Benutzer:Klausronja/Gertrude Seltmann-Meentzen

Gertrude Seltmann-Meentzen

Gertrude Seltmann-Meentzen (* 14. Juni 1901 in Leipzig; † 14. Januar 1985 in Betzigau) war eine deutsche Unternehmerin auf dem Gebiet der Kosmetika-Entwicklung, -Herstellung und des -Vertriebes sowie eine der Wegbereiterinnen für den modernen Bio- und Naturkosmetikmarkt in Europa. Sie hat das Schulungssystem für Kosmetikerinnen weiterentwickelt und dafür eine eigene Schule betrieben.

Gertrude Meentzen (verh. Seltmann-Meentzen) war die erste Tochter aus der ersten Ehe des aus Butjadingen in der Wesermarsch stammenden Schriftstellers Theodor Meentzen (1874–1963) mit der aus Bayern stammenden Iphigenie geb. Eichhorn (1877–1945). Die Familie verzog 1908 nach Eisenberg und später nach Auer bei Moritzburg.[1] Ihre Kindheit verbrachte Gertrude zeitweise gemeinsam mit ihrer Schwester Charlotte Meentzen (* 15. Juni 1904 in Leipzig; † 26. Februar 1940 in Dresden) auf dem Bauernhof ihrer kräuterkundigen Großmutter in Bayern. Diese weckte in den Mädchen die Liebe zur Natur und machte sie mit der Kraft pflanzlicher Wirkstoffe und der Naturheilkunde vertraut.

 
Charlotte Meentzen

Gertrude folgte gemeinsam mit ihrer Schwester Charlotte dem in der Weimarer Republik beginnenden Trend ihrer Zeit nach Naturnähe, Einfachheit und gesunder Lebensweise, der von ihrem Vater, der Freidenker war, unterstützt wurde. Die Schwestern wandten sich der Idee der natürlichen Schönheit zu und strebten die Verwirklichung ihrer Vision an, Heilkräuter in den Dienst der Schönheit zu stellen, kosmetische Schönheits- und Pflegeprodukte als Naturprodukte aus Pflanzen herzustellen, die sowohl für eine gehobenere Bevölkerungsschicht als auch für eine breite Masse von Verbrauchern zugänglich sein sollten. Diese Ziele entsprachen der zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt einsetzenden Lebensreformbewegungen, die sich mit der Kleiderreform, der Naturheilbewegung, Ernährungsreform, Vegetarismus, Leibesübungen und Sportbewegung, Freikörperkultur bis hin zur Bauhausbewegung immer mehr durchsetzte. Gertrude Meentzen hatte 1925 den Kaufmann und Chemiker Felix Otto Seltmann (* 31. August 1898; † 14. Februar 1945) geheiratet. Das Ehepaar wanderte nach Blumenau in Brasilien aus. In Timbó / Blumenau wurde ihr Sohn Carl Theodor Sigismund (* 27. September 1926, † 14. September 2012) geboren. 1929 kehrte die Familie nach Deutschland zurück, hier wurde 1929 Tochter Felicitas geboren. Bei den Luftangriffen auf Dresden am 13. / 14. Februar kam Gertrudes Ehemann ums Leben. Gertrude Seltmann-Meentzen verstarb im Alter von 83 Jahren am 14. Januar 1985. Ihre Beisetzung erfolgte auf dem Friedhof in Betzigau im Allgäu.[1]

Gertrude Seltmann-Meentzens Leben war, wie auch das ihrer Schwester Charlotte, geprägt von einem starken Pioniergeist. Mit ihrem tiefen Wissen über Zusammenhänge in der Natur, ihrer Leidenschaft und ihrem Forscherdrang wurde sie richtungsweisend für innovatives Denken. Der mit Charlotte Meentzen entwickelte Gedanke der Ganzheitlichkeit in der Schönheitspflege ging von ihren fortschrittlichen Bestrebungen aus, ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, das Schönheit und Gesundheit verbindet. 1930 begann ihr gemeinsames Wirken in Dresden. Die Stadt wurde seit der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 umgangssprachlich als „Stadt der Gesundheit“ bezeichnet, dabei bildeten Kosmetik, Kleidung und Körperpflege bereits Ausstellungsschwerpunkte. Auch die zahlreichen Dresdener Naturheilstätten und Kurhäuser, wie z. B. das Lahmann-Sanatorium im Stadtteil Weißer Hirsch, das sich ebenfalls der Ganzheitlichkeit von Naturbehandlungen verschrieben hatte, trugen zu dieser Bezeichnung bei. Auch das 1912, nach der I. Hygiene-Ausstellung, von dem Dresdner Unternehmer Karl August Lingner als „Volksbildungsstätte für Gesundheitspflege“ gegründete Deutsche Hygiene-Museum, das anlässlich der 1930 durchgeführten II. Internationalen Hygiene-Ausstellung als monumentaler Neubau eröffnet wurde, machte Dresden zum Vorreiter der Aufklärung in Richtung Volksgesundheit. In diese Zielstellung ordneten sich die Meentzen-Schwestern mit ihrer Vision und Philosophie von Schönheit durch Naturstoffe und Heilkräuter als Ganzheitlichkeit ein.

