Joseph Arthur Rank, 1st Baron Rank (* 22. Dezember 1888 in Kingston upon Hull; † 29. März 1972 in Winchester) war ein britischer Unternehmer. Als Gründer und langjähriger Vorsitzender der Rank Organisation war Rank eine der bedeutendsten Personen in der britischen Filmindustrie. So förderte er Regisseure wie David Lean, Laurence Olivier, Michael Powell und Emeric Pressburger, war als Besitzer der Odeon- und Gaumont-Kinoketten der größte Kinobetreiber im Vereinigten Königreich und unterhielt einige der bekanntesten britischen Filmstudios.

Leben Bearbeiten

Frühe Jahre Bearbeiten

J. Arthur Rank wurde als der jüngste Sohn des wohlhabenden Mühlenbesitzers Joseph Rank geboren. Josephs Vater James Rank hatte in Hull eine Windmühle betrieben, die er seinem Sohn vererbte. Mit dem Vermögen seines Vaters gründete Joseph Rank 1875 das Unternehmen Joseph Rank Limited, das in den folgenden Jahren zum größten Betreiber von Getreidemühlen im Vereinigten Königreich wurde. Das Unternehmen bestand bis 2007, zuletzt unter dem Namen Hank Hovis McDougall.

J. Arthur Rank arbeitete schon als Jugendlicher im Betrieb seines Vaters, nachdem er als Schüler eher enttäuschende Leistungen erbracht hatte.[1] Er lernte die verschiedenen Bereiche des Unternehmens kennen und stieg schließlich 1915 zum Direktor auf. Während des Ersten Weltkriegs diente Rank zuerst als Krankenwagenfahrer, dann als Fernmeldesoldat. 1917 heiratete Rank Laura Ellen, mit der er zwei Töchter und einen Sohn, der aber bei der Geburt starb, hatte.

Nach dem Ende des Krieges versuchte sich Rank als Leiter einer eigenen Firma namens Peterkins Self-Raising Flour, doch das Unternehmen fuhr starke Verluste ein und wurde schließlich von Rank wieder aufgegeben. Er kehrte zum Unternehmen seines Vaters zurück und übernahm dort Aufgaben im Marketing. Unter J. Arthur Rank eroberte Joseph Rank Ltd. neue Marktsegmente im Bereich der Tiernahrung. 1933 wurde er schließlich an der Seite seines älteren Bruders James zum Geschäftsführer des Familienunternehmens ernannt.

Einstieg ins Filmgeschäft Bearbeiten

Rank war als Mitglied der Methodistischen Kirche tief religiös; er unterrichtete seit 1919 an der methodistischen Sonntagsschule in Reigate und wurde 1929 zum Präsidenten der National Sunday School Union gewählt.[2] Rank setzte Filme als Lehrmittel in seiner Sonntagsschule ein und stattete weitere Gemeindehäuser und Sonntagsschulen mit Filmprojektoren aus. Rank erkannte bald, dass die meisten religiös inspirierten Filme ein geringes künstlerisches Niveau hat, die erfolgreichen US-amerikanischen Importe, die den britischen Filmmarkt überschwemmten, aber eine fragwürdige Moral besaßen. Daher engagierte er sich ab 1933 in der Religious Film Society.

Rank finanzierte zunächst die Produktion des Kurzfilms Mastership, der Anfang des Jahres 1934 veröffentlicht wurde und bei den Vorführungen in Kirchen und Versammlungssälen gut beim religiösen Publikum ankam.[3] Vom missionarischen Erfolg überzeugt, finanzierte Rank zwei weitere Kurzfilme, Let There Be Love, basierend auf einer Erzählung von Leo Tolstoi und St Francis of Assisi mit der damals noch unbekannten Greer Garson in der weiblichen Hauptrolle.

Durch den Produzenten John Corfield lernte Rank die wohlhabende Lady Annie Henrietta Yule kennen, mit der er zusammen im Oktober 1934 die Filmgesellschaft British National Films gründete. Die erste Produktion von British National Films war der Spielfilm Turn of the Tides, ein Drama, das die Geschichte zweier Fischerfamilien in Yorkshire erzählte. Obwohl der Film bei den Filmfestspielen von Venedig aufgeführt wurde, wurde er von dem Filmverleiher Gaumont-British kaum beworben, weshalb Turn of the Tides letztendlich nicht seine Kosten einspielen konnte.

