Jüdischer Friedhof An der Strangriede

Jüdischer Friedhof in Hannover, ca. 2.600 Grabsteine

Der Jüdische Friedhof An der Strangriede in Hannover ist der zweite von vier jüdischen Friedhöfen in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Nach Schließung des Alten Jüdischer Friedhofs an der Oberstraße wurde er 1864 eröffnet. Bis 1924 war er Hauptfriedhof der Jüdischen Gemeinde Hannover. Mit dem Ziegelbau der Predigthalle und etwa 2.600 erhaltenen Grabsteinen ist der Friedhof ein bedeutender historischer Ort für die Geschichte der hannoverschen Juden.

Jüdischer Friedhof An der Strangriede

Standort des in seiner Gesamtanlage auch als Gartendenkmal geschützten Geländes[1] ist die Straße An der Strangriede 55a in der Nordstadt von Hannover.[2]

Geschichte Bearbeiten

 
Die Holocaust-Überlebenden Henry Korman (links) und Salomon Finkelstein mit der Kuratorin Corinna Luedtge in der Ausstellung Zeit zum Erinnern in der Predigthalle des Friedhofes, 2015

Der Friedhof An der Strangriede wurde, parallel zur Erbauung der Neuen Synagoge in der Bergstraße (heute Rote Reihe), in den Jahren 1861–64 angelegt. Seine Eingangsarchitektur, die Predigthalle und die Nebengebäude, wurden 1863/64 von Edwin Oppler erbaut. Nach dem Alten Friedhof an der Oberstraße, der vom 16. Jahrhundert bis 1864 genutzt wurde, war der 1864 eröffnete Friedhof An der Strangriede die Begräbnisstätte der Jüdischen Gemeinde in der Zeit von 1864 bis 1924. Im Jahr 1924, als der Friedhof mit etwa 3.500 Gräbern in sechs großen Grabfeldern belegt war, wurde der Jüdische Friedhof Bothfeld eröffnet.

Auf dem Friedhof An der Strangriede sind über 2.600 Grabstätten aus der Zeit des stärksten Wachstums der jüdischen Bevölkerung, dem Zeitalter ihrer gesellschaftlichen Emanzipation in der zweiten Hälfte des 19. und dem beginnenden 20. Jahrhundert, erhalten.

Der sechs Jahrzehnte genutzte Friedhof ist ein Dokument für die Entwicklung des hannoverschen Judentums in seiner Wachstums- und Aufstiegsphase. Das Streben der jüdischen Bürger nach gesellschaftlicher Integration und Anerkennung führte zur Aufhebung traditioneller jüdischer Beisetzungsregeln: es erschienen Inschriften in deutscher Sprache, Erbbegräbnisse wurden zugelassen, Grabsteine zunehmend individuell und prachtvoll gestaltet.

Predigthalle Bearbeiten

 
Predigthalle Außenansicht
 
Predigthalle innen

Mit der Predigthalle von Edwin Oppler, einem Ziegelbau mit Rundbogenfenstern, findet sich hier der einzige erhaltene Sakralbau dieses bedeutenden Architekten des 19. Jahrhunderts. Er entwarf auch die Synagogen in Hannover und Breslau, die beide am 9. November 1938 zerstört wurden. 1921 wurde an der Ostseite der Predigthalle die Jüdische Kriegergedenkstätte 1914-18 angebaut. Dort sind auf großen Tafeln die Namen von 124 Kriegstoten verzeichnet, darunter auch Fritz Kraft (1894–1917), der Bruder des Schriftstellers Werner Kraft. Die Kriegergedenkstätte trägt die Inschrift: „Zu Ehren ihrer im Weltkriege gefallenen Söhne – die Synagogen-Gemeinde Hannover“.

Ab 1941 diente die Predigthalle als eines der „Judenhäuser“, in denen mehr als 100 hannoversche Juden festgehalten wurden. Anschließend wurden sie in Vernichtungslager deportiert. Weitere Judenhäuser für die Juden aus Hannover wurden 1944 in Ahlem errichtet.

 
Anstelle eines Grabsteines setzten die Kinder der Holocaust-Opfer Max und Margarete Rüdenberg diesen Gedenkstein an der Kapelle auf dem Friedhof

In der Predigthalle befindet sich eine Ausstellung über die Geschichte der hannoverschen Juden, die von dem Historiker Peter Schulze eingerichtet und betreut wird. Sie ist (wie Friedhof und Predigthalle) jeweils am Tag des offenen Denkmals im September zu besichtigen.

Grabmäler (Auswahl) Bearbeiten

Panoramen Bearbeiten

 
Westlicher …
 
… und südlicher Teil des Friedhofs

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

alphabetisch geordnet

  • Joachim Bauer: Der jüdische Friedhof „An der Strangriede“ in Hannover. In: Die Gartenkunst 3 (1/1991), S. 111–117.
  • Selig Gronemann: Genealogische Studien über die alten jüdischen Familien Hannovers, Hannover, 1913.
  • Helmut Knocke, Hugo Thielen: An der Strangriede 55a. In: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon. Hannover 2007, ISBN 978-3-934920-53-8, S. 87.
  • Heike Leuckfeld: Das Grabmal von Bertha Königswarter auf dem Jüdischen Friedhof „An der Strangriede“ in Hannover. Monitoring im Rahmen eines Patenschaftsvertrages. In: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 31 (2011), S. 229–230.
  • Peter Schulze: Beiträge zur Geschichte der Juden in Hannover (= Hannoversche Studien. Bd. 6). Hahn, Hannover 1998, ISBN 3-7752-4956-7 (hintere Umschlagklappe: Friedhofsplan).
    • Darin: Rundgang über den Friedhof an der Strangriede, S. 205–208.
  • Peter Schulze: Juden in Hannover. Beiträge zur Geschichte und Kultur einer Minderheit. Texte und Bilder der Ausstellungen „Juden in Hannover“ und „Historische Thoravorhänge aus Hannovers früheren Synagogen“ in der Alten Predigthalle (= Kulturinformation. Nr. 19). Mit einem Beitrag über die Geschichte des jüdischen Friedhofs An der Strangriede. Hannover 1989 (hintere Umschlagklappe: Friedhofsplan).
    • Darin: Beth Hachajim – Haus des Lebens. Der jüdische Friedhof An der Strangriede in Hannover, S. 102–130.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Jüdischer Friedhof An der Strangriede – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Gerd Weiß: Die Gartengemeinden der Nordstadt In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 2, Band 10.2, hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig/Wiesbaden 1985, ISBN 3-528-06208-8, S. 100, sowie Ortskarte 2 Nordstadt Hainholz Vahrenwald S. 34f.; sowie Nordstadt im Addendum Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege) / Stand: 1. Juli 1985 / Stadt Hannover. S. 6f.
  2. Dirk Böttcher, Klaus Mlynek (Hrsg.), Helmut Knocke, Hugo Thielen: An der Strangriede 55a In: Hannover. Kunst- und Kultur-Lexikon. Handbuch und Stadtführer. 4., aktualisierte und erweiterte Auflage. zu Klampen, Springe 2007, ISBN 978-3-934920-53-8, S. 82.

Koordinaten: 52° 23′ 24″ N, 9° 43′ 11″ O