Ziegenhardt

Ortsteil von Waldbröl

Ziegenhardt ist eine Ortschaft in der Stadt Waldbröl im Oberbergischen Kreis im südlichen Nordrhein-Westfalen, Deutschland innerhalb des Regierungsbezirks Köln.

Ziegenhardt
Stadt Waldbröl
Koordinaten: 50° 52′ N, 7° 37′ OKoordinaten: 50° 51′ 56″ N, 7° 37′ 27″ O
Höhe: 215 m ü. NHN
Einwohner: 161 (2. Dez. 2004)
Postleitzahl: 51545
Vorwahl: 02291
Karte
Lage von Ziegenhardt in Waldbröl

Geografie Bearbeiten

Das Dorf liegt am Waldbrölbach, einem Nebenfluss der oberen Bröl auf einer Höhe von etwa 215 m ü. NHN und ist circa 4,8 km südwestlich vom Stadtzentrum Waldbröls entfernt. Die Gemarkung Ziegenhardt grenzt im Westen an die Gemeinde Nümbrecht, etwa 0,5 km nördlich liegt Gut Rottland.

Die Bundesstraße 478 (Hennef – Waldbröl) streift den Ort im Süden. Linienbusse verbinden Ziegenhardt mit Waldbröl, Hennef (Sieg) und Nümbrecht.

Geschichte Bearbeiten

Vor 1825: Landesherrliches Pachtgut Bearbeiten

 
Blick von Süden auf die Häuser an der Brölstraße[1]

Um 1450 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt, als die Brüder Teilgin u. Guert von der Zegenhart gegen Peter Hungerkusen klagen. 1486 wird auch die dortige Mühle genannt: Eberhard Graf von Wittgenstein und seine Frau Margarethe verpachten hoff und mole in der tzegenhart an den bergischen Erbmarschall Bertram von Nesselrode und seine Frau Margarethe.[2] Seit dieser Zeit wurden Hof und Mühle durch den jeweiligen Landesherrn in Zeitpacht vergeben. Anfangs durch die Grafen zu Wittgenstein und die Grafen von Sayn als Herren von Homburg, 1609 bis 1788 durch die Pfalzgrafen von Neuburg und Kurfürsten von der Pfalz als Herzöge von Berg und 1816 letztmals durch den König von Preußen. Die Pachtzeit betrug 6, 12 oder 16 Jahre, seit 1741 24 Jahre. Im 18. Jahrhundert waren Hof und Mühle durchgehend an die Familie Schenck verpachtet, 1815 an Wilhelm Christian Burghardt, der in diese Müllerfamilie eingeheiratet hatte.[3]

1825 bis um 1900: Eigentum der Familie Burghardt Bearbeiten

 
Stammhaus Burghardt (19. Jh.) mit dem Mühlenteich („Kluus“), links die Mühle

1825 ersteigerten die Brüder Wilhelm und Anton Burghardt die preußische Domäne Hof und Mühle zu Ziegenhard für 750 Taler.[4] Durch Erbteilungen unter ihren Nachkommen und Verwandten (Schenck, Schmidt, Wirges) wurde der Hof fortgesetzt parzelliert und am Ende des 19. Jahrhunderts teilweise an zugezogene Familien (Steckelbach, Ottersbach) verkauft. Da die Landwirte der umliegenden Orte nicht mehr, wie vor 1806, gezwungen waren, ihr Korn in Ziegenhardt mahlen zu lassen, wurde die Mühle im 19. Jahrhundert zunehmend bedeutungslos. Wilhelm Burghardt war Uhrmacher, sein Sohn richtete im alten Pächterhaus eine Gaststätte ein, die noch heute an der Brölstraße vorhanden ist.

Beim Bau der ältesten mit Dampf betriebenen Schmalspurbahn Deutschlands zwischen Hennef und Waldbröl wurde 1870 in Ziegenhardt eine Bedarfshaltestelle eingerichtet. Der Betrieb dieses „Brölbähnchens“ der Rhein-Sieg-Eisenbahn wurde 1953 eingestellt.[5]

20. Jahrhundert: Handel und Handwerk Bearbeiten

 
Blick von Norden auf die 1965–2000 errichtete Häuser am Kirchweg

Da das Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen nicht mehr für den Unterhalt einer Familie ausreichte, waren die Bewohner seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gezwungen, ein Handwerk auszuüben oder Tätigkeiten in auswärtigen Betrieben aufzunehmen. So entstanden in Ziegenhardt eine Schmiede, zwei Lebensmittelläden, eine Schuhmacherwerkstätte, nach 1950 ein Traktoren- und Autohandel mit Tankstelle, ein Elektroinstallationsgeschäft. Mehrere Männer waren als Gleisbauarbeiter, Schaffner und Busfahrer bei der Rhein-Sieg-Eisenbahn tätig. Hannes Steckelbach und sein Sohn Gottfried waren weithin bekannte Viehhändler. Die Jahre 1935–1960 waren eine besondere Blütezeit, zunächst durch die wirtschaftlichen Aktivitäten des Reichsarbeitsministers Robert Ley auf dem benachbarten Gut Rottland, dann durch mehrere Familien, die vor den angloamerikanischen Bombenangriffen auf Köln geflohen waren.

