Arnold Ernst Fanck

deutscher Filmdarsteller, Kinderdarsteller, Kameraassistent und Fotograf

Arnold Ernst Fanck (* 10. Oktober 1919 in Berlin; † 24. März 1994 in Lauf an der Pegnitz, Mittelfranken),[1][2][3] auch Arnold Fanck junior, war ein deutscher Filmdarsteller (Kinderdarsteller), Kameramann und Fotograf.

Arnold Ernst Fanck mit Filmregisseur und Produzent Fritz Aly am Berninapass, um 1958

Familie Bearbeiten

 
Arnold junior am Welte-Mignon-Flügel sitzend, beobachtet von seinem berühmten Vater Arnold Fanck, Villa Am Sandwerder 39, Berlin-Nikolassee, 1934

Arnold Ernst Fanck war der älteste Sohn des Berg-, Sport-, Ski- und Naturfilm-Pioniers Arnold Fanck. Er wurde in der vorehelichen Beziehung seines Vaters mit der Hausangestellten seiner Mutter Karolina Ida Fanck, Sophie Meder (später verheiratet mit Giuseppe Marinucci), geboren.[4][5] Sein Vater heiratete am 20. Mai 1920 erstmals (in Zürich). Dessen erste Ehefrau, die Chemikerin Natalia „Natuschka“ Anna (* 9. Juli 1887 in Nałęczów bei Lublin, Polen, † 1. Juli 1928), geborene Zaremba,[6] eine frühere Kommilitonin, war daher nicht die Mutter von Arnold junior. Sein leiblicher Vater soll ihn aus diesem Grund adoptiert haben.[5][3] Aus der zweiten, 1934 geschlossenen Ehe seines Vaters mit Elisabeth „Lisa“ (* 1908), geborene Kind, hatte Arnold jun. einen deutlich jüngeren Halbbruder, Hans-Joachim (1935–2015).[5]

Arnold Ernst Fanck heiratete am 15. August 1951 in Berlin-Wedding Gerda Martha Horvath (* 16. Mai 1923 in Berlin; † 5. Oktober 2014 in Lauf an der Pegnitz, Mittelfranken), geborene Bastian. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, Matthias (* 1951) und Katharina (* 1954).[3] Sein Sohn, ein Grafik-Designer, ist ebenfalls als Fotograf und Filmschaffender sowie als Autor tätig.[7][8]

Schule Bearbeiten

 
Die drei eng befreundeten Schüler Arnold Fanck junior, Werner Mehr und Max Kahn (3., 4. und 6. von links) in grauen Knickerbockers auf dem verschneiten Areal der Schulgemeinde in Wickersdorf bei Saalfeld im Thüringer Wald, um Ostern 1934

Nach dem Besuch einer Berliner Volksschule besuchte Arnold junior von 1930 bis 1938 die Freie Schulgemeinde in Wickersdorf bei Saalfeld,[9] ein musisch orientiertes reformpädagogisches Landerziehungsheim im Thüringer Wald. Dort befreundete er sich in der Folge sehr eng mit dem gleichaltrigen, in Magdeburg geborenen Arztsohn Max Kahn (1919–1982),[10] von Arnold junior „Maxe“ genannt, der dieses Internat von 1930 bis 1934 besuchte. Später schloss Arnold junior auch mit dem ein Jahr jüngeren Berliner Direktorensohn Werner Mehr (* 1920), der in Wickersdorf von 1934 bis 1938 zur Schule ging, eine enge Freundschaft. Werner Mehr und Arnold junior legten in der Schulgemeinde im selben Jahr ihre Reifeprüfung ab. Arnold junior traf mit seinen beiden Freunden (mindestens/spätestens) in den 1970er Jahren in Wickersdorf wieder zusammen.[3][9]

