Gemeindereform Balingen

Grundlage war das Gesetz zur Verstärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden vom 26. März 1968. Ziel war es die Anforderungen der Bürger „ländlicher“ Gemeinden, die hinsichtlich der Infrastruktur immer mehr die selben Ansprüche stellten wie die Bürger in der Stadt, was aber von den ländlichen Gemeinden aus Kostengründen nicht zu bewältigen war. Größere Investitionen seien nur in einem erweiterten Planungsraum möglich. Das Gesetz sah drei Möglichkeiten vor: Die Neubildung einer Gemeinde als Zusammenschluss mehrerer einzelner, oft sogar unter neuem Namen (zum Beispiel: Albstadt); die Eingemeindung kleinerer Gemeinden; der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, wie zum Beispiel zwischen Balingen und Geislingen.

Wenige Wochen nach dem Erlass des Gesetzes setzte sich die Stadt Balingen mit den 13 Gemeinden der Umgebung zu Sondierungsgesprächen zusammen. Das Innenministerium erklärte Geislingen mit Binsdorf und Erlaheim zu einer Verwaltungseinheit. Weilstetten und Frommern waren für eine Eingliederung nach Balingen vorgesehen, erhielten aber auch die Option, zu fusionieren und eine Verwaltungsgemeinschaft mit Balingen zu bilden. Besonders Frommern unter seinem damaligen Bürgermeister Uhl fühlte sich als Mittelpunkt für die Gemeinden Weilstetten, Streichen, Stockenhausen und Zillhausen[1].

Die Eingemeindung Streichens nach Balingen Bearbeiten

Im Mai 1970 kam es zu Besprechungen zwischen den Gemeinderäten von Balingen und Streichen und im Juni zu einem Entwurf eines Eingliederungsvertrages. Bei der, durch das Gesetz vorgeschriebenen, Bürgeranhörung stimmten am 25. Oktober 1970 von den 313 Wahlberechtigten 70,6 % für die Eingemeindung nach Balingen. Im Eingemeindungsvertrag wurde eine Verbindungsstraße nach Balingen zugesagt, so dass die Pendler nicht mehr über Frommern nach Balingen fahren mussten, die Grundschule wurde erhalten, ein Kindergarten wurde bei steigenden Einwohnerzahlen zugesagt und das Freibad wurde renoviert. So wurde die von der Kernstadt entlegenste Gemeinde am 1. Januar 1971 die erste Eingemeindung.

Die Eingemeindung Stockenhausens nach Frommern Bearbeiten

Parallel fanden Verhandlungen zwischen Stockenhausen und Frommern statt. Dort stimmten 78 der 168 stimmberechtigten Bürger mit Ja und 17 mit Nein zu einem Zusammenschluss mit Frommern. Im Eingemeindungsvertrag hieß es: „…bevor gesetzliche Maßnahmen […] die Möglichkeit zu eigener Willensbildung nehmen.“[2]

Die Eingemeindung Ostdorfs nach Balingen Bearbeiten

Die Beratungen mit Ostdorf begannen mit einer gemeinsamen Gemeinderatssitzung am 14. Mai 1970. Ostdorf und das neue Balinger Wohngebiet Auf Schmieden waren bereits aufeinander zugewachsen. Balingen wollte den Grundschülern den weiten Weg bis zur Sichelschule ersparen. Es bot sich also der Bau einer Nachbarschaftsschule unter Rückgriff auf staatliche Zuschüsse an. Ostdorf wollte zunächst nur eine Verwaltungsgemeinschaft eingehen, im Hinblick auf die Fusionsprämie des Landes wurde aber in Richtung Zusammenschluss weiter gedacht. Das Votum von 64,5% für die Eingliederung auf der Bürgerversammlung nahm der Gemeinderat zum Anlass, am 19. Mai 1971 dem Eingliederungsvertrag einstimmig zuzustimmen. Die Eingemeindung erfolgte zum 1. Juli 1971. Das Gewerbegebiet Hinter dem Stettberg wurde daraufhin ausgebaut, eine neue zweizügige Grundschule mit Turnhalle und Lehrschwimmbecken wurde errichtet, die Festhalle, der Ortskern saniert und die Ortslage Steinets ausgebaut.

