Künstliche Ruinen wurden zunächst als Staffagebauten im englischen Landschaftsgarten, so genannte Follies, später auch als Aussichtstürme in der offenen Landschaft errichtet. Sie sind stimmungssteigernde Elemente, die Gefühle der Erhabenheit und Einsamkeit erzeugen sollen, vor allem jedoch an die Vergänglichkeit (Vanitas) des Menschen und seiner Werke erinnern.

Das „Amphitheater“ auf dem Kalenderberg in Maria Enzersdorf; eine künstliche Ruine, errichtet 1810/11
Eine künstliche Ruine aus dem 20. Jahrhundert bei Schwerin, Deutschland

Geschichte

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In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wandte man sich auch im deutschsprachigen Raum ab vom nun als langweilig erachteten, rationalen Barockpark hin zum emotionalen Landschaftspark. Mit der Einführung freier Gartengestaltung wurden nicht nur „dramatische“ Elemente wie künstliche Grotten, Wasserfälle und Teufelsbrücken errichtet, sondern auch altertümliche Bauwerke (Burgen, Türme, Tempel, auch Aquädukte) in unterschiedlichen Stadien des Verfalls (nach)gebaut. Hierdurch sollte eine malerische Wirkung sowie eine Landschaftsstimmung erzeugt werden.[1] Sie sind typisch für das Zeitalter der Romantik.

Im späteren 18. und frühen 19. Jahrhundert wurden sie vor allem in Schlossparks errichtet, etwa die Römische Ruine im Schlosspark Schönbrunn. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Bautätigkeit des Fürsten Johann I. von Liechtenstein bedeutend, der zahlreiche künstliche Ruinen bei den liechtensteinischen Schlössern, vor allem südlich von Wien und in Südmähren, errichten ließ. Mit dem Einfluss des erstarkenden Bürgertums hielten die künstlichen Ruinen Einzug in die Landschaft, häufig als neugotische Nachahmungen verfallender mittelalterlicher Burgen. Im Zuge der Naturbegeisterung wurden diese Bauwerke nun nicht mehr als vorwiegend private, zweckfreie ästhetische Elemente, sondern als Aussichtstürme an landschaftlich herausragenden Stellen dem Volk gestiftet – anfangs von einzelnen Mäzenen, später von Bürgervereinen und ähnlichen Körperschaften. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden an nahezu jeder sich bietenden örtlichen Gegebenheit Türme und Türmchen, einige in der Anmutung künstlicher Ruinen. Die Turmruine Erlkron in Glücksburg in Schleswig-Holstein wurde beispielsweise 1900 sogar aus Steinen einer ehemaligen Burg, nämlich der abgebrochenen Duburg aus dem benachbarten Flensburg, errichtet.

Beispiele für künstliche Ruinen

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Vorgängerbauten

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Name des Bauwerkes Ort Baubeginn
  Nymphäum von Donato Bramante Genazzano,
Italien
Anfang 16. Jahrhundert; quasi der „Prototyp“ der künstlichen Ruine
  Magdalenenklause Schlosspark Nymphenburg,
München
1725; ebenfalls „Vorläufer“

18. Jahrhundert

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Name des Bauwerkes Ort Baubeginn
  Ruinentheater Eremitage,
Bayreuth
1743 ff.
  Ruinen- und Grottentheater Felsengarten Sanspareil,
in der Nähe Hollfelds, Oberfranken
1744
  Ruinenberg Schloss Sanssouci,
Potsdam
1748 ff.
  temple de la philosophie Park von Ermenonville,
Ermenonville, Frankreich
1763–1776
  Hexenturm Hinüberscher Garten,
Hannover
1766
  Painshill Abbey Painshill Park,
Surrey, England
um 1770
  Römische Ruine Schlosspark Schönbrunn,
Wien
1778
  Burgruine in der Kuranlage Wilhelmsbad bei Hanau 1778–1779
  mehrere künstliche Ruinen (Łuk Kamienny, Aquädukt, Dom Murgrabiego etc.) Arkadia,
Łowicz/Nieborów, Polen
1778–1785
  Merkurtempel,
Aquädukt
Schloss Schwetzingen,
Schwetzingen
1779
  La Colonne Désert de Retz,
Chambourcy, Département Yvelines, Frankreich
1781
  Ruinen im Englischen Garten Englischer Garten,
Meiningen
1782
  Gotische Ruine Über dem Friedrichsgrund
bei Schloss Pillnitz,
Dresden
1785
  Die Rossel (Aussichtsturm auf den Rhein) Landschaftspark Niederwald,
Rüdesheim
1787–1791
  Trianon Schlosspark Eythra,
Zwenkau
1790
  Grotte der Egeria Wörlitzer Park,
Wörlitz
ca. 1790
  Löwenburg und zahlreiche andere Bauten des 18. Jahrhunderts Bergpark Wilhelmshöhe,
Kassel
1793
  Römerwand Hinterbrühl 1793
 

