kompromissvorschlag diskutiert wurden. Inwiefern der weitere Verlauf der Ereignisse sich dem Einsatz Meyers verdankt, bleibt allerdings unklar. 1527 wurde er zum Dekan des Steiner Kapitels berufen und nahm ein Jahr darauf an der Berner Disputation von 1528 teil. Im Mai 1528 war Lorenz Meyer in Heiligberg tätig.[6] Seine nächste Pfarrstelle trat er 1547 in Schwanden im Kanton Glarus an. 1552 wechselte er nach Dällikon und 1555 folgte er Herzog Otto Heinrich von Oberbayern nach Augsburg.[7] In der Folge wurde er Pfarrer in Lauingen an der Donau. Zurück in der Schweiz trat er 1557 seine letzte Stelle als Pfarrer in Oberglatt an, wo er 1564 an der Pest starb.[8]

Kontroversen Bearbeiten

Lorenz Meyer wurde verdächtigt, an der Zerstörung kirchlicher Einrichtungen in St. Peter, im Anschluss an die Predigt von Leo Jud am 1. September 1523, teilgenommen zu haben. So wurde er am 19. September 1523 ins Verhör genommen und im Gefängnis Wellenberg in Zürich inhaftiert. Allerdings musste er aufgrund mangelnder Beweise wieder freigelassen werden.[7] Er heiratete im gleichen Jahr und wurde zum Kapitelsdiakon von Winterthur ernannt, wirkte aber anscheinend auch in Glarus. 1533 folgte für Lorenz Meyer die nächste Krise: Er wurde von der Herbstsynode für seinen Lebensstil gerügt: „Ist rower, kriegscher gepärden, zücht ein langes schwert nachher; ist rüterisch und lichtfertiger bekleidung“.[9] 1543 wurde Meyer wegen Ehebruch abgesetzt und für zwei Jahre im Wellenberg festgesetzt.[10]

Schriftliche Zeugnisse Bearbeiten

Von Lorenz Meyer sind nur wenige Schriften erhalten geblieben, darunter Werke zur Kunst der Kriegsführung, insbesondere Stratagemata rerum bellicarum.[11] Ausserdem ist heute noch eine antitridentinische Karikatur aus seiner Feder vorhanden.[12]

Briefe in Auswahl Bearbeiten

Die Zentralbibliothek und das Staatsarchiv Zürichs weisen über 25 Briefe nach.[13] Eine Reihe davon liegt als kritische Edition vor. In seinen Briefen setzt sich Meyer für Amtskollegen ein, versucht aber auch, sich selbst gegen Gerüchte und Vorwürfe zu verteidigen. Die Briefe zeugen von einer bewegten Zeit und einem kontroversen Lebensstil.

Lorenz Meyer an den Grossen Rat in Zürich (Stammheim, 30. Mai 1527) Bearbeiten

Am 30. Mai 1527 schrieb Lorenz Meyer einen Brief an Bürgermeister und den Grossen Rat in Zürich. In diesem Brief bittet Meyer darum, die Messe und den Kirchenschmuck in Stammheim nicht wieder einzuführen. Verschiedene Anspielungen im Text bezeugen dabei, dass Lorenz Meyer nicht restlos überzeugt war, dass Zürich dies zu verhindern suchte. Hintergrund des Schreibens dürften die anhaltenden Streitigkeiten im Gefolge des Ittingersturms sein.[14]

Lorenz Meyer an Zwingli (Stammheim, 1. Juli 1529) Bearbeiten

Am 1. Juli 1529 schrieb Lorenz Meyer einen Brief an Ulrich Zwingli in Zürich. Darin unterstützt er den Wunsch der Kirchgemeinde von Mammern, den alten Kirchenvorsteher in Mammern zu ersetzen. Ein entsprechendes Schreiben der Kirche von Mammern ist aber nicht erhalten, möglicherweise war diese Bitte nur mündlich vorgebracht worden.[15] Wahrscheinlich war besagter Pfarrer bereits vor der Reformation in Mammern tätig und später aufgrund der Bitte der Kirchgemeinde Mammern und des Schreibens Meyers abgesetzt worden.[16] In seinem Schreiben bittet Lorenz Meyer Zwingli darum, Erhard Pfluger von Wangen am Untersee als Pfarrer in Mammern zu installieren.[17]