Der dreizehnjährige Arnold junior beschuldigte im Spätsommer 1933 seinen Lehrer Otto Peltzer des sexuellen Missbrauchs.[11] Dazu ist ein Protokoll der Schulleitung (unterzeichnet von Schulleiter Paul Döring und Aufsichtsratsmitglied Jaap Kool) mit der wörtlichen Aussage des Schülers erhalten, die 2009, 2015 und 2017 in identischen Auszügen veröffentlicht worden ist.[12][13][14][15] Im selben Frühjahr hatte bereits der FSG-Schüler Algirdas Savickis seinen Lehrer Peltzer des sexuellen Missbrauchs beschuldigt.[16] Für den sexuellen Missbrauch des 13-jährigen Arnold Fanck junior und 12-jähriger Knaben eines Sportvereins in Berlin wurde Peltzer 1935 rechtskräftig zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt.[17]

Der ehemalige FSG-Schüler Hans-Heinz Sanden (1914–2003), der von 1928 bis 1932 in Wickersdorf Internatsschüler war, ein Neffe des Kommunalpolitikers Bruno Asch und Sohn von dessen Bruder Hans,[18][19] erinnerte in seiner 1990 erschienenen Autobiographie den „Eros Paidekos, dem in dieser Schule viel gehuldigt wurde“, ganz konkret sexuelle Übergriffe Peltzers und weiterer Lehrkräfte im direkten Umfeld bzw. Anhängerkreis Gustav Wynekens.[20]

 
Schülergruppe der Schulgemeinde aus Wickersdorf während eines Ausflugs – Arnold Ernst Fanck vorn links, ca. 1934/35

Trotz des massiven Eingriffs dieses Lehrers in die persönliche Autonomie seines minderjährigen Schülers beschloss Arnold junior, bis zu seiner Reifeprüfung in der Schulgemeinde Wickersdorf zu bleiben. Bis ins hohe Alter erzählte er oft und stets positiv von seiner Zeit dort – „mit leuchtenden Augen“. Sehr beeindruckt hatten ihn offenbar die Veranstaltungen des Schulchors und des Schulorchesters, der Werkunterricht (Schmiede und Tischlerei) sowie die längeren Fahrten und kürzeren Ausflüge, beispielsweise in die Feengrotten.[3]

Selbst der ehemalige Schulleiter und Spiritus rector des Darstellenden Spiels in der Freien Schulgemeinde, Martin Luserke, wurde von Arnold junior häufig erwähnt, obwohl er diesen dort gar nicht mehr selbst erlebt hat.[3] Luserke führte schon 1924/25 einen Kollegenkreis sowie Schüler dreier FSG-Kameradschaften nach latentem Dissenz mit Wyneken in eine Sezession und gründete mit ihnen die Schule am Meer auf der Nordseeinsel Juist. Die FSG erlebte wegen Wyneken eine Reihe derartiger Sezessionen, wobei die von Luserke die mit Abstand bedeutsamste gewesen ist, denn dieser hatte die Freie Schulgemeinde und deren Atmosphäre nach Aussage verschiedener Lehrkräfte (Alfred Ehrentreich, Hans-Windekilde Jannasch) maßgeblich geprägt.[21][22] Arnold junior hatte Werke Luserkes, beispielsweise Tanil und Tak (sieben indianische Legenden),[23] zeitlebens in seinem Bücherregal.[3]

Wirken Bearbeiten

 
Der vierjährige Arnold jun. als Darsteller in dem Stummfilm Der Berg des Schicksals, gedreht in den Dolomiten, 1923/24
 
Der vierjährige Arnold jun. mit Erna Morena in dem Stummfilm Der Berg des Schicksals, 1923/24
 
Arnold Ernst Fanck als Kameraassistent während der Dreharbeiten zu Ein Robinson – Tagebuch eines Matrosen, 1938/39
 
Arnold Ernst Fanck vor der Robinsonhöhle anlässlich der Dreharbeiten zu Ein Robinson – Tagebuch eines Matrosen, 1938/39
 
