Ursula Schulz-Dornburg
Ursula Schulz-Dornburg (* 1938 in Berlin)[1] ist eine deutsche Fotografin und Künstlerin. Sie lebt und arbeitet in Düsseldorf. Ihre Fotografien folgen einer minimalistischen Ästhetik und vereinen dokumentarische und konzeptionelle Ansätze. Sie ist bekannt für ihre zumeist schwarz-weiß gehaltenen seriellen Fotografien historischer Architektur in Europa, dem Kaukasus und dem Nahen Osten.
Leben
BearbeitenUrsula Schulz-Dornburg wurde 1938 als Tochter des Architekten Ernst Petersen und der Bildhauerin Lisa Maskell in Berlin geboren.[2] 1958 zog sie nach München, wo sie zunächst Ethnologie an der Universität München studierte. 1959 wechselte sie zum Studium der Fotojournalistik am Institut für Bildjournalismus in München, wo sie bis zur Schließung des Instituts im Jahr 1960 studierte.
Ihre Tochter Julia Schulz-Dornburg (* 1962) ist als Architektin tätig und seit 1999 Vorsitzende des Kuratoriums der von ihrer Großmutter gegründeten Gerda Henkel Stiftung.
Werk
BearbeitenSchulz-Dornburg begann bereits als Teenager mit der großformatigen Glasplattenkamera ihres Onkels zu experimentieren.[3] 1967 lebte sie in New York City, wo sie mit Land Art und Konzeptkunst in Berührung kam. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland verfolgte sie die Entwicklungen dieser Kunstbewegungen aufmerksam. Frühe Begegnungen mit Künstlern wie Robert Frank, Ed Ruscha, Robert Smithson, Michael Heizer, Richard Long und Walter De Maria[4][5] hatten nachhaltigen Einfluss auf Schulz-Dornburgs konzeptionellen Ansatz in ihrer Fotografie, der sich durch ihre gesamte Karriere zieht.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland war Schulz-Dornburg in der Sozialarbeit, hauptsächlich mit Drogenabhängigen, aktiv, wobei sie Fotografie als therapeutisches Mittel einsetzte.[4] 1969 fotografierte sie Abenteuerspielplätze in Amsterdam, was zu ihrer ersten Fotoserie führte, die in Abenteuerspielplätze: ein Plädoyer für wilde Spiele veröffentlicht wurde.[6] Diese Publikation markierte den Beginn vieler Buchprojekte, die Schulz-Dornburgs Fotografien zum Kern haben.
Schulz-Dornburgs frühe fotografische Arbeiten entstanden auf verschiedenen internationalen Reisen. Oft besuchte sie Regionen, die für ausländische Reisende schwer zugänglich waren, was ihre zukünftige Arbeit nachhaltig prägen sollte.[3] Ihr zweites Buchprojekt, das die Vorhänge auf dem Markusplatz in Venedig dokumentiert, zeigt den Einfluss von Ed Ruschas bahnbrechendem Fotobuch Every Building on Sunset Strip.[7] Weitere Serien aus Schulz-Dornburgs Werk der 1970er Jahre wurden in Burma, England, China und der Türkei aufgenommen. Schulz-Dornburgs Reise in den Irak im Jahr 1980, die unter anderem zu einer Fotoserie über die Marsch-Araber führte, markierte einen wichtigen Wendepunkt in ihrer Karriere. Ihre Fotografien dokumentieren die Umgebung der mesopotamischen Marschgebiete und die Kultur ihrer Bewohner kurz vor der von Saddam Hussein angeordneten Trockenlegung der Sümpfe und der daraus resultierenden Zerstörung dieses Ökosystems und der dazugehörigen Kulturlandschaft. Dieses Interesse an Umweltfragen setzte sich in anderen Serien wie Ewiger Weizen fort. Letztere dokumentiert z. B. die Artenvielfalt von Weizensorten und deren Rückgang durch industrielle Monokultur, indem über hundert einzigartige Weizenähren und Samen durch serielle Fotografien festgehalten wurden.