Die Eingemeindung Roßwangens nach Weilstetten Bearbeiten

Roßwangen war die einzige traditionell katholische Gemeinde im Kreis der verbleibenden Eingemeindungskandidaten. Der Ort war erst bei der Landkreisreform 1938 vom Kreis Rottweil zum Kreis Balingen gekommen.

In einer Sitzung im April 1970 bedauerte der Roßwanger Gemeinderat, sich auf Frommern und Weilstetten beziehend, dass einige Gemeinden eine Ausrichtung auf die Kreisstadt ablehnen würden, diese dadurch aber von ihrem Umfeld (also auch Roßwangen) isolieren würden. Unter den gegeben Umständen wurde ein Zusammengehen mit Weilstetten als naheliegendste Lösung angedacht, aber die Furcht, dass Frommern und Weilstetten in Zukunft fusionieren könnten und Roßwangen ein fernes Anhängsel von Frommern werden könnte, schwang bei den weiteren Planungen mit. Ein Zusammengehen mit dem (katholischen) Schömberg wurde ebenfalls aus geographischen Gründen abgelehnt.

In einer Gemeinderatssitzung am 30. November 1970 in Anwesenheit der Balinger und Weilstetter Bürgermeister wurden die Möglichkeiten nochmals erörtert. Der Balinger Bürgermeister zeigte auf, dass langfristig der Raum Balingen eine Einheit bilden müsse, dass aber die kontroversen Diskussionen bei den Bürgerversammlungen in Ostdorf und Endingen die psychologischen Schwierigkeiten verdeutlicht hätten und auch den Willen Balingens geschwächt hätten, kurzfristig zu einer Einigung zu kommen. Darüber hinaus sei die Stadt immer weniger in der Lage, eine Reihe von Eingliederungen, finanziell und verwaltungstechnisch zu verkraften. Er empfehle deshalb ein Zusammengehen Roßwangens mit Weilstetten. Der Bürgermeister von Weilstetten versicherte, dass ein Zusammengehen mit Frommern nicht geplant sei. Dies im Einigungsvertrag aber verbindlich festzuschreiben wurde vom Rechtsvertreter des Landratsamtes nicht für möglich gehalten. Am 15. Dezember 1970 wurde im Gemeinderat der Einigungsvertrag mit Weilstetten beraten und in einer Bürgeranhörung am 25. April 1971 bestätigt. Die Einigung trat zum 1. Juli 1971 in Kraft.

Die Eingemeindung Endingens nach Balingen Bearbeiten

Die Eingemeindung Endingens war für die Balinger Raumplanung mit am wichtigsten. Das wichtige Gewerbegebiet Gehrn lag auf Endinger Gemarkung. Aus dessen Erschließung und den daraus erwachsenden Gewerbesteueraufkommen hoffte Endingen zu profitieren. In der ersten gemeinsamen Gemeinderatssitzung am 20. Juli 1970 sei „…ein offenes und hartes Gespräch…“ geführt worden. Schließlich habe man sich aber zur Eingliederungen „durchgerungen“[3]. Bei der Bürgeranhörungen stimmten 53 % für die Eingemeindung und 47 % dagegen. Bei der Gemeinderatssitzung stimmten sechs gegen fünf Stimmen für die Eingliederung, die Stimme des Bürgermeisters hatte den Ausschlag gegeben, ein Endinger Gemeinderat legte aus Entäuschung nach 18-jähriger Tätigkeit sein Amt nieder. Die Eingliederung erfolgte zum 1. August 1971.

Das Gewerbegiet Gehrn ist heute Balingens wichtigstes Gewerbegebiet. Das Berufsschulzentrum, das Ausstellungsgelände und die Sportarena liegen alle zwischen Balingen und Endingen. Die versprochene Ortsumgehung der Bundesstraße 27 um Endingen wurde hingegen noch nicht verwirklicht.

