Walter Thum (* 4. August 1888 in Dresden; † 2. Mai 1970 in Wiesbaden), selten auch: Walther Thum, war ein deutscher Journalist. Sein Autorenkürzel war „W. Th.“.

Foto des Journalisten Dr. Walter Thum im Jahr 1930.
Dr. Walter Thum, Berliner Büroleiter des Dresdner Anzeigers, 1930. Porträtfoto von Yva (Else Simon).

Herkunft, Familie und Ausbildung

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Seine Eltern waren der Kaufmann Ernst Julius Thum und Emilie Pauline Thum, geborene Lorenz, welche zur Zeit seiner Geburt an der Königsbrücker Straße in Dresden-Neustadt lebten. Beide Eltern waren evangelisch-lutherischer Konfession.[1] Er wurde evangelisch-lutherisch getauft. Er besuchte die 9. Bürgerschule (1895–1899) und die 1. städtische Realschule in Dresden-Johannstadt (1899–1905). Am Realgymnasium Dreikönigschule in Dresden-Neustadt erwarb er das Reifezeugnis zu Ostern 1908.

Ab Sommer 1908 studierte er Germanistik, Nationalökonomie und Geschichte, zunächst je ein Semester an der Philipps-Universität Marburg und der Technischen Hochschule Dresden, dann vier Semester bis 1911 an der Universität Leipzig. Dort wurde er zum Dr. phil. promoviert. Seine Gutachter waren die Geschichtsprofessoren Erich Brandenburg und Gerhard Seeliger. Die Doktorarbeit schrieb er 1911–1912 während einer Beschäftigung als Hauslehrer bei der Adelsfamilie von Plotho auf dem Rittergut Holdseelen bei Steesow und Lenzen an der Elbe. Seine Dissertation wurde im Mai 1912 angenommen.[2] Die militärhistorische Forschungsarbeit fand auch international Beachtung und wird bis heute zitiert. In den Akten des Dresdner Hauptstaatsarchivs und Kriegsarchivs erforschte er, wie groß die Anteile von Landeskindern und Ausländern im sächsischen Heer im 17. Jahrhundert waren und kam zu dem Schluss, dass sich August der Starke sehr deutlich, in manchen Schlachten überwiegend auf nicht-sächsische Soldaten verließ. Die Arbeit erschien 1912 als Buch.[3]

Im März 1915 heiratete Thum in Dresden-Blasewitz Konkordia Susanne Charlotte König.[4]

Journalistische Laufbahn

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Im Januar 1914 wurde Thum Redakteur beim Dresdner Anzeiger, einer traditionsreichen, bürgerlichen, nationalliberal orientierten Tageszeitung. Bereits im Mai wurde er erster Nachtredakteur und Schlussredakteur. Sein Autorenkürzel war „W. Th.“[5] 1919 verließ er die Dresdner Zentralredaktion und wurde Mitglied der Berliner Außenredaktion. Als der Büroleiter Dr. Hermann Handke ausschied, übernahm Thum die Leitung, sein Stellvertreter wurde Alfred Gerigk. Arbeitsschwerpunkt der Berliner Vertretung war die Berichterstattung über die Reichspolitik, sächsische Angelegenheiten in Berlin und die preußische Politik. Thum, der Mitglied der Berliner Pressekonferenz war, konzentrierte sich auf Stimmungsbilder, Hintergründe und Kommentare, während die parlamentarischen Sitzungs- und Routineberichte aus Reichstag und Preußischem Landtag überwiegend vom Nachrichtenbüro des Vereins Deutscher Zeitungsverleger (VDZ) übernommen wurden.[6]

Thum vertrat in Berlin nicht nur den Dresdner Anzeiger, sondern war auch Korrespondent für weitere Zeitungen, um 1930 etwa Breslauer Neueste Nachrichten, Hamburgischer Correspondent und Kasseler Neueste Nachrichten.[7]

Im Januar 1928 übernahm Thum als Nebentätigkeit von Harry Richter die Herausgeberschaft des 1924 gegründeten Bulletin des Diplomatischen Archivs in Berlin –Unabhängiger Diplomatischer und Konsularischer Nachrichtendienst.[8] Thum kürzte den Titel in Diplomatisches Bulletin – Diplomatischer und Konsularischer Nachrichten-Dienst. Die zweimonatliche erscheinende Zeitschrift meldete Personalveränderungen im diplomatischen und Konsularkorps und berichtete über gesellschaftliche Veranstaltungen.[9] Seine Schwester, die spätere RIAS-Journalistin Lisa Thum (1902–1976), arbeitete an dieser Zeitschrift mit.[10]

Thum engagierte sich in Berufsvereinigungen wie dem Reichsverband der Deutschen Presse (RDP) und dem Berliner Verband der Auswärtigen Presse (BVAP), in dem deutsche Inlandskorrespondenten von nicht in Berlin ansässigen Zeitungen zusammengeschlossen waren. Im Dezember 1931 wurde Thum als Nachfolger von Fritz Stein (Hamburger Fremdenblatt, B. Z. am Mittag) erster Vorsitzender des BVAP.[11] Im Dezember 1932 wurde Thum bestätigt.[12]

In den ersten Monaten des Nationalsozialismus 1933 versuchte Thum in seiner herausgehobenen Funktion als Verbandsfunktionär, mäßigend auf die Pressepolitik der NS-Regierung einzuwirken und sich vor angefeindete Kollegen zu stellen, die aus dem Beruf gedrängt werden sollten.