Drehbuchautor und Produzent Rolf Meyer (links) mit Arnold Ernst Fanck (rechts), auf der Rückfahrt von den Dreharbeiten zu Ein Robinson – Tagebuch eines Matrosen an Bord des Luxusliners TS Bremen, Frühjahr 1939

Bereits als Vierjähriger stand Arnold junior 1923/24 als Darsteller vor der Filmkamera, in dem Stummfilm Der Berg des Schicksals, den sein Vater in den Dolomiten für die in Freiburg im Breisgau ansässige Berg- und Sportfilm G.m.b.H. drehte. Als Kameraleute fungierten neben Arnold Fanck auch Sepp Allgeier, Eugen Hamm, Herbert Oettel und Hans Schneeberger. Arnold junior verkörperte dabei den Sohn des die Hauptrolle spielenden Bergsteigers (Hannes Schneider) und von dessen Frau (Erna Morena). Zudem war er Alter Ego des damals 31-jährigen darstellerischen Debütanten Luis Trenker, der diesen Bergsteigersohn im selben Film als jungen Erwachsenen darstellte.[24] Arnold junior ist in mehreren Szenen zu sehen, u. a. übt er sich im Erklettern des heimischen Kamins, worauf der zeitgenössische Filmkritiker Siegfried Kracauer in der renommierten Frankfurter Zeitung verwies.[25]

Direkt im Anschluss an seine bestandene Reifeprüfung erhielt der 18-jährige Arnold junior am 30. September 1938 die Gelegenheit, seinen berühmten Vater während seines Drehs für den Kinofilm Ein Robinson – Tagebuch eines Matrosen der Bavaria Filmkunst mit der „Bavaria-Fanck-Chile-Expedition“ nach Südamerika zu begleiten. Die Reise führte u. a. auf die Juan-Fernández-Inseln, nach Feuerland und Patagonien. Auch seine Stiefmutter Lisa und sein dreijähriger Halbbruder Hans-Joachim waren dabei, dieser als Filmdarsteller. Ein historisch belegter Stoff aus dem Jahr 1915 sollte verfilmt und mit einem fiktiven Bezug zur Gegenwart transformiert werden.[26]

Durch seinen Vater und die Kameraleute Albert Benitz und Hans Ertl erhielt Arnold Ernst einen intensiven Einblick in die Kameraführung und Bildgestaltung. Als Kameraassistent und Fotograf durfte er an der Filmproduktion mitwirken.[27] Sein Vater hat dazu schriftlich festgehalten: „Mein ältester Sohn Arnold, den ich auch mitgenommen hatte zur Ausbildung als Kameramann, quartierte sich zusammen mit dem Kameramann Rautenfeld in der sogenannten Robinsonhöhle ein. Das war natürlich für den Jungen ein wunderbar romantisches Erlebnis. Sicherlich hat der Ur-Robinson hier zunächst auch einmal gehaust, aber wohl nur für kurze Zeit. Sie war nur ein paar Meter tief, lag direkt am Meer, also viel zu windig für einen dauernden Aufenthalt.“[28]

Auch Kameramann Sepp Allgeier war später im Atelier an dieser Filmproduktion beteiligt. Mit dem Kameraassistenten von Albert Benitz, Arndt von Rautenfeld, entwickelte Arnold junior eine langjährige Freundschaft.[26]

Rund 400 der von Arnold junior angefertigten Fotos von dieser filmischen Expeditionsreise sind erhalten. Diese Aufnahmen hatte er mit zwei Kameras angefertigt, wohl einer so genannten „Tropen-Nettel“ (Contessa-Nettel-Werk, Stuttgart) für 9 x 12 cm-Bildplatten und einer 6 x 6-Box (klassisches Mittelformat).[3][29] Als Kameraassistent arbeitete er am Set mit Debrie Parvo-Filmkameras.[30]

Dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, gefiel das noch ungeschnittene Filmmaterial Arnold Fancks nicht; er sah in der dargestellten Robinson-Figur einen asozialen Einzelgänger, der dem nationalsozialistischen Ideal der propagierten „Volksgemeinschaft“ entgegenstand. Bis zur Premiere in München im Juni 1940 wurde aus dem ursprünglich künstlerisch angelegten Werk vor spektakulärer Naturkulisse im Atelier und Schneideraum ein profaner Propagandafilm für die Deutsche Kriegsmarine.[26][31]

Das Zeitgeschehen beeinflusste die angestrebte berufliche Laufbahn von Arnold Ernst Fanck negativ. 1939 wurde er zur Luftwaffe der Wehrmacht eingezogen und zum Luftverteidigungskommando 9 beordert. Er war 1940 während des Westfeldzuges im Luftgau Belgien-Nordfrankreich und danach im Luftgau Westfrankreich zur Luftraumverteidigung an der Flak eingesetzt. Ab Januar 1942 musste er mit seiner Einheit, die im September 1941 in 9. Flak-Division (mot.) umbenannt worden war, am Russlandfeldzug teilnehmen. Dadurch war er im Mai 1942 an der Schlacht bei Charkow in der Ukraine beteiligt, während der sich seine Einheit, die der 2. Armee und der 6. Armee zugeteilt war, auszeichnete und im Wehrmachtsbericht Erwähnung fand.[32] Im Sommer 1942 war seine Einheit an der deutschen Sommeroffensive (Fall Blau) beteiligt und kooperierte dabei mit der 6. Armee und der 4. Panzerarmee. Während der Schlacht von Stalingrad verlor er schließlich 23-jährig ein Bein.[26][33] Der Schwerverwundete wurde nacheinander in mehrere Feldlazarette transportiert, eine Tortur, die er nur knapp überlebt hat.[3]

Der Fotografie blieb er zeitlebens eng verbunden. In der unmittelbaren Nachkriegszeit arbeitete er zunächst als freier Fotograf in Berlin. Später war er in Bendestorf südlich von Hamburg für die Produktionsfirma Junge Film-Union von Rolf Meyer tätig, den er 1938 während der „Bavaria-Fanck-Chile-Expedition“ kennengelernt und sich wohl mit ihm befreundet hatte. Ab etwa 1954 arbeitete er mit seinen Partnern, dem Schwarzwälder Regisseur und Kameramann Fritz Aly (Ewiges Südtirol)[34][35] und dem Reporter und Fotografen Leif Geiges in Freiburg im Breisgau. Ab etwa 1959/60 bis zu seiner Pensionierung war Arnold junior Werksfotograf bei einem Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Industriekeramik spezialisiert hatte. Er arbeitete in deren Zweigwerk im mittelfränkischen Lauf an der Pegnitz. Die Steatit Magnesia AG (STEMAG) wurde während seiner Tätigkeit von Rosenthal übernommen und firmierte dadurch ab 1971 als Rosenthal Stemag Technische Keramik GmbH, ab 1974 als Rosenthal Technik AG.[3]

1964 sind eine Reihe seiner Fotografien von Kristallen und Mineralen in einem Buch publiziert worden, das 1978 eine Neuauflage erfuhr.[36] Als Hobby sammelte Arnold Ernst Fanck über Jahrzehnte attraktiv erscheinende Steine. Diese Sammlung ist bis heute erhalten.[3]

Im Jahr 1989 wirkte er neben Leni Riefenstahl und Luis Trenker an der Filmproduktion Wer war Arnold Fanck? des Norddeutschen Rundfunks mit.[37]

Er verstarb 74-jährig und wurde wie seine Ehefrau auf dem Friedhof in Lauf an der Pegnitz beigesetzt.[38]

Veröffentlichungen Bearbeiten

  • mit Rudolf Metz: Antlitz edler Steine. Mineralien – Kristalle. Chr. Belser Verlag, Stuttgart 1964 und 1978

Videos Bearbeiten

Bei YouTube finden sich zwei kurze Filmausschnitte, in denen Arnold Ernst Fanck wiederholt zu sehen ist; in den Credits des Vorspanns wird er als „Sein [des Bergsteigers] Sohn als Kind ... Arnold Fanck jun.“ bezeichnet.