Die Eingemeindung Erzingens nach Balingen Bearbeiten

Die Eingemeindung Erzingens verlief unproblematisch. Die Verhandlungen hatten etwa ein Jahr gedauert und bei der Bürgeranhörung am 15. August 1971 sprachen sich 83,7 % der wählenden Bürger für eine Eingliederung aus. Der Gemeinderat stimmte einstimmig zu. Nach der Eingemeindung zum 1. September 1971 äußerte der Bürgermeister von Balingen: „Jetzt geht’s langsamer“[4]. Die Stadt Balingen war durch die Eingemeindungen fast an ihre finanziellen und verwaltungstechnischen Grenzen gestoßen.

Die Eingemeindung Zillhausens nach Balingen Bearbeiten

Die nächste Eingemeindung erfolgte zum 1. Januar 1973. Zillhausen zog zeitweise auch eine Zusammenarbeit mit Frommern in Erwägung. Man befürchtete bei einer Zusammenarbeit mit Balingen zwar, an den Schulden beteiligt zu werden, aber nicht von den Vorteilen der zentralen Einrichtungen profitieren zu können. Der Balinger Bürgermeister Hagenbuch wies auf die Verbindungsstraße zwischen Balingen und Streichen hin. Mit ausschlaggebend für die Entscheidung für Balingen war der Hinweis auf die staatliche Fusionsprämie, die aber in Kürze wegfallen könne. Bei einer Bürgerversammlung am 11. März 1972 traten auch die Ortsvorsteher der bisher eingemeindeten Gemeinden auf und erklärten, dass sie sich auch heute nicht anders entscheiden würden. Die Bürgeranhörung am 26. März 1972 erbrachte eine Zustimmung von 67 %.

Die Eingemeindung Engstlatts nach Balingen Bearbeiten

In Engstlatt bestand eine deutliche Opposition gegen die Gemeindereform. Bis 1972 war die Angelegenheit hingehalten worden. Im Februar 1972 kritisierte Bürgermeister Vogel in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung die Gemeindereform stark. Sie würde zu einer Politisierung der Gemeinden führen. Politische Parteien würden selbst in den kleinsten Gemeinden Einzug in die Rathäuser nehmen[5]. Die Fusionsprämien, die dem Finanzausgleich entnommen seien, würden die steuerschwachen Gemeinden schädigen. Ihr Einsatz gegenüber unschlüssigen Gemeinden sei „Erpressung und Betrug“[6]. Engstlatt sei auch zwischen der Bahnlinie und der B 27 eingeklemmt und eine bauliche Verbindung nach Balingen nicht möglich. Balingen sei in Sachen Dienstleistung im Rückstand und Engstlatter Hauptschüler wären nach einer Fusion gezwungen, in eine „baufällige Schule“[7] zu gehen. Bei der Bürgerversammlung stimmten 83,8 % gegen eine Eingemeindung.

Im Juli 1972 lud der Bürgermeister von Frommern Uhl seine Kollegen aus Weilstetten, Geislingen und Engstlatt zu einem Gespräch und unterbreitete den Vorschlag, zusammen mit der Stadt Balingen einen Verwaltungsverband zu gründen. Beim Engstlatter Gemeinderat stieß dies auf Skepsis, da Uhl bisher ein Gegner eines solchen Verbandes gewesen sei. Im Gemeinderatsprotokoll vom 20. Juli 1972 heißt es, man „… wolle scharf darüber wachen, daß keine Lösung entstehen könne, die schlechter sei als alles andere, was überhaupt zu erzielen sei“.[8].

Bei einem Gespräch am 10. Januar 1973 verdeutlichte MdL Gomeringer Bürgermeister Vogel, dass es für Engstlatt nur noch darum gehe, sich unverzüglich mit einer Prämie von einer Million Mark eingemeinden zu lassen, oder spätesten 1976 ohne Prämie. Am 18. Januar 1973 nahm der Gemeinderat von Engstlatt wieder Gespräche mit der Stadt Balingen auf. Der Eingemeindungstermin wurde auf den 1. Januar 1974 festgelegt, dann aber auf den 1. Oktober 1973 vorgezogen, damit Balingen, mit den zusätzlichen Einwohnern Engstlatts zum 1. Januar „Große Kreisstadt“ werden konnte, da danach der Grenzwert von 20.000 auf 40.000 Einwohner angehoben werden sollte.[9]

Die Integration Frommerns und Weilstettens in die Neue Stadt Balingen Bearbeiten

Frommern und Weilstetten unterschieden sich von den bisher aufgeführten Gemeinden darin, dass sie größer und wirtschaftlich potenter waren. Bürgermeister Uhl aus Frommern verfolgte darüber hinaus schon sehr früh den Gedanken eines „Unterzentrums Frommern-Weilstetten“ als Gegengewicht zu Balingen. Dies entsprach auch der ersten Zielplanung der Landesregierung.