Katholische Volksschule (1857–1967) Bearbeiten

 
Ehem. Kath. Volksschule (Foto um 1970)

1857 wurde im Stammhaus Burghardt an der Brölstraße der erste Klassenraum der neu gegründeten katholische Volksschule eingerichtet, erst 1888 wurde ein eigenes Schulgebäude errichtet. Der Schulbezirk umfasste neben Ziegenhardt die Orte Bech, Pulvermühle, Ober- und Niedergeilenkausen, Propach, Neuenhähnen, Wippenkausen, Bladersbach, Niederhausen, Rossenbach, Homburgerhahn und Rottland.[10] Häufig wurden in der einklassigen Schule mehr als 50 Kinder unterrichtet,[11] aber erst 1957 wurde ein moderner Anbau errichtet. Im Verlaufe der Auflösung der sogenannten „Zwergschulen“ wurde 1967 auch die Schule in Ziegenhardt geschlossen und das Gebäude zehn Jahre später privatisiert.[12]

Kath. Kirche St. Konrad von Parzham (seit 1936) Bearbeiten

 
Kath. Kirche St. Konrad von Parzham
 
Skulptur des Hl. Antonius in der Kirche zu Ziegenhardt[13]

Ziegenhardt galt neben Brenzingen schon im 18. Jahrhundert als „Hort des Katholizismus“ in der sonst fast vollständig lutherischen Gemeinde Waldbröl.[14] 1901 vermachte eine wohlhabende Kölner Witwe 6000 Mark und ihre überwiegend in Ziegenhardt liegenden Grundstücke der katholischen Pfarrgemeinde Waldbröl mit der Auflage, diese bei einem späteren Bau einer Kirche in Ziegenhardt zu verwenden.[15]

Durch die Initiative des Waldbröler Pfarrers Küppers und seines Kirchenvorstands konnte 1936 der dem heiligen Konrad von Parzham geweihte Kirchbau in nur acht Monaten fertiggestellt werden.[16] Im Totenzettel des Ziegenhardter Schmiedemeisters August Burghardt von 1941 heißt es: „Seit 1926 gehörte er dem Kirchenvorstand an. Sein Hauptstreben war, mit dafür zu sorgen, daß das untere Kirchspiel eine Kirche bekam, was 1936 auch gelang. Die dann errichtete Konradkirche in Ziegenhardt war sein Stolz und seine Freude.“[17]. Kirchenrechtlich gehören zu diesem „unteren Kirchspiel“ neben Ziegenhardt die Orte Bech, Bladersbach, Hillesmühle, Neuenhähnen, Niedergeilenkausen, Niederhausen, Obergeilenkausen, Pulvermühle, Rossenbach, Rottland und Segenborn.[18]

Zwei der drei Glocken im Turm der Ziegenhardter Kirche stammen aus Schlesien, die größere aus Marschwitz/Marsovice (1611 von Jakob Getz gegossen), die kleinere aus Neumarkt (1734 von Jacob Krampferd aus Breslau). Die dritte Glocke (von 1803) war bis 1916 die Schiffsglocke eines deutschen Kriegsschiffs und wurde 1936 von Wilhelm Weiper gespendet.[19]

Kirchenchor „Cäcilia“ Bearbeiten

Der in den frühen 1940er Jahren gegründete Kirchenchor wurde 1970 mit dem Waldbröler Kirchenchor „St. Cäcilia“ vereinigt.[20] Neben der Schule, der Kirche und der Borromäus-Bibliothek (in der Kirche)[21] gehörte er zum kulturellen Leben des Ortes und des Pfarrbezirks.

Jährlicher Höhepunkt Bearbeiten

Seit schon vielen Jahren verbringt die Katholische Pfarrjugend Christ König, Bonn-Holzlar ihr jährlich stattfindendes Pfingst-Zeltlager in Ziegenhardt.

Vereine Bearbeiten

  • Dorfgemeinschaft Ziegenhardt
  • Friedhofsverein Ziegenhardt e.V.