So hielt er am 6. April 1933 beim BVAP-Jahresempfang, der im Rundfunk übertragen wurde, vor Reichskanzler Adolf Hitler und Reichsminister Joseph Goebbels eine Rede, in der Thum „schwere Sorgen“ über die Veränderungen in der Zeitungslandschaft ausdrückte. Er bat, der bürgerlichen Presse Freiheiten zu erhalten, und appellierte an das Eigeninteresse des Regimes. Eine Zeitung sei für die Propaganda nur nützlich, wenn sie „von starkem inneren Eigenleben erfüllt“ sei. „Mit ein paar hundert Moniteurs kann kein Propagandaministerium der Welt etwas Rechtes anfangen“, und ohne Vertrauen der Leser könne es „auf diesem Instrument nicht mehr spielen“, wobei er eine frühere Formulierung von Goebbels aufgriff.[13]

Am 30. April 1933 gab Thum gemeinsam mit Kurt Metger und Emil Dovifat auf dem Berliner RDP-Verbandstag eine Erklärung ab, die sich gegen das Vorhaben des neuen RDP-Vorsitzenden und NSDAP-Pressechefs Otto Dietrich positionierte, jüdische und oppositionelle Journalisten sofort auszuschließen. Die Abstimmung darüber verloren Thum, Metger und Dovifat haushoch, aber sie hatten ein mutiges Zeichen gesetzt.[14]

Im Juni 1933 verlor Thum seinen BVAP-Vorsitz. Der Verband sollte nach dem Willen der Machthaber „unumschränkt in den Dienst der nationalen Erhebung gestellt werden“. Neuwahlen wurden erzwungen, jüdische und linke Mitglieder hinausgedrängt, der Rest unter Druck gesetzt. Der neue Vorstand bestand nur aus Nationalsozialisten und Nationalkonservativen, Thum wurde durch den NSDAP-Parteijournalisten Hans Graf Reischach ersetzt.[15]

Thum passte sich an das Regime an, um seine Karriere fortzusetzen, und widersetzte sich der „Gleichschaltung“ der Presse nicht. Er durfte weiter als Berliner Korrespondent für Provinzzeitungen arbeiten, wobei sich sein Schwerpunkt nach Westdeutschland verschob. So schrieb er ab 1938 für die Zeno-Zeitungen (Münsterländische Volkszeitung u. a.) und das große Parteiblatt National-Zeitung im NSDAP-Gau Essen. Er ließ sich vom RMVP auf Posten in der provinziellen Berufsgerichtsbarkeit ernennen.[16]

Über seine weitere berufliche Tätigkeit im Nationalsozialismus und im Nachkriegsdeutschland ist wenig bekannt. Unter anderem belebte er nach 1945 in West-Berlin das Diplomatische Bulletin wieder, das er bis 1964 führte.

Thum starb am 2. Mai 1970 in Wiesbaden.[17] Er wurde auf dem Wiesbadener Nordfriedhof begraben.[18]

Werke (Auswahl)

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  • Thum, Walter. Die Rekrutierung der sächsischen Armee unter August dem Starken (1694–1733). Leipziger Historische Abhandlungen, Heft 29. Quelle & Meyer, Leipzig 1912. [Digitalisat SLUB Dresden]
  • Thum, Walter. Die Rekrutierung der sächsischen Armee unter August dem Starken (1694–1733). Quelle & Meyer, Leipzig 1912. [Version: gedruckte Hochschulschrift mit Vita S.91] [Digitalisat HathtiTrust]

Literatur

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  • „Jubilare: D[okto]r Walter Thum 75 Jahre alt“. Journalist, Jg. 13, Nr. 8, 1963, S. 313.
  • „Personelle Notizen: D[okto]r Walter Thum“. Journalist, Jg. 18, Nr. 8, 1968, S. 24.
  • „Die Presse im Reich und die Außenpolitik“ [BVAP-Empfang, Rede Thum]. Zeitungs-Verlag Nr. 20, 1932, S. 3. [Digitalisat ANNO]
  • Zeißig, Herbert. Eine deutsche Zeitung. 200 Jahre Dresdner Anzeiger. Eine zeitungs- und kulturgeschichtliche Festschrift. Verlag der Dr. Güntzschen Stiftung (Dresdner Anzeiger), [Dresden], 1930. [Digitalisat SLUB Dresden]