Frommern hatte schon in den 1930er-Jahren solche Pläne gehegt, da die beiden Ortschaften schon damals praktisch zusammengewachsen waren und Frommern einerseits zur weiteren Expansion Gewerbeflächen benötigte und andererseits 200 Einwohner Weilstettens in Frommern arbeiteten. Zu einem solchen Zusammenschluss kam es zwar nicht, aber im Mai 1939 wurde der Frommener Bürgermeister Eisele auch zum Bürgermeister von Weilstetten ernannt. Das langfristige Ziel war damals die Eingemeindung Weilstettens nach Frommern. Über die Personalunion kamen die Planungen aber nicht hinaus, zumal Eisele als Soldat eingezogen wurde und nach dem Krieg in sowjetischer Gefangenschaft war[10]

Bürgermeister Gomringer aus Weilstetten widersetzte sich den neuen Plänen vehement. Lieber wollte er die eigene Selbständigkeit zu Gunsten Balingens opfern, als einen „Anschluß“ an Frommern. Im Jahr 1970 wurde die Leistungskraft der eigenen Gemeinde so eingeschätzt, dass auch in einem Zusammenschluss mit Balingen für den Augenblick keine Synergieeffekte für Weilstetten gesehen wurden. Als Gegengewicht zum Konglomerat Ebingen-Tailfingen-Onstmettingen, dem späteren Albstadt, wurde aber eine starke Kreisstadt als Fernziel gesehen[11]. Auch gegenüber Roßwangen wurden bei dessen Eingemeindung nach Weilstetten 1971 Zusagen gemacht, dass ein Zusammenschluss mit Frommern nicht geplant sei.

Im Jahr 1972 entwickelte sich eine heftige Debatte in der Lokalpresse, als bekannt wurde, dass Hans Uhl den Posten eines hauptamtlichen Stellvertreters des Bürgermeisters beansprucht hatte, sollte Frommern zu Balingen eingegliedert werden.

Bei einer gemeinsamen Gemeinderatssitzung am 23. März 1973 Frommerns und Weilstettens, an der auch der Landtagsabgeordnete und Vorsitzender des Ausschusses für Gemeindereform, der Meßstetter Bürgermeister Gomeringer als Gast und der Balinger Bürgermeister Hagenbuch als Zuhörer teilnahm, ergaben sich keine Änderungen der Standpunkte. Bürgermeister Uhl bekannte sich zur Raumschaft Balingen, die in der (fernen) Zukunft zu einer gemeinsamen Stadt führen könne, für die aber die geistigen Voraussetzungen in Balingen noch nicht vorhanden seien, da es der Stadt nur um ihre zentralen Einrichtungen ginge. Bürgermeister Gomringer aus Weilstetten erklärte, dass am Ende der Entwicklung Weilstetten wohl seine Selbständigkeit verlieren würde und man deshalb von der Steuerkraft und den Aufgabenstellungen her den Partner zu wählen habe, oder wie es ein Weilstetter Gemeinderat zusammenfasste: „Warum zum Schmiedle, gehen wir doch gleich zum Schmied“[12].

Am 8. April 1973 wurde in beiden Gemeinde eine Bürgerbefragung durchgeführt. Es standen drei Alternativen zur Auswahl.

  1. Sind Sie für die Eingliederung Ihrer Gemeinde in die Stadt Balingen?
  2. Sind Sie für eine Einheitsgemeinde „Frommern/Weilstetten“ als Teilverwalungsraum von Balingen?
  3. Sind Sie für einen eigenen Verwaltungsraum Ihrer Gemeinde als Teilverwaltungsraum von Balingen?