Charlotte Meentzen und Gertrude Seltmann-Meentzen planten, eine innovative Firma zu gründen. Dresden bot gute Voraussetzungen. Die Idee der beiden Schwestern war durchaus mutig, denn sie wollten mit der Gründung einer eigenen Firma, in der Naturprodukte für die Schönheitspflege selbst hergestellt werden sollten, die Kosmetik-Industrie revolutionieren. Ihr Leitbild unter dem Motto Zurück zur Natur sollte mit einer von ihnen entwickelten, hochwirksamen Kosmetik mit natürlichen Inhaltsstoffen verwirklicht werden.

Als Charlotte Meentzen am 15. Juni 1930 ihren ersten eigenen Kosmetiksalon als „Institut für Schönheitspflege“ auf der Prager Straße 44[2] in Dresden eröffnet hatte, blieb Gertrude Seltmann-Meentzen, entsprechend dem damaligen Leitbild einer verheirateten Frau und Mutter, vorerst im Hintergrund. Beide gründeten noch 1930 die Produktionsfirma „Charlotte Meentzen, Laboratorium für Natürliche Kosmetik, Herstellung pharmazeutisch-kosmetischer Erzeugnisse“ in Form eines Laboratoriums im Hintergebäude der Prager Straße 24. Die Geschäftsräume des Institutes sind 1938 auf die Prager Str. 38 verlegt worden. Für das „Laboratorium für natürliche Kosmetik“, Prager Str. 24, war ab diesem Zeitpunkt ihr Ehemann, Felix Otto Seltmann, zuständig.[1]

Bereits 1931 erweiterten die Schwestern das Unternehmenskonzept mit der Gründung der privaten „Schule für natürliche Kosmetik“ und der Delegierung von Absolventinnen ihrer Schule direkt in unternehmensfremde Kosmetik-Salons, Parfümerien und Drogerien. Mittels speziell entwickelter Muster-Behandlungen nach dem System Charlotte Meentzen und Verkaufs-Offerten ist ein eigenes Vertriebssystem aufgebaut worden.[3]

Nach dem Tode ihrer Schwester Charlotte 1940 veröffentlichte Gertrude Meentzen-Seltmann 1941 das von ihrer Schwester verfasste Buch Heilkräuter im Dienste der Schönheit.[4]. Dieses gilt bis heute als ein Standardwerk der Naturkosmetik.

Nach dem Tod von Charlotte Meentzen übernahm Gertrude Seltmann-Meentzen die Verantwortung für das Kind ihrer Schwester und für das gesamte Unternehmen. Sie rettete mit der Weiterführung der gemeinsam aufgebauten Unternehmensphilosophie die Firma. Es erfolgte die Umfirmierung des Institutes in „Charlotte Meentzen - Institut für natürliche Kosmetik“ und damit gleichlautend mit dem „Charlotte Meentzen - Laboratorium für natürliche Kosmetik“.

1941/42 hatte die „Firma Charlotte Meentzen Prager Straße 24“ als Familienunternehmen die Villa Wiener Straße 36 in Dresden erworben.[1] Bei den Luftangriffen auf Dresden im Februar 1945 wurden das Institut, die Schule und das Laboratorium als Produktionsstätte auf der Prager Straße vollständig zerstört. Auch Gertrude Seltmann-Meentzens Ehemann Felix Otto Seltmann wurde Opfer der Luftangriffe und kam mit der Hälfte der Belegschaft im Laboratorium ums Leben. Schrittweise begann sie 1945 mit den Instandsetzungs-Arbeiten an der schwer bombengeschädigten Villa und mit der Vorbereitung der Produktion. Übergangsweise wurde in dem kleinen Pharmazie-Betrieb ihres verstorbenen Mannes Felix Otto Seltmann in Heidenau eine Nachkriegs-Produktion von Nahrungs-Ersatz-Produkten, z. B. Komplekten, aufgenommen.[1] 1946 entstand in den Kellerräumen der Villa ein kleiner Manufaktur-Betrieb, 1947 erfolgte die Neugründung als Kommanditgesellschaft (KG).[3] In der Villa wurde vorübergehend auch die „Schule für natürliche Kosmetik“ neu gegründet, die später auf den Weißen Hirsch, Rißweg 58, und auf die Luboldtstraße verlegt wurde. Die Privat-Schule wurde aufgrund des 1964 staatlich erlassenen Verbotes von Privatschulen in der DDR aufgelöst.

 
Gertrude Seltmann-Meentzen, um 1985

Das private Unternehmen mit der Marke „Charlotte Meentzen“, unter Führung von Gertrude Seltmann-Meentzen, firmierte in der DDR unter dem Namen Charlotte Meentzen KG Kräuter-Vital-Kosmetik, Dresden, Wiener Straße 36. Es wurde 1968 Betrieb mit staatlicher Beteiligung und 1972 in Volkseigentum überführt.[5] Diese Zwangsenteignung betraf auch die Familienmitglieder von Gertrude Seltmann-Meentzen und Charlotte Meentzen. Die einstige Firmen-Mitbegründerin Gertrude Seltmann-Meentzen musste das Unternehmen verlassen, die Söhne der beiden Gründerinnen wurden in den VEB übernommen.