Schulz-Dornburg erlangte erstmals internationale Anerkennung mit ihrer Serie Sonnenstand, die Einsiedeleien entlang des spanischen Teils des Jakobswegs dokumentiert. Bestürzt über die Zerstörungen des Ersten Irakkriegs suchte sie nach einer Zeit und einem Ort harmonischen Zusammenlebens und gegenseitiger Inspiration verschiedener Kulturen. Für Schulz-Dornburg verkörperte die mozarabische Architektur der Einsiedeleien aus dem 10. und 11. Jahrhundert entlang des Jakobswegs diese transkulturelle Perspektive. Der Fokus der Serie auf die Bewegung des Lichts, das durch die Fenster der Apsis der Kapellen eingefangen wird, verdeutlicht Schulz-Dornburgs konzeptuellen Stil und ihre Gabe, Bedeutung durch das Wechselspiel von Licht und Dunkelheit zu erzeugen.[8][9]
In den späteren Jahren ihrer Karriere reiste Schulz-Dornburg wiederholt nach Armenien, Russland und Syrien und nach Georgien, Kasachstan und Saudi-Arabien sowie in weitere Regionen. Die Reisen nach Armenien führten zu mehreren Fotoserien, darunter ihr bekanntestes Projekt Transitorte, das Bushaltestellen aus der Sowjetzeit zeigt. Weitere bemerkenswerte Serien umfassen Ansichten der antiken Stadt Palmyra vor ihrer teilweisen Zerstörung durch den IS, den Berg Ararat, aufgenommen von Armenien aus über die Grenze zur Türkei, abstrakte monumentale Skulpturen in Kronstadt sowie die verlassene Architektur der Hedschasbahn in Saudi-Arabien. Ihre letzten beiden Serien Opytnoe Pole und Chagan stammen von einer Reise im Jahr 2012 zum ehemaligen sowjetischen Atomwaffentestgelände Semipalatinsk in Kasachstan, wo sie Bauten fotografierte, die speziell zur Erprobung der Auswirkungen von Nuklearexplosionen errichtet wurden. Die Erfahrung der extremen Zerstörungskraft des Menschen veranlasste Schulz-Dornburg nach dieser Reise dazu, keine neuen Fotoprojekte mehr zu beginnen.
Obwohl Schulz-Dornburgs Fotografien nur selten Menschen zeigen, untersucht ihr Werk die Geschichte der Menschheit, existenzielle menschliche Fragen und die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt und Kulturlandschaften. Indem sich ihre Serien meist auf die bauliche Umwelt konzentrieren, fangen sie Räume ein, die Übergänge symbolisieren, sich im Wandel befinden oder als Überreste einer überformten Vergangenheit weiterbestehen. Schulz-Dornburgs Fotografien fangen politische Machtverschiebungen ein und reflektieren so über Grenzen und Grenzverschiebungen, die architektonische Artefakte hinterlassen, deren anachronistische Natur Zeugnis der Vergangenheit ablegt.[10][11] Schulz-Dornburg verbindet diese politischen und historischen Transformationen mit kosmologischen Überlegungen zum Platz des Menschen im Universum. Konzeptuell und kompositorisch ist für Schulz-Dornburg der Horizont die wichtigste Koordinate, die eine Aufnahme verankert und zugleich einen Übergangsraum darstellt.[12]
Die meisten von Schulz-Dornburgs Serien wurden mit einer Hasselblad-Kamera aufgenommen, jedoch benutzte sie für einige Serien (insbesondere Kronstadt und Memoryscapes) eine Canon-Ixus-Kamera. Hauptsächlich in Schwarz-Weiß fotografierend und meist auf Silbergelatine druckend, zeichnet sich Schulz-Dornburgs Arbeit in der Regel durch einen „objektiven“ und nüchternen Stil aus. Dieser dokumentarische Ansatz führt zu typologischen Serien ihrer Motive, was sie stilistisch mit der Düsseldorfer Photoschule in Verbindung bringt.[13] Schulz-Dornburgs methodische Recherchearbeit zu jedem ihrer Themen verleiht ihren Fotografien Intention, und die minimalistische Klarheit bereichert die scheinbar objektive Haltung mit symbolischen Bedeutungsdimensionen, die die inhärent politische Natur ihrer Arbeit widerspiegeln.