In Frommern stimmten 91 % für einen Zusammenschluss mit Weilstetten. In Weilstetten waren es immerhin noch 55 %, die für einen Zusammenschluss mit Frommern stimmten. Für eine Eingliederung nach Balingen stimmten nur 6 % in Frommern und 4 % in Weilstetten. In Weilstetten stimmten 41 % für einen eigenen Verwaltungsraum, wobei allein 230 dieser 595 Stimmen aus Roßwangen stammten. Der Frommener Gemeinderat reagierte darauf mit dem einstimmigen Beschluss, die Fusion von Frommern-Weilstetten anzustreben. Der Weilstetter Gemeinderat lehnte mit 7:6 Stimmen eine solche Lösung ab und mit dem selben Stimmenanteil die Bildung eines eigenen Verwaltungsraums[13].

Gegen den Beschluss des Weilstetter Gemeinderates bildete sich eine Initiativgruppe, die einen Bürgerentscheid forderte. Die Stimmung, die sich in Flugblättern und Leserbriefen widerspiegelte, war auf dem Siedepunkt. Der Bürgerentscheid scheiterte, weil er die erforderliche 50 % Wahlbeteiligung nicht erreichte. Am 11. Juli 1973 kam es zu einer stürmischen Gemeinderatssitzung in Weilstetten. Es wurde berichtet, dass vor dem Verwaltungsgericht in Sigmaringen eine Anfechtungsklage der Befürworter des Bürgerbegehrens eingegangen sei, wegen des unerlaubten Einsatzes eines Lautsprecherwagens, wegen der Anfertigung von Flugblättern, die zu einem Wahlboykott aufgerufen hatten und auf dem Rathaus angefertigt worden sein sollten. Dann wurde berichtet, dass das Kabinett in Stuttgart die Eingemeindung Frommerns und Weilstettens nach Balingen beschlossen habe.

Da durch eine Eingemeindung von Frommern und Weilstetten nach Balingen der Bevölkerungsanteil von 20% der aufnehmenden Gemeinde überschritten würde, sollte nun zusätzlich auch in Balingen eine Bürgeranhörung stattfinden. Im Weilstetter Gemeinderat wurde mit 8:5 Stimmen verhindert, das die Alternativfrage „Sind Sie für eine Vereinigung der Gemeinden Weilstetten und Frommern?“ zugelassen würde. Im Frommerner Gemeinderat wurde beschlossen, diese Frage zuzulassen. In Balingen stand die Frage nicht zur Debatte. Der Frommener Pfarrer brachte den bisherigen Stand der Auseinandersetzung in einem Leserbrief auf den Punkt: „Nur die Rivalität der gleichgewichtigen Bürgermeister in Weilstetten und Frommern steht der Vereinigung beider Orte im Weg, sonst nichts! Der Dritte im Bund nützt die Chance…“[14]

Bei der Bürgeranhörung am 20. Januar 1974 lag die Wahlbeteiligung in Balingen bei 16,5 %, davon stimmten 79,3 % für einen Zusammenschluss der drei Gemeinden. In Frommern lag die Wahlbeteiligung bei 69,8 % und 94,4 % stimmte gegen den Zusammenschluss. Praktisch die selbe Anzahl von Wählern stimmte für den Zusammenschluss von Frommern und Weilstetten. In Weilstetten lag die Wahlbeteilung bei 54,8 % und 90 % stimmte gegen den Zusammenschluss der drei Gemeinden.

Bürgermeister Uhl hob vor allem die hohe Wahlbeteiligung und Ablehnung der Fusion mit Balingen in dem neu geschaffenen Wohngebiet Hesselberg, wo es sich fast ausnahmslos um neu zugezogene Frommern gehandelt habe und in der neu eingemeindenden Gemeinde Stockenhausen hervor. Bürgermeister Gomringer aus Weilstetten stellte fest, dass sich das Votum in seiner Gemeinde gegen die Gründung einer neuen Stadt mit Balingen richten würde und er erklärte, dass sich Weilstetten um einen Gemeinderverwaltungsverband mit Frommern, Geislingen (sic!) und Balingen bemühen würde.