Rank realisierte, dass seine Filme nur dann kommerziell erfolgreich sein konnten, wenn er selbst den Verleih und die Aufführung der Filme kontrollierte.[4] Rank, Lady Yule und John Cornfield kauften die in Buckinghamshire errichteten Pinewood Studios auf. Darüber hinaus gründete Rank 1936 gemeinsam mit dem erfahrenen Produzenten C. M. Woolf die General Cinema Finance Corporation, mit der er noch im gleichen Jahr den Filmverleih General Film Distributors von der amerikanischen United Artists übernahm.[5]

Um dem Ziel eines vertikal integrierten Unternehmens näher zu kommen, erwarb Rank die britischen Vermarktungsrechte für die Produktionen von Universal Pictures und übernahm im Austausch gegen seine Anteile an British National Films die alleinige Kontrolle über die Pinewood Studios. 1937 fasste J. Arthur Rank seine Unternehmungen im Filmbereich in der Rank Organisation zusammen.

Aufstieg der Rank Organisation Bearbeiten

Die Gründung der Rank Organisation erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die britische Filmindustrie eine schwere Finanzkrise durchlitt. Kostenspielige Prestigeprojekte hatten zu einer hohen Verschuldung der etablierten Filmstudios geführt. Nachdem die Banken im Sommer 1937 ihre Unterstützung eingestellt hatten[6], war Rank ein willkommener Investor. So schätzte 1945 der Journalist Stewart Gillies, dass Rank dank geschickter Investitionen in einer Höhe von 1,7 Millionen Pfund Vermögenswerte von rund 50 Millionen Pfund unter seine Kontrolle gebracht hatte.

1938 übernahm die Rank Organisation von dem glücklosen Alexander Korda die Denham Studios. Zusätzlich kaufte er in Elstree die Amalgamated Studios, womit Rank innerhalb weniger Monate zum größten Studiobetreiber im Vereingten Königreich wurde. Ebenfalls 1938 erwarb Rank Beteiligungen an Oscar Deutschs Kinokette Odeon, womit die Rank Organisation Einfluss auf die Produktion, den Vertrieb und die Aufführung von Filmen nehmen konnte. J. Arthur Rank stieg 1939 zum Vorstandsmitglied der Odeon-Gesellschaft auf und übernahm sie schließlich 1941 komplett nach dem plötzlichen Tod von Deutsch. Kurz zuvor hatte Rank bereits mit Gaumont-British/Gainsborough ein weiteres traditionsreiches Unternehmen, das als Filmstudio und Kinobetreiber aktiv war, erworben. Rank besaß Ende 1941 mehr als 600 Kinos und war somit der größte Kinobetreiber im Vereinigten Königreich. 15 % aller Kinos und rund ein Drittel aller Kinositze waren in Besitz der Rank Organisation.[7]

Ranks Aufstieg zur einflussreichsten Person der britischen Filmindustrie erfolgte weitgehend unbemerkt, erst nach der Übernahme der Odeon-Gruppe wurde der Öffentlichkeit seine Dominanz bewusst.[8] Handelsminister Hugh Dalton setzte eine Untersuchungskommission über „Bestrebungen zur Monopolisierung der britischen Filmindustrie“ ein, die 1944 Rank und seinem Konkurrenten ABPC eine marktbeherrschende Position bescheinigten, eine Zerschlagung des Duopols aber ablehnte.[9]

Der Höhepunkt von Ranks Einfluss Bearbeiten

Wurde Rank für seine monopolistischen Bestrebungen kritisiert, so erwies er sich gleichzeitig als ein Förderer unabhängiger Filmemacher. Mit der Begründung, dass er keine Kenntnisse vom Filmhandwerk besitze, ließ er den Regisseuren und Produzenten seiner Filmgesellschaften weitestgehende Autonomie, solange die Filme nicht seinen ethischen Prinzipien widersprachen.[10] Rank setzte sich persönlich dafür ein, dass seine Regisseure ideale Arbeitsbedingungen und finanzielle Unabhängigkeit vorfanden. Aushängeschild dieser Politik war die 1942 gegründete Independent Producers Ltd., in der verschiedene Regisseure mit ihren unabhängigen Produktionsgeselslchaften eine Heimat fanden. Zu den ersten Filmemachern, die von Ranks Förderung profitierten, zählten Leslie Howard, Gabriel Pascal sowie die von Michael Powell und Emeric Pressburger gebildete Produktionsgesellschaft The Archers. 1944 stießen mit David Leans und Ronald Neames Cineguild, Ian Dalrymples Wessex Film und Frank Launders und Sidney Gilliats Individual Pictures drei weitere Gesellschaften zu Independent Producers.

Unter dem Dach von Independent Producers entstanden Filmklassiker wie Powells und Pressburgers Leben und Sterben des Colonel Blimp, Irrtum im Jenseits, Die schwarze Narzisse und Die roten Schuhe, David Leans Dickens-Adaptionen Geheimnisvolle Erbschaft und Oliver Twist oder Gabriel Pascals Kostümfilm Caesar und Cleopatra. Neben diesen prestigeträchtigen Filmen erwiesen sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Melodramen von Gainsborough Pictures als Kassenschlager. Ende der 1940er Jahre erzielten die Komödien der Ealing Studios, bei denen J. Arthur Rank ab 1944 als Geldgeber auftrat, weitere Erfolge sowohl national als auch international.