Die Mehrzahl von Schulz-Dornburgs Serien wurden in Fotobüchern oder Ausstellungskatalogen veröffentlicht, von denen viele von Schulz-Dornburg selbst oder unter ihrer aktiven Beteiligung gestaltet wurden. Schulz-Dornburg verfolgt keine neuen Fotoprojekte, stellt jedoch weiterhin aus und veröffentlicht unbekannte Serien aus ihrem Archiv. Im Jahr 2022 spendete Schulz-Dornburg ihr Archiv dem Getty Research Institute in Los Angeles, wo es katalogisiert und qualifizierten Forschern zugänglich gemacht wird.[3]
Ehrung
BearbeitenIm Dezember 2024 erhält Ursula Schulz-Dornburg den Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Mai 2025 wird ihr der Bernd-und-Hilla-Becher-Preis überreicht. Die Kunstsammlung NRW hat ihr im Obergeschoss des K21 als Vorhut auf den Kunstpreis eine Ausstellung mit Serien eindringlicher Schwarz-Weiß-Fotografien aus Syrien und Irak eingerichtet.[14]
Ausstellungen (Auswahl)
Bearbeiten- 2023: Kunstsammlung NRW, neue Ankäufe im K21
- 2019: Zone Grise – The Land In-Between, Maison Européenne de la Photographie, Paris (4. Dezember 2019 – 16. Februar 2020)
- 2018: The Land In-Between, Fotografien von 1980 bis 2012, Städel Museum, Frankfurt am Main
- 2008: Tongkonan, Alang und das Haus ohne Rauch / Aedes am Pfefferberg, Berlin
- 2008: LUZ DE LA FOTOGRAFÍA. SILENCIO DE LA ARQUITECTURA. / Auditorio de San Francisco, Ávila
- 2008: Photographie / Beck & Eggeling new quarters, Düsseldorf
- 2008: Objectivités – La photographie à Düsseldorf (Gruppenausstellung) / Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris - MAM/ARC
- 2008: presencia y ausencia / Fundación BBK, Bilbao
- 2007: Fotografien / Krefelder Kunstverein, Krefeld
- 2006: Irak. Verschwundene Landschaften / Galerie Heike Curtze, Berlin
- 2006: PAGAN Zeit aus Stein / Galerie Sabine Knust, München[15]
- 2006–2004: Architekturen des Wartens / Museum Ludwig, Köln; Galerie Elke Dröscher, Hamburg; Galerie AEDES West, Berlin
- 2006: Wüste am 45. Längengrad / Kunst-Station St. Peter (Köln)
- 2004: Erinnerungslandschaften / Galerie Werner Klein, Köln
- 2004–2002: Across the territories / Galeria Casa Vallarta, Guadalajara, Mexiko; Centro Fotogràfico Alvares Bravo, Oaxaca, Mexiko; Institut Valencià d’Art Modern (IVAM), Valencia
- 2002: Der 45. Längengrad / Galerie Sabine Knust, München
- 2002: Transit Orte / Galerie Werner Klein, Köln[16]
- 2001: Transitsites / Neuhoff Gallery, New York / Galerie Wittrock, Düsseldorf
- 2000: Grenzlandschaften / Galerie Wittrock, Düsseldorf
- 1997–1992: Sonnenstand / Art Institute of Chicago; Corcoran Gallery of Art, Washington DC; Galerie Wittrock, Düsseldorf
- 1999–1992: Weizen / in: Gen-Welten, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; in: Naturale Reality, Ludwigforum, Aachen; Museum der Brotkultur, Ulm
- 1984–1981: Der Tigris des alten Mesopotamien mit F. Rudolf Knubel / Museum Quadrat Bottrop, Bottrop; Museum des 20. Jahrhunderts, Wien; Kestnergesellschaft, Hannover
- 1979: Ansichten von Pagan mit F. Rudolf Knubel; Deutsche UNESCO-Kommission, Bonn; Stadtmuseum Düsseldorf
- 1976: Palace Pier, Brighton mit Katharina Sattler / Kaiser-Wilhelm-Museum, Krefeld
- 1975: Vorhänge am Markusplatz in Venedig mit Katharina Sattler / Galerie Heiner Friedrich, München; Galerie Wittrock, Düsseldorf[17]
Literatur
Bearbeiten- Christina Irrgang: Ursula Schulz-Dornburg. In: dies.: Düsseldorf und Fotografie, ein Bericht. Landeshauptstadt Düsseldorf, der Oberbürgermeister, Kulturamt, Düsseldorf 2022, S. 54f.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Biographische Daten von Ursula Schulz-Dornburg bei Artfacts.