Die bewährte Markenbezeichnung „Charlotte Meentzen“ wurde verboten und systematisch in das DDR-Label Florena-Kräutervital gewandelt. Der ab 1972 volkseigene Betrieb wurde in VEB Kräutervital-Kosmetik Dresden umbenannt. Dieser wurde dem VEB Elbe Chemie Dresden zugeordnet, der 1980 in das neu gegründete Kosmetik-Kombinat Berlin eingegliedert wurde. Darin erhielt das Dresdner Werk den neuen Namen Betriebsteil Kräutervital-Kosmetik Dresden, VEB. Der Name Charlotte Meentzen mit dem zugehörigen Label wurde de facto vom DDR-Markt genommen.

 
Charlotte Meentzen-Label am Firmen-Portal des Radeberger Unternehmens

Nach dem frühen Tod von Charlotte Meentzen hatte ihre tüchtige Schwester Gertrude Seltmann-Meentzen, ungeachtet aller Schicksalsschläge, das Unternehmen mit Geschäftssinn und Durchhaltevermögen erfolgreich weitergeführt. Sie hat als Frau und Unternehmerin Großes geleistet, und allein ihr ist es zu verdanken, dass das Unternehmen an die nächsten Generationen übergeben werden konnte.

Nach der politischen Wende wurde das Unternehmen 1991 reprivatisiert. Die Söhne der beiden Meentzen-Schwestern, Geert Dietrich Meentzen und Sigismund Seltmann, sowie zwei Enkel von Gertrude Seltmann-Meentzen, bauten die Firma in Dresden als GmbH neu auf und führten sofort das bekannte Firmen-Label als Markenzeichen wieder ein. Heute hat die Firma ihren Sitz in Radeberg.

Ehrungen

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Ehrentafel für Gertrude Seltmann-Meentzen und Charlotte Meentzen, Villa Wiener Straße 36 Dresden

Das Unternehmen erhielt bei der Preisverleihung am 21. Juni 2018 im Deutschen Historischen Museum in Berlin den Award in der Kategorie „Industry Excellence in Branding/Beauty & Care“ für ihre hervorragende Markenführung und den erfolgreichen Verpackungsrelaunch.

Am 26. Februar 2020, dem 80. Todestag von Charlotte Meentzen, ist an der ehemaligen Meentzen-Villa Wiener Straße 36 in Dresden, im Rahmen einer feierlichen Gedenkveranstaltung für die Schwestern und Unternehmerinnen Gertrude Seltmann-Meentzen und Charlotte Meentzen eine Gedenktafel eingeweiht worden. Mitglieder der Familien Meentzen und Seltmann sowie Vertreter der Charlotte Meentzen KRÄUTERVITAL KOSMETIK Radeberg GmbH haben daran teilgenommen. Initiiert wurde diese Gedenktafel vom Landesfrauenrat Sachsen e. V. im Rahmen des Projektes Frauenorte Sachsen.

Literatur

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  • Gertoberens, Klaus: Sächsische Persönlichkeiten die Geschichte schrieben. Dresden: Edition Sächsische Zeitung SAXO'Phon GmbH, 2011. ISBN 9783938325841. OCLC 758672283
  • Bekannte Sachsen: Charlotte Meentzen auf Sachsen.de Online-Ressource
  • Eva-Maria Bast; Elena Oliveira; Melanie Kunze: Dresdner Frauen: Historische Lebensbilder aus der Stadt an der Elbe. Bast Medien GmbH Überlingen, 1981.
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Commons: Charlotte Meentzen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Renate Schönfuß-Krause: Charlotte Meentzen und Gertrude Seltmann - Zwei sächsische Powerfrauen und Unternehmerinnen aus Dresden hatten eine Vision - ihr erfolgreiches Vermächtnis wird seit 2002 in Radeberg weitergeführt. In: die Radeberger. Unabhängige Heimatzeitung. Jahrgang 30, Ausgaben 08 und 09. Radeberg 28. Februar 2020. Online-Ressource
  2. Historische Adressbücher Dresden; Online-Ressource
  3. a b Adina Rieckmann: Dresdner Firmengeschichte Charlotte Meentzen – Wegbereiterin der modernen Naturkosmetik. In: Dresdner Neueste Nachrichten vom 3. August 2018. Online-Ressource.
  4. Heilkräuter im Dienste der Schönheit: Ein Ratgeber für natürliche Schönheitspflege. Verlag für Biologie Duberow, Berlin 1941. OCLC 705387777
  5. Haupt-Staatsarchiv Dresden: Staatsbank der DDR BD Dresden, Firmenakte Abwicklungsunterlagen 1972/73 „Charlotte Meentzen KG Dresden, Kräuter und Vitalkosmetik“. Akte 11821 Nr. 1170



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