Jakob Tuggener

Schweizer Fotograf

Jakob Tuggener (* 7. Februar 1904 in Zürich; † 29. April 1988 ebenda) war ein Schweizer Fotograf.

Leben Bearbeiten

Jakob Tuggener machte eine Lehre als Maschinenzeichner in Zürich. Von August 1930 bis Mai 1931 studierte er in Berlin an der Reimann-Schule, der damals grössten privaten Kunst- und Kunstgewerbeschule Deutschlands, Grafik, Typografie, Zeichnen, Schaufenstergestaltung und Film.[1] Seine damaligen Arbeiten wurden in der Schulzeitschrift Farbe und Form publiziert.[2] Nach seiner Rückkehr in die Schweiz arbeitete er als Industriefotograf. 1934 kaufte sich Tuggener eine Leica und fotografierte erstmals beim Grand Bal russe in Zürich. Das Thema Tanzball liess ihn während zwei Jahrzehnten nicht mehr los. Er fotografierte Schweizer Nobelbälle im Zürcher Grand Hotel Dolder, im Baur au Lac, im Palace Hotel in St. Moritz und den Wiener Opernball. Daneben widmete er sich Themen wie dem Landleben und der Technik.

1943 schaffte Tuggener mit seinem Buch Fabrik, einem fotografischen Essay über die Beziehung zwischen Mensch und Maschine, den Durchbruch zur Avantgarde der Schweizer Fotografie. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er mit Fotografien in Ausstellungen im New Yorker Museum of Modern Art vertreten. Einzelne Fotografien wurden unter anderem in der Illustrierte Leica-Fotografie und der Kulturzeitschrift "Du" veröffentlicht. Eine erste grosse Ausstellung seiner "Ballnächte"-Bilder fand 1969 in München statt, eine umfassende Werkschau wurde 2000 im Kunsthaus Zürich präsentiert.

1951 gründete Tuggener mit Werner Bischof, Walter Läubli, Gotthard Schuh und Paul Senn das kurzlebige Kollegium der Schweizerischen Fotografen.

Werk Bearbeiten

Tuggener gilt als Vertreter einer poetisch interpretierten („Bilderdichter“) Dokumentarfotografie. Für ihn stand weniger die Einzelfotografie im Vordergrund, sondern Zentrum seines Schaffens war die Suche nach einer Wahrheit hinter sorgfältig angeordneten Aufnahmen, deren Nebeneinanderstellung und Abfolge einen poetisch-philosophischen Essay ergeben sollte. Sein Werk zeichnet sich durch das Zusammenspiel der künstlerischen Medien Malerei, Fotografie und Film mit den drei Hauptthemen Arbeit in der Fabrik, Leben auf dem Lande und glanzvolle Bälle in prachtvollen Hotels aus. Er schuf expressionistische Fotografie und verstand es, radikale Ausschnitte und dynamische Perspektiven zu filmähnlichen Bildserien zu montieren. Wie bei einer fahrenden Kamera hielt er den „Puls des Lebens“ fest und verdichtete flüchtige Momente zu einer poetischen Gesamtschau.

1950 schrieb Tuggener: «Der Photograph als Expressionist existiert nicht im Handelsregister. Er ist der Freieste und Freie. Losgebunden von allem Zweck, photographiert er nur die Lust seines Erlebnisses.»

Sein Archiv befindet sich in der Fotostiftung Schweiz im Fotozentrum in Winterthur.

Ausstellungen Bearbeiten

  • Strauhof, Zürich. 1954
  • Staatliches Museum für angewandte Kunst, München: Feine Feste. 1969
  • Helmhaus, Zürich: Photographien 1930 bis heute. 1974
  • Kunsthaus Zürich: Fotografien. 4. Februar – 9. April 2000
  • Laurence Miller Gallery, New York, USA: Important Photographs from a Private Swiss Collection. 4. November – 24. Dezember 2004
  • Museum Folkwang, Essen im Fotografischen Kabinett: Ballnächte. 16. April – 19. Juni 2005
  • Fotostiftung Schweiz, Winterthur/Schweiz: Ballnächte. 27. November – 20. Februar 2005
  • Museum Hermesvilla, Wien: Ballnächte. 8. Dezember – 12. März 2006
  • Pavillon Populaire, Montpellier: Fabrik: une épopée industrielle 1933–1953. 1. Juli – 18. Oktober 2015
  • Fondazione MAST, Bologna: Fabrik 1933–1953 / Nuits de Bal 1934–1950. 27. Januar – 17. April 2016
  • Fotostiftung Schweiz, Winterthur/Schweiz: Maschinenzeit. 21. Oktober 2017 – 28. Januar 2018

Publikationen Bearbeiten

  • Fotografien. Kunsthaus Zürich. Jakob-Tuggener-Stiftung, 2000.
  • Ballnächte/Ballnights 1934–1950. Scalo Verlag, 2005.
  • Fabrik. Reprint der Originalausgabe von 1943. Steidl, 2012.
  • Fotoreportagen: Jakob Tuggener. In: Lebendige Industrie. Blicke in das Konzernarchiv der Georg Fischer AG, Hier und Jetzt, Baden 2018, ISBN 978-3-03919-427-8, Seite 158–185

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. S. Kuhfuss-Wickenheiser: Die Reimann-Schule in Berlin und London 1902–1943. Ein jüdisches Unternehmen zur Kunst und Designausbildung internationaler Prägung bis zur Vernichtung durch das Hitlerregime. Aachen 2009, ISBN 978-3-86858-475-2, S. 305 f., 574.
  2. Farbe und Form, Berlin 1931, S. 185.