- ↑ The Land in between. Ursula Schulz-Dornburgs Fotografien von 1980 bis 2012 im Städel.
- ↑ a b c Ursula Schulz-Dornburg Donates Archive to the Getty Research Institute | Getty News. Abgerufen am 14. November 2024 (englisch).
- ↑ a b Lorraine Anne Davis: Ursula Schulz-Dornburg: Time and Time Again. In: Black & White. Nr. 135, S. 88.
- ↑ Ursula Schulz-Dornburg, Martin Engler, Fiona Elliott, Christiane Fischer: The land in between: photographs from 1980 to 2012. MACK, London 2018, ISBN 978-1-912339-10-5 (worldcat.org [abgerufen am 14. November 2024]).
- ↑ Abenteuerspielplätze: ein Plädoyer für wilde Spiele. 1. Auflage. Econ-Verlag, Düsseldorf Wien 1972, ISBN 978-3-430-18191-4.
- ↑ Joshua P. Smith: Ursula-Schulz-Dornburg: Sonnenstand. The Corcoran Gallery of Art, Washington, DC 1996 (Ausstellungsbroschüre).
- ↑ Matthias Bärmann: As If Without Time: The Nuclear Twilight Zone. In: Architectural Design. Band 93, Nr. 4, Juli 2023, ISSN 0003-8504, S. 96–103, doi:10.1002/ad.2959 (wiley.com [abgerufen am 14. November 2024]).
- ↑ Matthias Bärmann: Living in Transition. Photo Series by Ursula Schulz-Dornburg. Gallery Luisotti, Los Angeles 2014 (Ausstellungsbroschüre).
- ↑ Simon Baker: Ursula Schulr-Dornburg: Series and Transformations. Abgerufen am 13. November 2024.
- ↑ Tony Cenicola: The Best Photo Books of 2018. In: The New York Times. 18. Dezember 2018, abgerufen am 13. November 2024.
- ↑ Becky Rynor: An Interview with Ursula Schulz-Dornburg. In: NGC Magazine. Abgerufen am 13. November 2024.
- ↑ Tom Wilkinson: ‘The craze for images of Communist architecture can be traced back to the work of one intrepid photographer’. In: The Architectural Review. 4. Oktober 2016, abgerufen am 14. November 2024 (englisch).
- ↑ Helga Meister: Am Horizont schimmert Hoffnung. Rheinische Post, vom 6. November 2024
- ↑ Ursula Schulz-Dornburg Pagan, Galerie Sabine Knust Maximilian Verlag, vom 19. Oktober bis 14. November 2006
- ↑ Ursula Schulz-Dornburg bei Galerie Werner Klein
- ↑ Anna Klapheck Vorhänge haben ihr Geheimnis, Artikel in Düsseldorfer Feuilleton, 1975
Personendaten | |
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NAME | Schulz-Dornburg, Ursula |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Fotografin und Künstlerin |
GEBURTSDATUM | 1938 |
GEBURTSORT | Berlin |