 
Schloss Pfaueninsel



Meierei
Pfaueninsel,
Berlin-Wannsee
1794
  Wallwitzburg Dessau 1796–1800

19. Jahrhundert

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Name des Bauwerkes Ort Baubeginn
  Ruine im Schlosspark (heute zum Teil Stadtpark) Schlosspark Teublitz,
Teublitz
Alter umstritten; um 1800 erfolgte aber wohl zumindest ein Umbau von möglicherweise bereits vorhandenen Überresten einer Burg oder eines Schlosses aus dem 13. Jahrhundert
Künstliche Ruinen Heidecksburg 1800
  Ruine Hanselburg Loosdorf (Gemeinde Fallbach) 1800
  Grabpyramide des Heinrich von Preußen Schlosspark Rheinsberg,
Rheinsberg
1800–1801
  Burg Janův Hrad (Hansenburg) Lednice,
Tschechien
1801
  Mausoleum in Bukowiec („Abteiruine“) Bukowiec (Mysłakowice),
Schlesien
1802 ff.
  Ruineninsel Bagno,
Burgsteinfurt
1805
  Mosburg Schlosspark Biebrich,
Wiesbaden-Biebrich
1806
  Schwarzer Turm Mödling,
Niederösterreich
1810
  Amphitheater,
Ruine Rauchkogel
Maria Enzersdorf,
Niederösterreich
1810
  Burg Březina Březina u Rokycan,
Tschechien
1810
  Köhlerhausruine Naturpark Sparbach,
Niederösterreich
ca. 1812
  Ruine Eckersdorf Bożków 1813
  Gersdorfer Ruine Gersdorf,
Bahretal
1820
  Sporn des Weinbergs Bad Freienwalde 1821
  Schloss Damtschach Wernberg,
Kärnten
1824
  Türkensturz Scheiblingkirchen-Thernberg,
Niederösterreich
1824
  Haldimand-Turm Lausanne,
Schweiz
1825
  Mäuseturm Radebeul 1837/1840
  Kippenburg Aschaffenburg 1839/1840
  Bilz-Burg Jägerberg,
Radebeul
1852
  Burg Schwarzberg bei Goßdorf-Kohlmühle 1858
  Burg Schwarzenstein Geisenheim 1873
  Theresienstein Bürgerpark,
Hof (Saale)
1877 ff.
  Bilsteinturm Marsberg,
Westfalen
1880
  Banter Ruine Banter See,
Wilhelmshaven
1889
  als künstliche Ruine verkleidete Wirtschaftsgebäude des Schlosses, welche außerdem ein Wasser- und später ein kleines E-Werk beherbergte Schloss Reichartshausen, Oestrich-Winkel 1889–1902
  Portikus Bürgerpark,
Braunschweig
1896
  Schloss Břeclav,
Tschechien
19. Jahrhundert

20. Jahrhundert

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Name des Bauwerkes Ort Baubeginn
  Turmruine Erlkron Glücksburg 1900
Aussichtsturm Derschlag (Gummersbach) 1904
  Reppiner Burg Schwerin 1907
  Meerhardtturm Gummersbach-Dieringhausen 1908
  Künstliche Ruine und Rolandsbogen Faberpark, Nürnberg-Röthenbach bei Schweinau ca. 1910
  Heroldturm Wengleinpark, Eschenbach, Pommelsbrunn 1928
  Wasserwand Bürgerpark Saarbrücken, Saarbrücken 1989[2]

21. Jahrhundert

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Name des Bauwerkes Ort Baubeginn
  Kugelburgruine Goldbach (Unterfranken) 2012

Siehe auch

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Literatur

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  • Filip Binder: „Mittelalterliche“ künstliche Ruinen des 18. und 19. Jahrhunderts in den böhmischen Ländern. In: Die Gartenkunst, 2/2022, S. 259–272.
  • Andrea M. Kluxen: Die Ruinen-„Theater“ der Wilhelmine von Bayreuth. In: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 1987, Band 67, S. 187–255; ISSN 0066-6335.
  • Jürgen Obmann, Derk Wirtz, Philipp Groß: Ruinirt euch, um Ruinen zu machen": antikisierende Ruinenarchitekturen in deutschen Gärten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2016, ISBN 978-3-89739-864-1 (Reihe: Mitteilungen der Pückler-Gesellschaft, N.F., Band 30).
  • Reinhard Zimmermann: Künstliche Ruinen. Studien zu ihrer Bedeutung und Form. Reichert-Verlag, Wiesbaden 1989, ISBN 3-88226-435-7 (zugleich: Dissertation, Marburg, Universität, 1984).
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Commons: Künstliche Ruine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Ruine. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 17: Rio–Schönebeck. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1909, S. 246 (Digitalisat. zeno.org).
  2. Silvia Buss: Der Reiz von Ruinen im Bürgerpark. In: Saarbrücker Zeitung. 13. Oktober 2017 (saarbruecker-zeitung.de [abgerufen am 5. Mai 2019]).