Convair F-106
Die Convair F-106 Delta Dart war ein einstrahliger, allwetterfähiger Hochleistungs-Abfangjäger mit Deltaflügeln aus US-amerikanischer Produktion, der von 1959 bis 1988 im Einsatz war. Die F-106 wurde maßgeschneidert für das Luftverteidigungssystem der Vereinigten Staaten entwickelt und deshalb nur von den US-Luftstreitkräften eingesetzt. Dieses Flugzeug weist viele Besonderheiten auf und hielt bis 22. November 1961 den von der FAI anerkannten absoluten Geschwindigkeitsweltrekord mit 2.455,736 km/h (1525,93 mph)[1] Diese Leistung stellt bis heute eine der höchsten mit einem einstrahligen Jets offiziell anerkannten Geschwindigkeiten dar. In der Folgezeit gab es nur noch ein einstrahliges Flugzeug, das einen offiziellen Fluggeschwindigkeitsweltrekord aufstellte – die Mikojan-Gurewitsch Je-166 am 7. Juni 1962 mit 2.681 km/h.
Convair F-106 Delta Dart | |
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Eine F-106A „Delta Dart“ des 5th FIS | |
Typ: | Abfangjäger |
Entwurfsland: | |
Hersteller: | |
Erstflug: |
26. Dezember 1956 |
Indienststellung: |
Mai 1959 |
Produktionszeit: | 1955 bis 1964 |
Stückzahl: |
340 |
Die F-106 gehörte zu der sogenannten Century-Reihe (F-100 bis F-110).
EntwicklungBearbeiten
Anfang der 1950er Jahre zeichnete sich klar ab, dass der „Ultimate Interceptor“, welchen Convair entwickelte, nicht bis 1954 die Einsatzreife erreichen würde. Die USAF entschied sich daher zur Überbrückung für die Anschaffung eines technologisch weniger anspruchsvollen Abfangjägers. Dieses Interimsmuster war die Convair F-102A Delta Dagger und das eigentliche Projekt MX-1554 erhielt die Bezeichnung F-102B. Zwischenzeitliche Probleme bei Entwicklung und Einführung der F-102A führten zur vorläufigen Beendigung des F-102B-Programms. Im November 1955, als die vorgesehene Feuerleitanlage Hughes MA-1 endlich fertig war, wurden die Arbeiten an der F-102B wieder aufgenommen; am 17. Juni 1956 wurde das Projekt schließlich offiziell in F-106 Delta Dart umbenannt. Das Pratt & Whitney J57 Triebwerk der F-102A wurde durch das Pratt & Whitney J75 ersetzt. Umfangreiche Detailänderungen verbesserten die Aerodynamik im Transsonischen- und Überschallgeschwindigkeitsbereich. So war die F-106 nun fähig ohne Nachbrenner über Mach 0,9 schnell zu fliegen und mit zwei externen Tanks Überschallgeschwindigkeit zu erreichen. Das Einsatzkonzept sah Einsätze dieses Abfangjägers unter automatischer Leitung durch SAGE-Bodenstationen (Semi-Automatic Ground Environment) vor, mit denen das Hughes MA-1-System gekoppelt war. Der Jäger wurde dabei vom Boden an das Ziel herangeführt, bis das Bordradar es erfassen konnte. Der weitere Anflug wurde vom MA-1-System mit den Daten des Bordradars gesteuert. Sobald sich die F-106 dem Ziel auf Waffenreichweite genähert hatte, schoss das MA-1-System die Raketen ab[2]. Danach drehte die Maschine automatisch ab. Die Aufgabe des Piloten während der Mission war lediglich: Start, Aktivierung der Waffen, Kontrolle der Systeme etc., Eingreifen bei Problemen, Steuerung des Schubs nach Machzahl-Vorgabe und Landung.[3][2] Zwei Prototypen der F-106A (Convair Model 8-24) flogen erstmals am 26. Dezember 1956 bzw. 26. Februar 1957. Die ersten Tests verliefen enttäuschend und zeigten noch zahlreiche Mängel insbesondere am Triebwerk und der Feuerleitanlage auf. Hinzu kamen einschneidende Rüstungsbudgetkürzungen, so dass zur Rettung des Programms die geplante Beschaffung von 1.000 Flugzeugen auf nur 350 Maschinen reduziert werden musste. Modifikationen an den Lufteinläufen und am Elektroniksystem beseitigten die erkannten Probleme weitgehend und so konnten die ersten einsatzfähigen Jäger im Mai 1959 an die 539th Fighter Interceptor Squadron auf der McGuire Air Force Base (New Jersey) übergeben werden. Es entstanden 275 Maschinen der einsitzigen Variante F-106A.