Eine öffentliche Gemeinderatssitzung am 25. Januar 1974 musste nach kurzer Zeit wegen „…ungebührlichen Verhaltens einiger weniger Zuhörer…“ abgebrochen werden[15]. In einer nichtöffentlichen Sitzung wurde der Antrag zur Bildung eines Gemeindeverwaltungsverbandes Frommern, Geislingen und Weilstetten und Balingen mit Sitz in Balingen beantragt. Der Gemeinderat in Frommern stellte den selben Antrag, aber mit dem Zusatz, dass wenn eine getrennte Ausweisung der Gemeinden Frommern und Weilstetten in einem solchen Verband nicht möglich wäre, dass dann zunächst eine gemeinsame Gemeinde Frommern und Weilstetten zu bilden wäre. Der Balinger Gemeinderat stimmte für die Zielplanung des Landes, also der Bildung einer neuen Stadt.

Am 22. Februar kam es nochmals zu einer Großdemonstration enttäuschter Weilstetter Bürger, die mit einem Autokorso von etwa 100 Fahrzeugen, einen etwa fünf Kilometer langen Protestzug über die Bundesstraße 463 über Ebingen nach Meßstetten bildeten, um vor dem dortigen Bürgermeister und MdL und Vorsitzenden des Ausschusses für die Gemeindereform Gomeringer eine Protestnote zu überreichen. Die Demonstration war aber, wie sich zeigen sollte, ergebnislos. Aber man hatte noch einmal Dampf abgelassen[16].

Nachdem der Landtag von Baden-Württemberg die Gemeindereform beschlossen hatte, also mit der Zuordnung von Weilstetten und Frommern zu Balingen, plante die Junge Union in Frommern eine Verfassungsklage einzureichen, was aber kurz darauf wieder verworfen wurde. Es folgten gemeinsame Verhandlungen über den Einigungsvertrag, bei denen vor allem die Bildung von Ortschaftsräten und Ortsvorstehern, also eine bürgernahe Verwaltung beschlossen wurden, sowie unter anderem Vereinbarungen über Steuersätze, Bebauungspläne, Organisation der Feuerwehren und der Bauhöfe. Ein vorläufiger Gemeinderat sollte ab dem 1. Januar 1975 zusammentreten und für den 20. April 1975 wurden Neuwahlen für den Oberbürgermeister und den Gemeinderat angesetzt.

Die Gemeinderäte von Balingen, Frommern und Weilstetten stimmten am 12. November 1974 in nichtöffentlichen Sitzungen zu, wobei der Frommerner Gemeinderat auch noch ein Normenkontrollverfahren gegen §106 des Besonderen Gemeindereformgesetzes beim Staatsgerichtshof anstrengte, das aber ebenfalls zurückgezogen wurde, nachdem der Staatsgerichtshof am 30. November 1974 die Wirksamkeit der Eingliederung festgestellt hatte.

