Enkoimesis

religiöses Ritual
(Weitergeleitet von Tempelschlaf)

Als Enkoimesis (altgriechisch ἐγκοίμησις), Inkubation (von lateinisch incubatio) oder Tempelschlaf bezeichnet man eine seit der Antike belegte Praxis der Trauminkubation, bei der ein Kranker das Heiligtum eines Gottes oder eines Heros aufsuchte und dort (manchmal in Verbindung mit einem entsprechenden Ritual und mehr oder minder aufwändiger Vorbereitung wie Bäder, Fasten, Diät, Opfer und Gebete) darauf hoffte, dass er im Traumschlaf einen Hinweis auf eine wirksame Therapie seiner Krankheit erhielte. Im allgemeineren Sinn handelt es sich um eine Bezeichnung für den Schlaf im Tempel, bei dem ein Orakelsuchender Antwort auf seine Frage erhofft. Der Inhalt des Traums war normalerweise nicht unmittelbar verständlich, sondern bedurfte der Deutung durch einen Priester des jeweiligen Heiligtums.

Der Gott des Heiligtums war ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. häufig der griechische Heilgott Asklepios, aber nicht der einzige. Die Sleeping Lady, eine figürliche Plastik auf Malta, wird als eine Darstellung des Tempelschlafs gedeutet.

Heiligtümer, an denen die Enkoimesis belegt ist, waren:

Heilgott Ort Quellen
Amphiaraos Knopia bei Theben Strabon 9 p. 404. Herodot 8,134. Pindar Pythien 8,39. Nemesian 10,8. Origenes contra Celsum 3,34
Amphiaraos Oropos Hypereides pro Euxenippo p. 8,5 Schneidewin. Pausanias 1,34. Flavius Philostratos vita Apollonii 2,37
Amphiaraos Phlius Pausanias 2,13,6
Amphilochos Akarnanien Aelius Aristides I p. 78. Origines contra Celsum 3,34
Amphilochos Mallos in Kilikien Pausanias 1,34,3
Asklepios Aigai in Kilikien Flavius Philostratos vita sophistarum 1,4,1; vita Apollonii 1,7. Eusebius von Caesarea de vita Constantini 3,56
Asklepios Athen Aristophanes Der Reichtum 620ff; Die Wespen 122
Asklepios Epidauros Claudius Aelianus de natura animalium 9,33. Strabon 8 p. 374. Pausanias 2,27; 10,38,13. Marinos von Neapolis vita Procli 31
Asklepios Kos Strabon 8, p. 374
Asklepios Leben auf Kreta Pausanias 2,26,9
Asklepios Pergamon Flavius Philostratos vita sophistarum 1,25,4; vita Apollonii 1,7. Herodian 4,8,7
Asklepios Sikyon Pausanias 2,10,2
Asklepios Trikka Strabon 9, 437
Asklepios Troizen Claudius Aelianus de natura animalium 9,33
Athene Korinth Pindar Olympien 13,66ff
Brizo Delos Semos von Delos bei Athenaios 8, 335a
Dionysos Amphikaia Pausanias 10,33,10
Faunus bei Tibur an der Quelle Albunea Vergil Aeneis 7,86
Gaia Delphi Euripides Iphigenia Taurica 1230ff
Gaia Olympia (?) Pausanias 5,14,10
Hemithea Kastabos Diodor 5,62f
Herakles Hyettos (?) Pausanias 9,24,3
Hermione Makedonien (?) Tertullian de anima 46
Isis Tithorea Pausanias 10,32,13
Kalchas am Berg Garganos in Apulien Strabon 6, p. 284. Lykophron aus Chalkis 1047–1066
Machaon Gerenia Pausanias 3,26,9
Mopsos Mallos Plutarch defectu oraculorum 45
Nyx Megara Pausanias 1,40,6
Odysseus bei den Eurytanern in Ätolien Lykophron aus Chalkis 799f
Pan Troizen Pausanias 2,32,5
Pasiphae (mit Ino) Thalamai Pausanias 3,26,1. Cicero de divinatione 1,43. Plutarch Agesilaos 9; Kleomedes 7
Pluton (mit Persephone) Charonion von Acharaka Strabon 14, p. 649
Podaleirios am Berg Garganos in Apulien Strabon 6, p. 284. Lykophron aus Chalkis 1049
Polemokrates Eua Pausanias 2,38,6
Protesilaos Heroon bei Elaius Flavius Philostratos Heroicus 2,6,7
Sarapis Kanopus Strabon 17,801. Arrian Alexanderzug 7,6. Plutarch Alexander 76
Sarpedon Kilikien Basilius von Seleucia Vita S. Theclae
Teiresias Orchomenos Plutarch defectu oraculorum 44
Trophonios Lebadeia Pausanias 9,39
Zalmoxis Land der Geten Herodot 4,95f

In der christlichen Zeit Ägyptens ist der „Heilschlaf“ sowohl durch schriftliche Quellen als auch durch einen Anbau an die Märtyrerkirche der Menasstadt nachgewiesen.[1]

Die Praxis der Inkubation findet sich auch an islamischen Heiligtümern in Gestalt der Istichāra (istiḫāra). Hierbei spricht ein Muslim bestimmte Bittgebete, bevor er sich in dem betreffenden Heiligtum schlafen legt. An den Ritus knüpft sich die Erwartung, dass er für die betreffende Person heilvolle Wirkungen hat.[2]

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Siegfried G. Richter: Das koptische Ägypten. Schätze im Schatten der Pharaonen. Mit Fotos von Jo Bischof. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2019, ISBN 978-3-8053-5211-6, S. 70–71.
  2. Elizabeth Sirriyeh: Dreams and Visions in the World of Islam. A History of Muslim Dreaming and Foreknowing. I.B. Tauris, London 2015, S. 159.