Neben der F-106A gab es noch die zweisitzige Trainerversion F-106B (Convair Model 8-27), welche auch als voll taugliche Einsatzmaschine verwendbar war. Von dieser Version wurden 63 Maschinen gebaut.
Die NASA nutzte bis 1991 eine F-106B mit Vortex Flaps an der Vorderkante der Flügel. Die Vortex Flap dient der gezielten Ausnutzung der bei höheren Anstellwinkeln abgehenden Wirbelsysteme, wobei durch Form und Einstellung der Klappe relativ zum Flügel die Saugkraft dieser Wirbel entweder zur Verminderung des Widerstandes oder zur Auftriebserhöhung genutzt werden soll. Im Idealfall lässt sich eine Maximierung der Gleitzahl – also des Verhältnisses Auftrieb zu Widerstand erreichen. Die Untersuchungen dienten der Entwicklung eines Klappensystems für Überschallverkehrsflugzeuge, um für Unterschallüberlandflüge günstigere aerodynamische Verhältnisse zu erzielen.
Verbesserte Versionen (F-106C, F-106D und F-106X) blieben nur Projekte. Diese Versionen mit der Bezeichnung „Super Dart“ hätten über neue Lufteinlässe für das Triebwerk, Canards, neue Avionik, neuen Radar und ein General-Electric-Strahltriebwerk J93-GE-3AR verfügt, einige dieser Neuerungen hatten ihren Ursprung im nicht realisierten Convair Model 200. Als potentielle Kunden galt die US Air Force und die Luftwaffe von Japan.[4] Im Laufe der Produktion waren schrittweise Verbesserungen erfolgt, so dass man Nachrüstprogramme zum gemeinsamen Standard-Modell 8-31 bzw. 8-32 parallel zur Auslieferung der letzten Serienmaschinen durchführte. Durch fortlaufende Modernisierungen wurden die F-106 schließlich bis 1988 in Dienst gehalten. Als letzte Einheit flog die 119th Fighter Interceptor Squadron der New Jersey Air National Guard die Delta Dart bis August 1988.
Besonderheiten der F-106ABearbeiten
Eine Neuerung, die in etliche US-amerikanische Kampfflugzeugentwürfe (z. B. nach der F-102 noch in die F-104 Starfighter, F-105 Thunderchief, F-4 Phantom II und Convair B-58 Hustler) der 1950er Jahre einfloss, war der aus aerodynamischen Gründen in der Mitte eingeschnürte Rumpf (Wespentaille), der so genannten Flächenregel folgend. Dies brachte dem Jet den Spitznamen „fliegende Colaflasche“ ein.