Ein Video von 1996 weist Arnold Fanck jun. in den Credits aus:

Weblinks Bearbeiten

Commons: Arnold Ernst Fanck – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Fußnoten Bearbeiten

  1. Fanck, Arnold Ernst. In: Deutsche Biographie, auf: deutsche-biographie.de
  2. Arnold Ernst Fanck, auf: filmportal.de
  3. a b c d e f g h i j k Schriftliche Auskunft aus dem Privatarchiv von Arnold Ernst Fancks Sohn Matthias Fanck, E-Mail vom 25. April 2019.
  4. Arnold Ernst Fancks leibliche Mutter Sophie Meder, verh. Marinucci, wurde im Meldekarten-Eintrag für Arnold Ernst Fanck beim Einwohnermeldeamt Freiburg im Breisgau vom 24. April 1954 vermerkt. Zitiert nach: Stadtarchiv Freiburg im Breisgau, Anita Hafner, 13. Juli 2020
  5. a b c Renate Liessem-Breinlinger: Arnold Fanck. In: Baden-Württembergische Biographien, Bd. 2. Kohlhammer, Stuttgart 1999, ISBN 978-3-17-014117-9, S. 121–123.
  6. Faksimile des Eheregistereintrags der Eheschließung Fanck-Zaremba vom 20. Mai 1920 in Zürich, Signatur: VIII.B.a.1.:2.168. Eheregister A, Band II, Nr. 954, Zürich 1920, S. 491, übermittelt durch das Stadtarchiv Zürich, Herrn Dr. Nicola Behrens, 10. Juli 2020
  7. Matthias Fanck, auf: imdb.com
  8. Matthias Fanck: Arnold Fanck. Weiße Hölle – Weißer Rausch. Bergfilme und Bergbilder 1909–1939, AS-Verlag und Buchkonzept AG, Zürich 2009, ISBN 978-3-909111-66-4; Buchbesprechung. In: CineGraph Babelsberg, Berlin-Brandenburgisches Centrum für Filmforschung e. V., auf: filmblatt.de
  9. a b Schülerverzeichnis der Freien Schulgemeinde Wickersdorf. In: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen in Hessen.
  10. Max Joseph Julius Kahn (* 21. Juli 1919 in Magdeburg; † 2. November 1982 in Berlin) war der Sohn des in Magdeburgs Eichendorffstraße 10 ansässigen (jüdischen) Arztes Dr. med. Julius Kahn (* 1. Dezember 1885 in Altenbamberg, Rheinland-Pfalz; † 1. April 1939 in Magdeburg) und dessen Ehefrau Helene Marie Luise (* 19. März 1895 in Schönebeck, Sachsen-Anhalt; † 3. März 1948 in Magdeburg), geborene Gans. Zitat nach: Deutsche Minderheiten-Volkszählung, 17. Mai 1939. Diese Volkszählung erfasste auf einer in verschlossenem Umschlag abzugebenden „Ergänzungskarte“ personenbezogene Daten zur „blutmäßigen Abstammung“ und somit auch Personen, die der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz folgend als „jüdisch“ (konträr zu „deutschblütig“) klassifiziert wurden, als „Geltungsjude“. – Nach dem Besuch der Volksschule und ab Ostern 1929 der Sexta des Realgymnasiums in Magdeburg wechselte Max 1930 zur Freien Schulgemeinde nach Wickersdorf. Er wollte die Reifeprüfung ablegen und wie sein Vater Mediziner werden. Der während der NS-Zeit als so genannter „Mischling 1. Grades“ („Halbjude“) klassifizierte blonde und blauäugige Max Kahn erlitt am 17. Februar 1934 in Wickersdorf durch seinen Mitschüler Walter Helmuth Külz (* 15. Juli 1918 in München; † 1986 in San Francisco) einen Steckschuss in den Hals, ein Querschläger, der vom Kugelfang einer Zielscheibe abprallte. Zitiert nach: Chronik der Freien Schulgemeinde Wickersdorf, Eintrag vom 17. Februar 1934 (gem. Prof. Dr. Peter Dudek, 10. April 2020). – Walter Külz entschied sich Arzt zu werden und emigrierte 1953 in die Vereinigten Staaten. Zitiert nach: Journal of the American Medical Association (JAMA), Vol. 259, No. 22, Obituary Listing, 10. Juni 1988, S. 3341–3346; Zitiert nach: Petition for Naturalization No. 144928, District Court of the United States of San Francisco, California; Ankunft am 29. Juni 1953 per S.S. Maasdam (Holland-Amerika Lijn) in New York City, Alien Registration No. A8 505 589. – Max Kahn erhielt nach seinem Ende September 1934 erfolgten Abgang von der Schulgemeinde Wickersdorf eine Ausbildung als Autoschlosser bei der Magdeburger Firma Carl Camin in der Landwehrstraße 6. Diese brach er ab, weil er aufgrund des Bekanntheitsgrades seines Vaters als örtlich praktizierender jüdischer Arzt antisemitischer Diskriminierung seitens Arbeitskollegen ausgesetzt war. Er zog deshalb nach Berlin, wo ihn niemand kannte, und beendete dort seine Ausbildung bei der Firma E. Schuster in Berlin SW 29 (Kreuzberg) in der Blücherstraße 29. Im Kontext der „Reichskristallnacht“ wurde sein Vater am 10. November 1938 festgenommen. Zitiert nach: Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Rep. C 29 Anhang III, Nr. 9. – Wenige Monate später verstarb er im Alter von nur 53 Jahren; als Ursache sind brutale Verhörmethoden (Gewehrkolben; innere Blutungen) familiär überliefert, die jedoch in der amtlich dokumentierten Todesursache nicht erwähnt wurden. Zitiert nach: Sterbebuch des Standesamts Magdeburg, Nr. 748/1939, 3. April 1939. – In den Jahren 1940/41 diente Max als Kraftfahrer der Gebirgsjäger in der Wehrmacht und war im Kontext des Unternehmens Weserübung für den Nachschub der Truppe auf der Route zwischen Oslo und Kirkenes eingesetzt. 1941 wurde er aufgrund seiner Klassifizierung als „Mischling 1. Grades“ bzw. „Halbjude“ aus der Wehrmacht entlassen. In Magdeburg lernte er eine jüdische Frau kennen, mit der er einen Sohn bekam. Durch die Geburt des Kindes wurde die Beziehung amtlich bekannt. Am 23. Februar 1944 wurde er deshalb 24-jährig wegen „Verk[ehr]. m[it]. Jüdin“ („Rassenschande“) festgenommen und durch die Staatspolizeileitstelle (StaPo LSt) in Magdeburg zunächst in das Gestapo-Auffanglager Magdeburg-Rothensee und am 27. Mai 1944 als politischer Gefangener (Häftlingsnummer 9754) in das „Schutzhaftlager“ des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar deportiert. Zitiert gem. „Häftlings-Personal-Karte“ des KL Buchenwald vom 27. Mai 1944. – Von dort aus wurde er aufgrund seiner Berufsausbildung in der Schlosserei der Deutschen Ausrüstungswerke (DAW), eines Rüstungsunternehmens der SS, beschäftigt. Frau und Kind sollen in einem Vernichtungslager ermordet worden sein. Nach rund einem Jahr wurde Max durch die anrückende US-Armee aus Buchenwald befreit und am 7. Mai 1945 formell aus der Lagerhaft entlassen. Zitiert gem. Verfügungsbefehl für einen Gefangenen (Order for disposal of inmates) des Military Government of Germany vom 7. Mai 1945. – Als Bürgen gab er zu diesem Anlass neben seiner Mutter den in Magdeburg niedergelassenen