Lorenz Meyer an Zwingli (Stammheim, 26. Dezember und 27. Januar 1530) Bearbeiten

Um den Jahreswechsel 1529/30 verfasste Lorenz Meyer zwei Briefe an Ulrich Zwingli. In diesen beschreibt er die Pfarrstelle Hüttwilen und die dortigen Probleme mit dem eingesetzten und wieder abgesetzten Pfarrer Michael Back.

Pfarrer Michael Back kam wegen seines evangelischen Glaubens aus dem noch katholischen Württemberg in die Schweiz und erhielt eine Pfarrstelle in Hüttwilen.[18] Diese Aufgabe war mit grossen Schwierigkeiten verbunden, denn das Kloster Ittingen war im Besitz des Kirchsatzes. Ausserdem hatte noch der Vorgänger Backs den alten Glauben verfochten und auch der Schaffner des Klosters Ittingen, Leonhard Janni von Chur, verteidigte eifrig den Katholizismus.[19]

Lorenz Meyer an Zwingli (Stammheim, 2. Mai 1530) Bearbeiten

Am 2. Mai 1530 schrieb Lorenz Meyer an Ulrich Zwingli in Zürich. In diesem Brief berichtet er von Streitigkeiten in Stammheim und von Verleumdungen seiner Person. Um die Gemeinde gegen Meyer aufzubringen, wurde behauptet, dieser habe die gesamte Stammheimer centuria [Kirchengut] dem Rat übergeben. Diese Vorwürfe werden von Meyer bestritten: „Da sie keine gerechtfertigten Gründe fanden, erfanden sie falsche“.[20] Auf welche weiteren Verleumdungen hier angespielt wird und von wem diese vorgetragen wurden, bleibt unbenannt. Es gibt allerdings Hinweise dafür, dass Meyer in dieser Zeit eine Auseinandersetzung mit Balthasar Spenzinger hatte.

Lorenz Meyer an Bullinger (Stammheim 14. November 1532) Bearbeiten

Im Brief vom 4. November 1532 an Heinrich Bullinger berichtet Lorenz Meyer von seinen verfassten Gedichten. Selbstkritisch beschreibt er sie als „magere Gedichte [haec macra]“.[21] Insbesondere erwähnt Meyer ein in deutscher Sprache verfasstes Gedicht[22] mit dem Titel „gegen die Zwingli-Geisselungen“.[23] In seiner deutschen Fassung konnte dieses Gedicht bisher aber nicht nachgewiesen werden.[24]