Die F-106A war das erste Flugzeug mit einem digitalen Bordcomputer mit Zielidentifizierung und hatte bereits ein Radar mit Festzeichenunterdrückung aber ohne Look-Down-Shoot-Down-Fähigkeit, zeigte also nur bewegte Ziele an. Weiterhin hatte die F-106A ab 1960 vor der Pilotenkanzel ein Infrarotzielsystem (IRST) eingebaut. So war es auch auf kurze Distanz oder bei technisch oder feindlich gestörtem Radar möglich, die IR-Raketen einzusetzen. Standardmäßig war die Maschine mit zwei AIM-4D/G-Falcon-Raketen mit Infrarot-Lenkung und zwei AIM-4F Falcon mit halbaktiver Radarlenkung ausgestattet. Die F-106A konnte jedoch auch die ungelenkte AIR-2 Genie mitführen – die stärkste Waffe, die je ein Abfangjäger mitgeführt hat. Die AIR-2A besaß einen nuklearen Gefechtskopf von 1,5 Kilotonnen (kT) TNT und sollte gegen feindliche Bomberformationen eingesetzt werden, indem sie zwischen den Bombern explodierte. Wegen der geringen Reichweite der Luft-Luft-Rakete von nur 9,5 km musste die F-106 nach dem Abschuss extrem schnell umkehren, um dem Vernichtungsradius der Kernwaffenexplosion zu entkommen. Während das Flugzeug automatisch auf dem per Funk übertragenden Abfangkurs fliegt, sucht der Pilot per Radar nach dem Ziel. Hat der Pilot das Ziel gefunden und den Bereich eingegrenzt aktiviert er die gewünschte Waffe. Das Radar wechselt den Modus und verfolgt genau ein Ziel. Der Pilot fliegt nun das Flugzeug. Der Pilot muss das Ziel in der Mitte eines Konuses vor dem Flugzeug halten, dieser wird dem Piloten als abstandsabhängiger Kreis im HUD dargestellt. Der Raketenabschuss findet nach Ermessen des Feuerleitcomputers automatisch statt. Die Rakete wird erst kurz vor dem Abschuss ausgefahren. Der Suchkopf der Rakete zeigt schon im Waffenschacht in Richtung des Ziels. Im Fall der ungelenkten Genie-Rakete fliegt diese den vom Computer programmierten Kurs und explodiert unter der extrapolierten Flugbahn des Ziels.
Um im Überschallflug den Schwerpunkt dem Auftriebspunkt nachzuführen pumpte der Computer Mach-Zahl abhängig Treibstoff zwischen dem Tank hinter dem Piloten und dem Trimmtank an der Hinterkante der Tragflächen umher. Der Trimmtank diente während des Starts und Aufstiegs zunächst als normaler Integraltank.
ProduktionBearbeiten
Abnahme der F-106 durch die USAF:[5]
Version | 1956 | 1957 | 1958 | 1959 | 1960 | SUMME |
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F-106A | 1 | 1 | 13 | 114 | 130 | 259 |
F-106B | 5 | 19 | 27 | 27 | 78 | |
YF-106C | 2 | 2 | ||||
SUMME | 1 | 6 | 34 | 141 | 157 | 339 |
Technische Daten der F-106ABearbeiten
Kenngröße | Daten |
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Typ: | Abfangjäger |
Länge: |
|
Flügelspannweite: | 11,67 m |
Flügelfläche: | 58,65 m² |
Flügelstreckung: | 2,32 |
Tragflächenbelastung: |
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Höhe: | 6,18 m |
Leergewicht: | 10.728 kg |
Normales Startgewicht: | 15.670 kg |
Maximales Startgewicht: | 18.974 kg |
Treibstoffkapazität: | 909 l im Rumpf und 9.420 l in den Flügeltanks |
Höchstgeschwindigkeit: | Mach 2,31 bzw. 2.455 km/h (auf optimaler Höhe) |
Steiggeschwindigkeit: | 202 m/s |
Dienstgipfelhöhe: | 17.670 m |
Einsatzradius: |
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Überführungsreichweite: | 4.245 km |
Besatzung: | 1 Pilot |
Bewaffnung: | siehe Text |
Triebwerk: | ein Pratt & Whitney J75-17-Strahltriebwerk |
Schubkraft: |
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Schub-Gewicht-Verhältnis: |
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Stückpreis: | 4,7 Million US-Dollar |
BewaffnungBearbeiten
- Interne Rohrwaffe
- 1 × 20-mm-Gatling-Kanone General Electric M61A1 „Vulcan“ (GAU-4) mit 650 Schuss Munition (als Ersatz für Genie/AIM-26, nur Einsitzer)
- Kampfmittel bis zu 2.400 kg im internen Waffenschacht sowie an zwei Außenlaststationen
- Im zentralen Waffenschacht
-
- Luft-Luft-Lenkflugkörper
- 4 × Hughes AIM-4A/F „Falcon“ / „Super Falcon“ (früher GAR-1A/3A) – radargesteuerter Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper
- 4 × Hughes AIM-4B/C/D/G „Falcon“ / „Super Falcon“ (früher GAR-2/2A/2B/4A) – infrarotgesteuerter Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper
- 1 × Hughes AIM-26A „Falcon“ (früher GAR-11 mit nuklearem 1-kt-Gefechtskopf) – radargesteuerter Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper
- 1 × Hughes AIM-26B „Falcon“ (früher GAR-11 mit konventionellem Gefechtskopf) – radargesteuerter Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper
- Ungelenkte Luft-Luft-Raketen
- 1 × AIR-2A „Genie“ / AIR-2B „Super Genie“ (früher MB-1 mit nuklearem 1,5-kt-Gefechtskopf)
- An zwei Außenlaststationen
-
- Luft-Boden-Lenkflugkörper
- 2 × General Dynamics AGM-78 „Standard“ – Radarbekämpfungsflugkörper
- Zusatzbehälter
2 × abwerfbare Zusatztanks mit 871 Liter (230 US gallons) Kerosin
Zwischenfälle und VerlusteBearbeiten
VerlusteBearbeiten
Von den insgesamt 340 bei Convair produzierten F-106 (277 Einsitzer F-106A und 63 Zweisitzer F-106B) gingen in der langen Einsatzzeit von 1959 bis 1988 bei der Air Force bzw. Nationalgarde insgesamt 112 Maschinen verloren.