Arzt und früheren SPD-Stadtrat Dr. med. Ernst Thesing und den Chirurgen Dr. med. Georg Friedrich Hestermann (* 22. Juni 1892 in Wilhelmshaven) an. Zitiert gem. Fragebogen für Insassen der Konzentrationslager (Concentration Camp Inmates Questionnaire) des Military Government of Germany vom 28. April 1945. – Max heiratete am 9. Juli 1945 die Kinderpflegerin Ruth Weineck (1927–2009). Aus dieser Ehe gingen 3 Kinder hervor, zwei Töchter (* 1947; * 1953) und ein Sohn (* 1952). Max Kahn war in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre in seiner Geburtsstadt als Polizeiwachtmeister tätig. Im Jahr 1948 starb seine Mutter im Alter von 52 Jahren. Zitiert nach: Sterbebuch des Standesamts Magdeburg, Nr. 400/1948, 6. März 1948. – Kurz vor der Staatsgründung der DDR flüchtete das Paar mit seiner kleinen Tochter am 16. Juli 1949 nach West-Berlin. Zitiert nach: Personalausweis des Max Kahn, ausgestellt am 10. November 1953 in West-Berlin. – Dort konnte Max Kahn an seinen erlernten Beruf anknüpfen; später war er bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) beschäftigt. Um 1951 plante die kleine Familie eine Emigration als Flüchtlinge nach Kanada, die jedoch nicht realisiert wurde. Zitiert nach: Ausweis für den unter das Mandat der Internationalen Flüchtlings-Organisation gestellten Max Kahn – D.R.A. (Discretionary Resettlement Assistance), vom 12. September 1951. – Er verstarb im Alter von 63 Jahren nach langer Krankheit. Zitiert nach: Standesamt Charlottenburg von Berlin, Sterberegister 1982, P Rep. 559 Nr. 839, 2971, Bl. 82.
  11. Peter Dudek: „Versuchsacker für eine neue Jugend“. Die Freie Schulgemeinde Wickersdorf 1906–1945. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2009, ISBN 978-3-7815-1681-6, S. 390ff.
  12. Archiv der Freien Schulgemeinde Wickersdorf. In: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein, Witzenhausen, Hessen.
  13. Peter Dudek: „Versuchsacker für eine neue Jugend“. Die Freie Schulgemeinde Wickersdorf 1906–1945. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2009, ISBN 978-3-7815-1681-6, S. 396.
  14. Peter Dudek: „Der Ödipus vom Kurfürstendamm – Ein Wickersdorfer Schüler und sein Muttermord 1930“. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2015, ISBN 978-3-7815-2026-4, S. 41–42.
  15. Peter Dudek: „Sie sind und bleiben eben der alte abstrakte Ideologe!“ Der Reformpädagoge Gustav Wyneken (1875-1864). Eine Biographie. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2017, ISBN 978-3-7815-2176-6, S. 332.
  16. Peter Dudek: „Alles braver Durchschnitt“? Impressionen zur Schülerschaft der FSG Wickersdorf 1906–1945. In: JHB 23 – Jahrbuch für Historische Bildungsforschung 2017. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2018, ISBN 978-3-7815-2237-4, S. 234–279 (Zitatstelle: S. 236).