Am 2. Januar 1975 trat der gemeinsame Gemeinderat der neuen Stadt erstmals zusammen. Die darauf folgende Oberbürgermeisterwahl war aber noch ganz von den vorangegangenen Ereignissen geprägt. Oberbürgermeister Hagenbuch, der zunächst nicht hatte wieder antreten wollen, ließ sich als fraktionsübergreifender Kandidat nochmals aufstellen. Am 30. Januar 1975 meldete aber Hans Uhl, jetzt Ortsvorsteher von Frommern, seine Kandidatur an. Nicht als Mitglied der CDU, wie er betonte, sondern als unabhängiger Kandidat. Und dann trat Mitte Februar noch Eugen Fleischmann an, der beruflich im Innenministerium mit der Gemeindereform befasst gewesen war. Hagenbuch erzielte im ersten Wahlgang mit 40,9 % der Stimmen das beste Ergebnis, verfehlte aber die absolute Mehrheit. Fleischmann erhielt 33,5 % der Stimmen und war besonders in Weilstetten und Engstlatt der Sieger. Uhl erzielte 25,3 % der Stimmen, in Frommern 74 %. Im zweiten Wahlgang zog Uhl seine Kandidatur zurück, aber mit Helmut Palmer, damals ein Dauerkandidat bei Oberbürgerwahlen, kam ein neuer Kandidat hinzu. Der Sieger war mit 50,59 % der Stimmen Eugen Fleischmann. Hagenbuch hatte zwar die Kernstadt, sowie die meisten „alten“ Stadtteile gewonnen, aber Fleischmann hatte in Frommern und Weilstetten „…geradezu erdrutschartig triumphiert…“[17]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Wilhelm Foth: Wer mit wem? - Die Gemeindereform der 70er Jahre, in:, S. 108
  2. , S. 109
  3. S. 112
  4. S. 113f.
  5. Baden-Württemberg ist das Stammland der freien Wählervereinigungen
  6. S. 114
  7. gemeint war die Sichelschule
  8. zitiert nach, S. 115
  9. klären, ob die 40 000 Einwohnergrenze wirklich eingeführt wurde
  10. Wilhelm Foth: Die „Große Lösung“-Frommerns Eingemeindungsbestrebungen in den 1930er Jahren, in: 1200 Jahre Endingen Frommern Heslwangen Weilstetten Zillhausen. In: Stadtverwaltung Balingen (Hrsg.): Veröffentlichungen des Stadtarchivs Balingen. Band 5. Hermann Daniel, Balingen 1993, ISBN 3-927936-48-0., S.89ff,
  11. Wilhelm Foth: Wer mit wem? - Die Gemeindereform der 70er Jahre, in: 1200 Jahre Endingen Frommern Heslwangen Weilstetten Zillhausen. In: Stadtverwaltung Balingen (Hrsg.): Veröffentlichungen des Stadtarchivs Balingen. Band 5. Hermann Daniel, Balingen 1993, ISBN 3-927936-48-0., S. 118
  12. Wilhelm Foth: Wer mit wem? - Die Gemeindereform der 70er Jahre, in: 1200 Jahre Endingen Frommern Heslwangen Weilstetten Zillhausen. In: Stadtverwaltung Balingen (Hrsg.): Veröffentlichungen des Stadtarchivs Balingen. Band 5. Hermann Daniel, Balingen 1993, ISBN 3-927936-48-0., S. 119
  13. Wilhelm Foth: Wer mit wem? - Die Gemeindereform der 70er Jahre, in: 1200 Jahre Endingen Frommern Heslwangen Weilstetten Zillhausen. In: Stadtverwaltung Balingen (Hrsg.): Veröffentlichungen des Stadtarchivs Balingen. Band 5. Hermann Daniel, Balingen 1993, ISBN 3-927936-48-0., S. 120
  14. Wilhelm Foth: Wer mit wem? - Die Gemeindereform der 70er Jahre, in: 1200 Jahre Endingen Frommern Heslwangen Weilstetten Zillhausen. In: Stadtverwaltung Balingen (Hrsg.): Veröffentlichungen des Stadtarchivs Balingen. Band 5. Hermann Daniel, Balingen 1993, ISBN 3-927936-48-0., S. 122
  15. Wilhelm Foth: Wer mit wem? - Die Gemeindereform der 70er Jahre, in: 1200 Jahre Endingen Frommern Heslwangen Weilstetten Zillhausen. In: Stadtverwaltung Balingen (Hrsg.): Veröffentlichungen des Stadtarchivs Balingen. Band 5. Hermann Daniel, Balingen 1993, ISBN 3-927936-48-0., S. 123
  16. Wilhelm Foth: Wer mit wem? - Die Gemeindereform der 70er Jahre, in: 1200 Jahre Endingen Frommern Heslwangen Weilstetten Zillhausen. In: Stadtverwaltung Balingen (Hrsg.): Veröffentlichungen des Stadtarchivs Balingen. Band 5. Hermann Daniel, Balingen 1993, ISBN 3-927936-48-0., S. 124
  17. Wilhelm Foth: Wer mit wem? - Die Gemeindereform der 70er Jahre, in: 1200 Jahre Endingen Frommern Heslwangen Weilstetten Zillhausen. In: Stadtverwaltung Balingen (Hrsg.): Veröffentlichungen des Stadtarchivs Balingen. Band 5. Hermann Daniel, Balingen 1993, ISBN 3-927936-48-0., S. 127