Altarretabel
Als Altarretabel (das Retabel, von lat. retabulum, sinngemäß „rückwärtige Tafel“, auch Pala) bezeichnet man jeden Altaraufsatz – im deutschen Sprachgebrauch oft einfach mit Altar gleichgesetzt –, also eine Schauwand, die entweder direkt auf die Mensa eines Altars mit oder ohne Predella aufgesetzt ist, auf einem separaten Unterbau hinter dem Altartisch aufgestellt oder an der Wand hinter dem Altar befestigt ist. Es gibt auch an die Chorwand gemalte Altarretabel, siehe unten. Als Altarschrein bezeichnet man in der abendländischen Kunstgeschichte das schrankartig sich öffnende Mittelstück eines mit Flügeln verschließbaren Schnitzretabels.[1] Das Gegenstück zum Retabel ist das Antependium, das gemäß der Bezeichnung an der vorderen Mensakante angebracht vor dem Altartisch auf Beinhöhe des Zelebranten hing. Diese Form der Altargestaltung kam im Mittelalter auf.
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GeschichteBearbeiten
Das romanische Altarretabel, wie auch das Antependium, aus Stein, Stuck oder Metall ist mit Reliefs geschmückt, wenn es aus Holz besteht oft mit Blattgoldbeschlägen oder Malereien versehen. Sein Umriss ist rechteckig, halbrund oder rechteckig mit halbrunder Erhöhung in der Mitte.
In der Gotik wurde das Retabel durch bemalte Tafeln erweitert (Flügelaltar). Bisweilen wurden Einzelszenen mit zusätzlichen architektonischen Rahmungen, bestehend aus Pfeilern, Wimpergen und Fialen, umgeben. Eine Konstruktion aus architektonischen Elementen mit eingestellten Figuren oberhalb des Schreinkastens nennt man Gesprenge. Das größte gotische Altarretabel (27 m × 18 m) befindet sich in der Kathedrale von Sevilla. Zentren der Herstellung spätgotischer Retabel sind z. B. Lübeck und Antwerpen.
In Renaissance und Barock wurde das hinter dem Altar stehende Retabel üblich, wobei auf Flügel meist verzichtet wurde und nur das Mittelbild (auch Altarblatt genannt) übrigblieb. Dessen architektonische Rahmen bestehen aus einer Ädikula (Ädikula-Altar), mit der die Architektur des Chors und des ganzen Kirchenraums zu einer stilistischen und kompositorischen Einheit verschmilzt.
Bekannte ExemplareBearbeiten
- Antwerpener Retabel
- Heiligblut-Retabel in der Stadtkirche St. Jakob von Rothenburg ob der Tauber
- Kreuzigungs-Retabel in St. Peter und Paul in Detwang
- Landkirchener Retabel im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf
- Marien-Retabel in der Herrgottskirche von Creglingen
- Pala d’oro im Markusdom in Venedig
- Ein an die Chorwand gemaltes Retabel ist z. B. der gotische 14-Nothelferaltar der St. Peter und Paul Kirche in Westerbuchberg.
LiteraturBearbeiten
- Josef Braun SJ: Altarretabel (Altaraufsatz, Altarrückwand) (A. In der katholischen Kirche). In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Band 1: A – Baubetrieb. Metzler, Stuttgart 1934 (1937), Sp. 529–564.
- Helmuth Eggert: Altarretabel (B. In der protestantischen Kirche) In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Band 1: A – Baubetrieb. Metzler, Stuttgart 1934 (1937), Sp. 565–602.
- Ralf van Bühren: Kirchenbau in Renaissance und Barock. Liturgiereformen und ihre Folgen für Raumordnung, liturgische Disposition und Bildausstattung nach dem Trienter Konzil. In: Stefan Heid (Hrsg.): Operation am lebenden Objekt. Roms Liturgiereformen von Trient bis zum Vaticanum II. Berlin 2014, S. 93–119 - Volltext online.
- Klaus Krüger: Der frühe Bildkult des Franziskus in Italien. Gestalt- und Funktionswandel des Tafelbildes im 13. und 14. Jahrhundert. Gebr. Mann, Berlin 1992, ISBN 3-7861-1662-8 (= Zugleich: München, Univ., Diss., 1987).
WeblinksBearbeiten
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ Dieser Sinn des Begriffs „Schrein“ ist nicht zu verwechseln mit der Bedeutung von „Schrein“ im Sinne von „Reliquienbehältnis“. Die Benennung als Schrein für den mittleren Teil eines Schnitzaltares bezieht sich nicht auf eine eventuelle Verwahrung von Reliquien, sondern das Wort „Schrein“ benennt hier den gezimmerten Holzkasten- Vgl. Friedrich Kobler: Flügelretabel. I. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Band 9: Firstbekrönung – Flügelretabel. München 2003, Sp. 1450–1536, insbes. Sp. 1450.