ICARUS-Initiative

Initiative für eine Fernerkundungsplattform im Weltraum

Das Ziel der ICARUS-Initiative (englisch International Cooperation for Animal Research Using Space) ist die Errichtung einer Fernerkundungsplattform im Weltraum, um die Bewegungen von Organismen global beobachten zu können.[1] Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde im März 2022 die Kooperation aufgekündigt.[2]

Geschichte Bearbeiten

 
Installation der ICARUS-Antenne während der ISS-Expedition 56

ICARUS wurde 2002 durch ein internationales Konsortium, bestehend aus Wissenschaftlern gegründet, die erkannten, dass ein Wissensdefizit bezüglich der globalen Ausbreitungs- und Wanderwege von „Kleintieren“ (z. B. Insekten, Fledermäusen, Singvögeln) existiert.[1] 2011 wurde die ICARUS-Initiative auf einer Tagung der Bonner Konvention in Norwegen vor über 100 Regierungsvertretern vorgestellt.[3] Das Projekt wird seit März 2012 vom DLR-Raumfahrtmanagement als nationales Vorhaben gefördert und von Roskosmos unterstützt. Weiterhin finanziert die Max-Planck-Gesellschaft die Miniaturisierung des ICARUS-Funkchips (Empfänger-Sender-Einheit).

Der Onboard-Computer und die ICARUS-Antenne wurden im Oktober 2017 bzw. Februar 2018 zur ISS transportiert.[4]

Am 15. August 2018 installierten die Kosmonauten Artemjew und Prokopjew das ICARUS-Experimentalsystem (Fernerkundungsplattform) auf der ISS während eines mehrstündigen Außenbordeinsatzes.[5] In der zweiten Juliwoche 2019 ging Icarus in den Testbetrieb. Nach Auswertung der 4-monatig erhobenen Testdaten soll das globale Wildtierwanderungsbeobachtungssystem der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft zur Forschung zur Verfügung stehen.[6]

Am 3. März 2022 erklärte das DLR mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine die Kooperationen mit Russland für beendet. Die russische Seite kündigte die Zusammenarbeit mit dem DLR daraufhin ebenfalls auf und liefert seitdem keine Daten mehr.[2]

Leitung Bearbeiten

Die Initiative wird geleitet von Martin Wikelski und Uschi Müller vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell am Bodensee und Olga Solomina von der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau. Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats sind: Gil Bohrer, Ohio State University/USA; Margaret Crofoot, Universität Konstanz und Smithsonian Tropical Research Institute, Panama; Walter Jetz, Yale University; Roland Kays, North Carolina State University/USA; Kate Mansfield, Marine Turtle Research Group, University of Central Florida/USA; Grigori Tertitski, Russische Akademie der Wissenschaften, Moskau; und Kasper Thorup, Universität Kopenhagen, Dänemark.[7]

Technische Umsetzung Bearbeiten

ICARUS nutzt die CDMA-Kommunikationstechnologie (Code Division Multiple Access), um kleine Datenmengen mit geringem Energieaufwand vom Boden zu einer Dekodierungs-Recheneinheit im niedrigen Erdorbit (400–800 km Bahnhöhe) zu senden.[8] Damit verwirklicht ICARUS eine IoT-(Internet of Things)-Kommunikation via Satellit. ICARUS besteht aus einer Fernerkundungsplattform auf der ISS, der auf dem Tier befindlichen Empfänger-Sender-Einheit und dem Rechenzentrum. Die Empfänger-Sender-Einheiten werden an von den Forschern ausgewählten Tieren angebracht. Diese besitzen u. a. GPS-Empfänger, um die Position des Tieres bestimmen zu können. Die Daten können dann von der Fernerkundungsplattform auf der ISS mit einem schmalbandigen Datensignal auf der Frequenz 468,1 MHz abgefragt werden. Nach deren Aussendung auf der Frequenz 402,25 MHz mit einer Bandbreite von ca. 1,5 MHz zum Empfang auf der ISS werden diese an das Mission Control Center weitergeleitet und von dort an das Rechenzentrum gesendet. Die Daten können von den Forschern u. a. aus der Movebank[9] (einer Datenbank für Tierbewegungen) abgefragt werden. Darüber hinaus ist es den Forschern auch möglich, die Daten mittels eines mobilen Gerätes von den Tieren (Empfänger-Sender-Einheit) vor Ort abzufragen. Eine der Herausforderungen bestand darin, das Datenvolumen, das zur ISS übersandt werden soll, zu minimieren.[10][11]

Ziele und Nutzen Bearbeiten

Milliarden von Tieren bewegen sich über Kontinente und Grenzen hinweg. Forschern ist es deshalb kaum möglich, einzelne kleine Tiere kontinuierlich und über einen langen Zeitraum hinweg bei ihren Wanderungen zu beobachten. ICARUS soll hier Abhilfe schaffen. Durch die Analyse der lokalen und globalen Ausbreitungs- und Wanderwege sollen weitere Informationen über die Ausbreitung von Infektionskrankheiten durch Tiere (Singvögel, Fledermäuse, Insekten), die Wahrscheinlichkeit der Anwesenheit einer Vogelpopulation in einem bestimmten Gebiet, Bewegungsmuster bei der Wanderung, Beeinträchtigung der Vogelpopulation durch Umwelteinflüsse u. v. m. gewonnen werden.[12]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Am Puls der Erde. Abgerufen am 17. Februar 2023.
  2. a b „Icarus“-Projekt erhält keine Daten mehr von der ISS. In: www.welt.de. 23. März 2022, abgerufen am 23. März 2022.
  3. ICARUS-Initiative wurde bei einer internationalen Tagung der CMS (Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals) vorgestellt. Meldung des Max-Planck-Instituts für Ornithologie, 21. November 2011, abgerufen am 28. Februar 2023.
  4. Ohren für Icarus – Russische Rakete bringt Antenne des Tierbeobachtungssystems zur Internationalen Raumstation. Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft, 13. Februar 2018, abgerufen am 20. Februar 2018.
  5. Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz: Außenbordeinsatz für Icarus. 15. August 2018, abgerufen am 13. Oktober 2023.
  6. Icarus ist angeschaltet. Max-Planck-Gesellschaft, 10. Juli 2019, abgerufen am 14. Juli 2019.
  7. siehe Homepage der Icarus-Initiative, abgerufen 30. Juni 2020
  8. Seite Datenübertragung bei www.tiersensoren.mpg.de, abgerufen 27. Februar 2018
  9. Siehe Homepage von Movebank.org
  10. Homepage – Technical Solution. Max-Planck-Institut für Ornithologie, 15. November 2011, abgerufen am 22. Februar 2014 (englisch).
  11. Manfred Dieterle-Jöchle: Vögel als Klimaforscher. (PDF; 60 KB) Südkurier, 21. Dezember 2013, abgerufen am 22. Februar 2014.
  12. Homepage – Science & Projects. Max-Planck-Institut für Ornithologie, 15. November 2011, abgerufen am 22. Februar 2014 (englisch).