  17. Dr. oec. publ. Otto Peltzer wurde am 22. Juni 1935 durch die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin wegen Verbrechens gegen § 176 Nr. 3 RStGB in zwei Fällen, wegen eines Verbrechens gegen § 174 Nr. 1 RStGB und wegen eines Vergehens gegen § 175 RStGB zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Am 14. September 1935 wurde per Beschluss der Entzug der Doktorwürde angeordnet. Zitiert nach: Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren – Die Aberkennung der Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München während der Zeit des Nationalsozialismus. Herbert Utz Verlag, München 2007, ISBN 978-3-8316-0691-7, S. 337–340
  18. Gesellschaft für Exilforschung / Society for Exile Studies (Hrsg.): Nachrichtenbrief / Newsletter: 1984 bis 1993 mit Gesamtregister. Walter de Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-1109-5910-9, S. 214.
  19. Lucas Ligtenberg: Mij krijgen ze niet levend. De zelfmoorden van mei 1940. Uitgeverij Balans, Amsterdam 2017, ISBN 978-9-4600-3955-3.
  20. Hans-Heinz Sanden: Der Makel. Eine Jugend zwischen Rassen und Klassen. Universitas Verlag, München 1990. ISBN 978-3-8004-1225-9, S. 81.
  21. Alfred Ehrentreich: 50 Jahre erlebte Schulreform – Erfahrungen eines Berliner Pädagogen (= Studien zur Bildungsreform, 11). Hrsg. v. Wolfgang Keim, Frankfurt am Main 1985, ISBN 978-3-8204-7790-0, S. 226.
  22. Hans-Windekilde Jannasch: Martin Luserke. In: Spätlese - Begegnungen mit Zeitgenossen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1973, auf: luserke.net
  23. Martin Luserke: Tanil und Tak. In: Zelt-Geschichten. Fremdartige Abenteuer, von denen im Zelt und am Feuer erzählt wurde (= Die Bücher der Schule am Meer, Erster Band), Angelsachsen-Verlag, Bremen 1925.
  24. Der Berg des Schicksals, auf: filmportal.de
  25. Siegfried Kracauer: Berge, Wolken, Menschen. In: Frankfurter Zeitung (Stadt-Blatt), 9. April 1925.
  26. a b c d Matthias Fanck: Bergfilmpionier Arnold Fanck. Vergessener Star. In: Der Spiegel, EINESTAGES, 11. Oktober 2015, auf: spiegel.de
  27. Arnold Ernst Fanck, auf: IMDb.com
  28. Foto: Arnold Fanck junior in der Robinson-Höhle. In: Matthias Fanck: Bergfilmpionier Arnold Fanck. Vergessener Star. In: Der Spiegel, EINESTAGES, 11. Oktober 2015, auf: spiegel.de
  29. Felix Freier: DuMont’s Lexikon der Fotografie. Technik – Geschichte – Kunst. DuMont Buchverlag, Köln 2001, ISBN 978-3-7701-2982-9.
  30. Der mit Arnold Fanck junior befreundete Arndt von Rautenfeld während der Dreharbeiten zu Ein Robinson 1938/39 an einer Debrie Parvo-Filmkamera. In: Matthias Fanck: Bergfilmpionier Arnold Fanck. Vergessener Star. In: Der Spiegel, EINESTAGES, 11. Oktober 2015, auf: spiegel.de
  31. Arnold Fanck. In: Deutsches Filminstitut, auf: deutsches-filminstitut.de
  32. Oberkommando der Wehrmacht (Hrsg.): Wehrmachtsbericht, 21. Mai 1942
  33. Sven Felix Kellerhoff: Als der Sieg an der Wolga greifbar nahe schien. In: Die Welt, 20. September 2012, auf. welt.de
  34. Ewiges Südtirol, auf: fernsehserien.de
  35. Fritz Aly, auf: filmportal.de
  36. Arnold Ernst Fanck, auf: worldcat.org
  37. Wer war Arnold Fanck?, auf: filmportal.de
  38. Grabstätte Arnold Ernst Fanck und Gerda Martha Fanck, geb. Bastian, Abteilung 28, Nr. 15, zitiert nach: Friedhofsverwaltung Lauf an der Pegnitz, Markus Pförtner, 16. Juli 2020
  39. In Eis und Schnee – Arnold Fanck, auf: karlstorkino.de