Daneben unterstützte J. Arthur Rank den Schauspieler Laurence Olivier bei dessen Regiedebüt Heinrich V. Um die bis dahin teuerste britische Filmproduktion zu ermöglichen, übernahm Rank einen Vorstandsposten bei Filippo Del Giudices Filmgesellschaft Two Cities. Two Cities finanzierte auch Oliviers Hamlet, der 1949 als erster britischer Film einen Oscar als bester Film gewann.

Während des Zweiten Weltkriegs erreichten britische Filme in der Heimat eine ungewohnte Popularität, gleichzeitig erreichten die Besucherzahlen in den britischen Kinos Rekordwerte. Rank erkannte aber bereits 1943, dass ein weiteres Wachstum der britischen Filmindustrie nur dann möglich war, wenn auch ausländische Märkte wieder bedient werden könnte.[11] Rank versuchte daher, in Hollywood Fuß zu fassen. Nachdem eine Beteiligung bei United Artists gescheitert war, gründete Rank 1944 die Produktionsfirma Eagle-Lion Distributors.[12] Das Unternehmen vertrieb zunächst Ranks Filme in den Vereinigten Staaten, konzentrierte es sich Ende der 1940er Jahre auf die Filmproduktion. Eagle-Lion zählte allerdings zu den unbedeutenderen Hollywood-Studios der „Poverty Row“.

Ambitionierter war Ranks Einstieg bei Universal Pictures, als er 1945 das traditionsreiche Studio übernahm. Unter dem Namen Universal International blieb das Studio nicht nur eines der großen Hollywood-Studios, sondern bot auch endlich einen geeigneten Rahmen zur Präsentation britischer Filme in den Vereinigten Staaten. Die von Rank finanzierten britischen Produktionen, die sich Ende der 1940er Jahre und Anfang der 1950er Jahre als kommerziellen Erfolge in den USA erwiesen und zahlreiche Oscarnominierungen erhielten, wurden alle von Universal vertrieben.

Durch die Fülle an Filmen, die durch die Rank Organisation in den 1940er Jahre finanziert wurden, wurde J. Arthur Rank selbst zu einer Berühmtheit. Der Schriftzug „J. Arthur Rank presents“ und das Erkennungszeichen der Rank Organisation, der muskelbepackte „Gongmann“ (The Man with the Gong), waren allgegenwärtig. Der Name J. Arthur Rank fand sogar Einzug als Rhyming Slang in den Cockney-Dialekt.[13]

Rückschläge Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Handelsblatt: „King Arthur“, Gottes Filmmogul, 14. Juni 2005.
  2. Michael Wakelin: J. Arthur Rank: The Man Behind the Gong, S. 41.
  3. Geoffrey Macnab: J. Arthur Rank and the British Film Industry, S. 14.
  4. Geoffrey Macnab: J. Arthur Rank and the British Film Industry, S. 15.
  5. Tino Balio: United Artists: The Company Built By The Stars. University of Wisconsin Press, Madison 1976, ISBN 0-299-06940-0, S. 199.
  6. Financial Times, 13. Juli 1937.
  7. John Trumpbour: Selling Hollywood to the World: U.S. and European Struggles for Mastery of the Global Film. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-65156-5, S. 178.
  8. Geoffrey Macnab: J. Arthur Rank and the British Film Industry, S. 32.
  9. James Chapman: Past and present: National Identity and the British Historical Film. I. B. Tauris, London 2005, ISBN 1-85043-808-0, S. 115.
  10. Jörg Helbig: Geschichte des britischen Films, S. 79.
  11. Cine-Technician, November/Dezember 1943, S. 124.
  12. Geoffrey Macnab: J. Arthur Rank and the British Film Industry, S. 78–79.
  13. Tom Dalzell, Terry Victor (Hrsg.): The New Partridge Dictionary of Slang and Unconventional English. Routledge, Abingdon 2006, ISBN 0-415-25938-X, S. 1091.

Literatur Bearbeiten

  • Geoffrey Macnab: J. Arthur Rank and the British Film Industry. Routledge, London 1993, ISBN 0-415-07272-7.
  • Michael Wakelin: J. Arthur Rank: The Man Behind the Gong. Lion Publ., Oxford 1996, ISBN 0-7459-3134-0.
  • Jörg Helbig: Geschichte des britischen Films. J.B. Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01510-6.

Weblinks Bearbeiten