Bahnradsport-Weltmeisterschaften 1973

Die Bahnradsport-Weltmeisterschaften 1973 fanden vom 22. bis 27. August 1973 im spanischen San Sebastián statt.

Trotz eines Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Utrecht, wonach Arbeitnehmer Freizügigkeit in deren Bereich genießen, hatte der Weltradsportverband UCI ein neues Reglement aufgestellt, wonach Schrittmacher bei Steherrennen dieselbe Nationalität haben mussten wie die Radrennfahrer (Schrittmacher werden vom Fahrer engagiert und bezahlt). Das hatte zur Folge, dass der Niederländer Bruno Walrave nicht wie bisher als der Schrittmacher von Amateur-Steher Horst Gnas fungieren durfte; das Gespann war in den beiden Jahren zuvor gemeinsam Weltmeister geworden. Buchstäblich in letzter Minute musste der Schrittmacher Hans Käb aus Deutschland anreisen; Gnas wurde trotz dieser Unannehmlichkeiten Weltmeister.[1] Walrave und sein Kollege Norbert Koch fochten dieses Reglement später erfolgreich an.[2]

Bei der Mannschaftsverfolgung kam es zu einem schweren Zwischenfall: Der deutsche Vierer mit Günther Schumacher, Günter Haritz, Peter Vonhof und Hans Lutz fuhr im Finale dem Sieg entgegen, als 40 Meter vor dem Ziel ein Ordner auf die Bahn sprang. Alle vier Fahrer stürzten; Lutz und Schumacher erlitten schwerere Verletzungen und mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Das Wettkampfgericht erklärte zunächst das britische Team zum Sieger des Rennens, das die Goldmedaille jedoch nicht annehmen wollte. Nach einem Protest der deutschen Mannschaftsleitung wurde der bundesdeutsche Vierer schließlich zum Weltmeister erklärt. Für dieses Verhalten wurden die Fahrer des britischen Vierers und Trainer Norman Sheil mit der „Fair-Play-Trophäe“ des Vereins Deutscher Sportjournalisten ausgezeichnet.

Zwei Tage nach seinem WM-Sieg in San Sebastián verunglückten die Ehefrau von Steher-Weltmeister Horst Gnas und deren Freundin tödlich; sie wurden auf einer Radtour von einem Auto angefahren.[3]

Resultate Frauen Bearbeiten

Disziplin Platz Land Athlet Zeit
Sprint 1 Vereinigte Staaten  Sheila Young
2 Tschechoslowakei  Iva Zajíčková
3 Sowjetunion 1955  Galina Ermolaeva
Einerverfolgung 1 Sowjetunion 1955  Tamara Garkuchina 4:01,60 min
(3000 m) 2 Niederlande  Keetie van Oosten-Hage 4:04,48 min
3 Vereinigtes Konigreich  Beryl Burton 4:08,38

Resultate Männer Bearbeiten

Profis Bearbeiten

Disziplin Platz Land Athlet Zeit
Sprint 1 Belgien  Robert Van Lancker 12,09 (1.), 13,00 (2.)
2 Italien  Giordano Turrini
3 Italien  Ezio Cardi 11, 85 (1.), 11,62 (3.)
Einerverfolgung (5000 m) 1 Vereinigtes Konigreich  Hugh Porter 6:02, 97 min.
2 Niederlande  René Pijnen 6:12,47 min
3 Belgien  Ferdinand Bracke 6:05, 94
Steherrennen (1 Stunde) 1 Niederlande  Cees Stam/Joop Stakenburg 68,580 km
(100 km) 2 Niederlande  Piet de Wit/Bruno Walrave + 1 m
3 Frankreich  Christian Raymond/Goutorbe + 2 Rd. und 225 m

Amateure Bearbeiten

Disziplin Platz Land Athlet Zeit
Sprint 1 Frankreich  Daniel Morelon
2 Sowjetunion 1955  Anatolij Jablunowskyj
3 Italien  Giorgio Rossi
1000-m-Zeitfahren 1 Polen 1944  Janusz Kierzkowski 1.07,51 min
2 Sowjetunion 1955  Eduard Rapp 1:08,08 min
3 Niederlande  Herman Ponsteen 1:08,33 min
Einerverfolgung (4000 m) 1 Norwegen  Knut Knudsen 4:49,53 min
2 Niederlande  Herman Ponsteen 4.54,40 min
3 Deutschland Bundesrepublik  Rupert Kratzer 4:53,99 min
Mannschaftsverfolgung
(4000 m)
1 Deutschland Bundesrepublik  Günther Schumacher/Peter Vonhof/
Hans Lutz/Günter Haritz
nach Sturz auf Platz 1 gesetzt
2 Großbritannien  Michael Bennett/Richard Evans/
Ian Hallam/William Moore
4:28,53 min
3 Niederlande  Gerrie Fens/Peter Nieuwenhuis/
Herman Ponsteen/Roy Schuiten
4:28,17 min
Tandemrennen 1 Tschechoslowakei  Vladimír Vačkář/Miroslav Vymazal 10,84 (1.), 10,94 (2.)
2 Sowjetunion 1955  Wiktor Kopylow/Wladimir Semenets
3 Deutschland Demokratische Republik 1949  Jürgen Geschke/Werner Otto 10,72 (1.), 10,60 (2.)
Steherrennen 1 Deutschland Bundesrepublik  Horst Gnas/Hans Käb
2 Deutschland Bundesrepublik  Rainer Podlesch/Peter Schindler
3 Niederlande  Gaby Minneboo/Joop Stakenburg

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Radsport, August/September 1973

Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten

  1. 1973 – Das Schicksalsjahr für Horst Gnas auf rcherpersdorf.de
  2. Am 12. Dezember 1974 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache 36-74 zu Gunsten von Walrave und Norbert Koch. Das Urteil ist neben anderen auch Grundlage der sogenannten „Bosman-Entscheidung“ aus dem Jahr 1995. Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 12. Dezember 1974 in der Rechtssache 36-74
  3. Mit dem Rad durch ein bewegtes Leben, abgerufen am 22. Juni 2011