Der Dichter „W. C. Burghard“ (1824–1909) Bearbeiten

Der 1824 in Ziegenhardt geborene Wilhelm Christian Burghardt, ein Sohn des oben genannten Anton B., erlernte den Beruf eines Landvermessers, was für sein Lebensumfeld sehr ungewöhnlich war. Da er unverheiratet blieb, konnte er sich intensiv dem Schreiben von Gedichten und kleinen Prosastücken zuwenden. Seinen ersten Band „Gedichte“ veröffentlichte er unter einem Pseudonym, da er sich – neben moralisierender Lyrik – unverhohlen zur Revolution von 1848/49 bekannte. Seine weiteren vier Veröffentlichungen (1853–1866) entstanden in Ziegenhardt, bevor er 1872 nach dem Tod seines Vaters zu seinem Bruder Anton nach Waldbröl zog, wo dieser eine – heute noch existierende – Metzgerei und Gaststätte führte. Dort wohnte er bis zu seinem Tod 1909. Seine Werke erschienen ab 1853 unter dem Autorennamen „W. C. Burghard“.

Werke[22]:

Literatur Bearbeiten

Quellen Bearbeiten

  1. Historischer Ortskern: Die heutige Gaststätte (links) befindet sich im ehemaligen Haus des Mühlenpächters, rechts daneben der 1900 zum Wohnhaus ausgebaute ehemalige Pferdestall (1950 erweitert), dahinter (im Bild nicht sichtbar) das alte Backhaus.
  2. Corbach, Waldbröl, S. 468, Ersterwähnung nach: Hist. Archiv der Stadt Köln, Zivilprozesse, Nr. 142.
  3. Burghardt, Ziegenhardt, S. 2–7. Die erste Seite des Pachtvertrags von 1788 ebd. S. 88–89, der Pachtvertrag von 1816 vollständig ebd. S. 78–80
  4. Burghardt, Ziegenhardt, S. 8, nach: HStA Düsseldorf, Reg. Köln, Domänen, Nr. 3940.
  5. Fritz Mylenbusch: Die Geschichte der oberbergischen Eisenbahnen, o. O. 1963, S. 17–21.
  6. Uhrmacher und Gastwirt zu Ziegenhardt.
  7. Geboren in Ziegenhardt, Viehhändler und Gastwirt in Waldbröl; links seine Ehefrau Lisette Wirges aus Brenzingen.
  8. August Burghardt erhielt seine Ausbildung im Kürassier-Regiment „Graf Gessler“ (Rheinisches) Nr. 8.
  9. Postbeamter in Köln.
  10. Dannenberg-Wolter, Volksschule, S. 3–4.
  11. Über das Schulleben um 1930 unter Jakob Meurer, der 1913–1939 in Ziegenhardt als Lehrer tätig war, berichtet anschaulich Clemens Kugelmeier: Zwischen Hell und Dunkel. Ein Überlebensweg durch ein Vierteljahrhundert. I. Crescendo (Egelsbach 1999, ISBN 3-8267-4456-X). S. 18–26.
  12. Kugelmeier/Nies, S. 5–7; Festblatt zur Erweiterung 1959
  13. Der mündlichen Überlieferung nach befand sich die in Holz geschnitzte Figur des Hl. Antonius zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Stammhaus der Familie Burghardt an der Brölstraße (Abb. oben), dann im Haus Ottersbach und wurde 1936 in der Kirche aufgestellt.
  14. 1722 ließ der Pächter, Müller Hermann Schenck, seinen neugeborenen Sohn in Holpe taufen, da in Waldbröl kein katholischer Geistlicher vorhanden war; Taufbuch der kath. Pf. Holpe, Personenstandsarchiv Brühl.
  15. Wahrscheinlich war diese Witwe Wilhelmine Preuß geb. Schenk eine Nachfahrin der Ziegenhardter Müllerfamilie Schnek; Kugelmeier/Nies, S. 8–9.
  16. Das Grundstück kam durch Tausch mehrerer Parzellen der Witwe Preuß mit den Familien Burghardt und Ottersbach zustande; Kugelmeier/Nies, S. 9–20.
  17. Franz Josef Burghardt: Familienforschung, 5. Aufl., Meschede 2003, S. 21. ISBN 3-926089-03-2
  18. Kugelmeier/Nies, S. 4.
  19. Weiper hatte sie 1916 von Wilhelmshaven nach Hennef gebracht; Kugelmeier/Nies, S. 23–24. Dietrich Rentsch: Die Denkmäler des Rheinlandes, Oberbergischer Kreis 2, Düsseldorf 1967, S. 81.
  20. Kugelmeier/Nies, S. 25–29.
  21. Kugelmeier/Nies, S. 27.
  22. In der USB Köln, teilw. auch in der ULB Bonn.
  23. Verlag und Druck von W. A. Rosenkranz. In Commission bei T. Habicht in Bonn. (Im Vorwort: "Ziegenhard, den 11. Jan. 1853"). 29 S.
  24. Im Vorwort: "Ziegenhardt, im November 1858". Verlag vom Verfasser. Druck von W. A. Rosenkranz in Mülheim am Rhein. 52 S.
  25. Verlag vom Verfasser. Druck von C. F. Dämisch in Siegburg. 46, 26 u. 24 S.
  26. Verlag vom Verfasser. Druck von C. F. Dämisch in Siegburg. 14 S.

Weblinks Bearbeiten