Lorenz Meyer an Bullinger (Stammheim, 4. Dezember 1532) Bearbeiten

Im Brief vom 4. Dezember 1532 an Bullinger stellt Lorenz Meyer die Situation der Zürcher Gemeinden im Gebiet um Stammheim dar. Namentlich erwähnt werden die Gemeinden Ossingen und Laufen sowie das Kloster Stein am Rhein. Das Schreiben thematisiert Kontroversen unter den Pfarrern im Zusammenhang mit Synodalbeschlüssen der von Heinrich Bullinger und Leo Jud verfassten Zürcher Prediger- und Synodalordnung vom 22. Oktober 1532.[25]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Jean-Pierre Bodmer: Aus Zürichs Bibliotheksgeschichte, Beiträge von 1964 bis 2007. 1975, S. 33.
  2. Alfred Ehrensperger: Geschichte des Gottesdienstes in Zürich Stadt und Land im Spätmittelalter und in der frühen Reformation bis 1531. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2019, S. 423.
  3. Gustav Bossert: D. Johann Mantels Lebensende und der Eheprozess des Michael Back und seiner Gattin. In: Archiv für Reformationsgeschichte. 12. Jahrgang, 1915, S. 161–204, 181.
  4. (Stadtarchiv Winterthur B/26 S. 114)
  5. Wackernagel Hans Georg, Die Matrikel der Universität Basel, I. Band, 1460–1529, Basel 1951, S. 344, Eintrag No. 20. Aufgeführt als dominus Laurentius Meyger de Winterthur dioc. Const.
  6. Egli-Akte 1414, Actensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren 1519-1533, Emil Egli, Pfarrer in Aussersihl, Druck von J. Schabelitz, 1879, S. 620.
  7. a b Wyss, Bernhard/Georg Finsler. Die Chronik des Bernhard Wyss 1519-1530, in: Quellen zur Schweizer Ref.Gesch, Basel: Basler Buch- und Antiquariatshandlung, 1901. Anm. 3.
  8. Jean-Pierre Bodmer:  1975, S. 37ff.
  9. Jean-Pierre Bodmer:  1975, S. 37
  10. Jean-Pierre Bodmer:  1975, S. 37
  11. Emanuel Dejung: Die Meyer von Winterthur, in: Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur Nr. 272, Winterthur 1939, 12.
  12. Eine antitridentinische Karikatur von Pfarrer Lorenz Meyer (1497–1564), in: aus Zürichs Bibliotheksgeschichte, Beiträge von 1964 bis 2007, Jean-Pierre Bodmer (Hrsg.), Zürich 2007, S. 33–38.
  13. Jean-Pierre Bodmer: Aus Zürichs Bibliotheksgeschichte, Beiträge von 1964 bis 2007. 1975, S. 37.
  14. Zwingliana Artikel zu Lorenz Meyer voraussichtliche Veröffentlichung 2022.
  15. Laurenz Meier an Zwingli. Stammheim, 1. Juli 1529, in: Egli/Finsler/Köhler/Farner, Corpus Reformatorum Vol. XCVII. Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Band X, Leipzig 1929, 193f, Fussnote 2.
  16. Huldreich Gustav Sulzberger, Biographisches Verzeichnis der Geistlichen aller evangelischer Gemeinden des Kantons Thurgau von der frühesten Zeit bis auf die Gegenwart, Frauenfeld 1863, 131.
  17. Laurenz Meier an Zwingli. Stammheim, 1. Juli 1529, in: Egli/Finsler/Köhler/Farner, Corpus Reformatorum Vol. XCVII. Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Band X, Leipzig 1929, 193f.
  18. Alfred L. Knittel: Die Reformation im Thurgau. Zum vierhundertjährigen Jubiläum, Frauenfeld 1929, 243; Gustav Bossert,: D. Johann Mantels Lebensende und der Eheprozess des Michael Back und seiner Gattin, in: ARG 12 (1915), 161–204, 162.180.
  19. Gustav Bossert: D. Johann Mantels Lebensende und der Eheprozess des Michael Back und seiner Gattin. In: Archiv für Reformationsgeschichte. 12. Jahrgang, 1915, S. 161–204, 180.
  20. Laurenz Meier an Zwingli. Stammheim, 2. Mai 1530, in: Egli/Finsler/Köhler/Farner, Corpus Reformatorum Vol. XCVII. Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Band X, Leipzig 1929, 560.
  21. Gäbler/Zsindely et al., HBBW, 259, Zeile 8.
  22. Gäbler/Zsindely et al., HBBW, 259, Zeile 3.
  23. Gäbler/Zsindely et al., HBBW, 259, Fussnote 3.
  24. Gäbler/Zsindely et al., HBBW, 259, Fussnote 2.
  25. Amy Nelson Burnett/Emidio Campi (Hrsg.): Die schweizerische Reformation. Ein Handbuch, Zürich 2017, 106.