Cornfield BomberBearbeiten
Am 2. Februar 1970 geriet die F-106 der 71st Fighter-Interceptor Squadron mit der Seriennummer 58-0787 über Montana während eines Übungsfluges ins Flachtrudeln. Der Pilot Gary Faust versuchte erfolglos, das Trudeln zu beenden und stieg schließlich in etwa 15.000 ft mit dem Schleudersitz aus. Er landete unverletzt mit dem Fallschirm.[6]
Die F-106 stabilisierte sich sofort nach dem Ausstieg und landete führerlos mit laufendem Triebwerk und eingefahrenem Fahrwerk auf einem verschneiten Weizenfeld in Montana. Die Beschädigungen waren so gering, dass das Flugzeug an einer nahe gelegenen Bahnlinie teilweise demontiert auf einen Waggon zum Rücktransport verladen wurde und nach den notwendigen Reparaturen wieder eingesetzt werden konnte.[7]
Die als „Cornfield Bomber“ bekannt gewordene Maschine ist heute im National Museum of the United States Air Force ausgestellt.[8]
Stationierungen in ÜberseeBearbeiten
Zweimal wurden F-106 nach Übersee verlegt. Einige flogen zeitweise in Westdeutschland und andere in Südkorea.[9]
WeblinksBearbeiten
- F-106 Delta Dart Association. Home of the Ultimate Interceptor. Abgerufen am 27. März 2018 (englisch): „Mission Statement: To publicize and distribute knowledge of the F-106 Delta Dart legacy...“
- Rekordeintrag der F-106A bei der FAI (englisch)
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ Website: F-106 Delta Dart: Single Engine Speed Record
- ↑ a b Mike SpickMeilensteine der Luftfahrt, Von den Gebrüdern Wright bis zur Stealth-Technologie, 2. Auflage, Stocker-Schmid (Spezialausgabe 2000); Berechtigte Lizenzausgabe für die Bundesrepublik Deutschland, Motorbuch-Verlag, Stuttgart ISBN 3-7276-7124-6 S. 95
- ↑ History of the F-106 Delta Dart. In: www.f-106deltadart.com. Archiviert vom Original am 7. August 2012; abgerufen am 9. Januar 2015 (englisch).
- ↑ Project terminated. Erik Simons, Seiten 112–117, ISBN 978-0-85979-173-1
- ↑ Statistical Digest of the USAF 1956, S. 91; 1957, S. 97; 1958, S. 72; 1959, S. 68; 1960, S. 62
- ↑ Peter Grier: “Gary, You Better Get Back In It!” Air Force Association, April 2009, abgerufen am 28. März 2018: „Two Safe Landings“
- ↑ The Cornfield Bomber. 8-0787 Lands Pilotless... without Pilot Lt Gary Foust. F-106 Delta Dart Association, 26. Januar 2005, abgerufen am 27. März 2018 (englisch, Bericht von 2005 mit späteren Ergänzungen).
- ↑ Convair F-106A Delta Dart. National Museum of the United States Air Force, abgerufen am 13. Juli 2016: „The aircraft on display was involved in an unusual incident.“
- ↑ F-106 in Südkorea (Memento vom 22. Oktober 2014 im Internet Archive)