Einzelnachweise

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  1. Geburtsurkunde Nr. 1312, 10. August 1888, Stadtarchiv der Landeshauptstadt Dresden, 6.4.25 Geburtsregister/Geburtsanzeigen, Ancestry.com (23. Juni 2024)
  2. Thum, Walter. Die Rekrutierung der sächsischen Armee unter August dem Starken (1694–1733). Quelle & Meyer, Leipzig 1912. [Version: gedruckte Hochschulschrift mit Vita S.91] [Digitalisat HathtiTrust]
  3. Thum, Walter. Die Rekrutierung der sächsischen Armee unter August dem Starken (1694–1733). Leipziger Historische Abhandlungen, Heft 29. Quelle & Meyer, Leipzig 1912. [Dissertation] URN urn:nbn:de:bsz:14-db-id4781635682 [Digitalisat] https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/186620/1
  4. Sächsische Dorfzeitung. „Getraut“. 14. März 1915, S. 9. [Digitalisat]
  5. Zeißig, Herbert. Eine deutsche Zeitung. 200 Jahre Dresdner Anzeiger. Eine zeitungs- und kulturgeschichtliche Festschrift. Verlag der Dr. Güntzschen Stiftung (Dresdner Anzeiger), [Dresden], 1930, S. 307 [Digitalisat SLUB Dresden]
  6. Zeißig, Herbert. Eine deutsche Zeitung. 200 Jahre Dresdner Anzeiger. Eine zeitungs- und kulturgeschichtliche Festschrift. Verlag der Dr. Güntzschen Stiftung (Dresdner Anzeiger), [Dresden], 1930, S. 395 [Digitalisat SLUB Dresden]
  7. Berliner Verband der Auswärtigen Presse. Mitgliederverzeichnis. Hamburg: Broschek, 1930.
  8. Verlag: Diplomatisches Archiv, Berlin OCLC-Nr.: 84735138 ZDB-ID 2357793-9 https://ld.zdb-services.de/resource/2357793-9
  9. 1933 Berlin-Wilmersdorf : Verlag des Diplomatischen Bulletins. 1949 gründete er es neu und führte es bis 1964. Westdeutscher Verlags- und Informationsdienst, Köln-Deutz ISSN 0170-4575 ZDB-ID 1281-6 https://ld.zdb-services.de/resource/1281-6
  10. „Jubilare: Lisa Thum 65 Jahre alt“. Journalist Jg. 17, Nr. 9, 1967, S. 30. Ihre Recherchen und RIAS-Sendungen führten 1955 zum RIAS-Prozess.
  11. Der Zeitungs-Verlag, 32. Jg., Nr. 52, 26. Dezember 1931, S. 13. [Digitalisat]
  12. Der Zeitungs-Verlag. „Die Vorstandswahlen im Berliner Verband der auswärtigen Presse“. 33. Jg., Nr. 53, 31. Dezember 1932, S. 3. [Digitalisat]
  13. „Reichskanzler Hitler vor der Presse“. Dortmunder Zeitung, Jg. 105, Nr. 166, 7. April 1933, S. 1. [Digitalisat]
  14. Der Wortlaut: „Angesichts der gegebenen Mehrheitsverhältnisse verzichten wir darauf, unsere grundsätzlichen sachlichen und formellen Bedenken gegen den Arierantrag geltend zu machen, zumal Einigkeit darüber besteht, dass die endgültigen Entscheidung über das Schicksal der vom Ausschluss bedrohten Kollegen erst durch das angekündigte Pressegesetz fallen soll. Wir vergessen aber nicht, dass wir mit vielen dieser Kollegen in der Berufsorganisation jahrelang zusammengearbeitet und manchen wertvollen Menschen unter ihnen kennengelernt haben. Wir vergessen vor allem nicht, dass gerade der Reichsverband der deutschen Presse ihrer Tätigkeit viel zu danken hat. Deshalb sind wir nicht in der Lage, dem Antrag zuzustimmen.“ Zitiert nach: Stefan Krings, Hitlers Pressechef. Otto Dietrich (1897-1952) - Eine Biografie. Wallstein, Göttingen 2010, S. 179–180.
  15. „Neuer Vorstand des Berliner Verbandes der Auswärtigen Presse“. Zeitungs-Verlag 34. Jg., Nr. 25, 1933, S. 405.
  16. „Die Beisitzer für das Bezirksgericht der rheinisch-westfälischen Presse.“ Aachener Anzeiger, 14. März 1934, S. 6 [Digitalisat]
  17. Handschriftliche Ergänzung, Geburtsurkunde Nr. 1312, 10. August 1888, Stadtarchiv der Landeshauptstadt Dresden, 6.4.25 Geburtsregister/Geburtsanzeigen, Ancestry.com (23. Juni 2024)
  18. Find a Grave, Datenbank und Bilder (https://de.findagrave.com/memorial/254805253/walter-thum: aufgerufen am 23. Juni 2024), Gedenkstättenseite für Walter Thum (1888–1970), Gedenkstätten-ID bei Find a Grave 254805253, zitierend Nordfriedhof Wiesbaden, Wiesbaden, Stadtkreis Wiesbaden, Hessen, Germany; Verwaltet von ! woowoo (Mitwirkender 49949980).